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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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wollen: jene Sibyllen, der Prophet, selbst die Galathea, ge-
hören in die Zeit Julius II. Im Gegentheil zeigt eben die
Galathea, da sie erweislich nicht früher als unter Leo X. *)
entstanden ist, daß Vasari an jener Stelle seines Werkes
nichts weniger habe andeuten wollen, als eine gewisse chro-
nologische Folge. Der einzige vorhandene Grund, die Sibyl-
len den Stanzen der Zeit nach gleichzustellen, wird demnach,
als unhaltbar erwiesen, anderen Probabilitäten Raum geben
müssen.

So unwahrscheinlich es ist, daß Julius II., welcher der
Beendigung seiner Unternehmungen ungeduldig entgegensah,
sollte zugelassen haben, die Arbeit in den vaticanischen Stan-
zen durch andere, ihm ferner gelegene Unternehmungen der-
selben Gattung zu unterbrechen, so gewiß ist es, daß Raphael
unter seiner Regierung verschiedene Staffeleygemälde beendigt
hat. Sein Gönner konnte weder fordern, daß er die Oel-
malerey durchaus vernachlässige, noch selbst seinen häuslichen
Fleiß controlliren. Indeß sind die Oelgemälde, welche mit
Sicherheit in diese Epoche Raphaels versetzt werden können,
nicht zahlreich.

Vasari erzählt von einem Bildniß Julius II., welches
so lebendig, so überzeugend gegenwärtig sey, daß es Furcht

ordre que nous tachons de suivre aussi, parcequ'il indi-
que celui dans lequel ils furent executes
.
-- Vielleicht hat
Hr. Q. den Vasari überhaupt nicht gelesen, sicher nicht studirt. Und
doch verdient er, bedarf er, studirt zu werden, da er die beiden entgegen-
gesetzten Eigenschaften vereinigt, die Hauptquelle, aber auch eine sehr
trübe Quelle, der neueren Kunsthistorie zu seyn.
*) S. Lett. sulla pitt. Ed. Milano, T. I. p. 114. -- Bembo, Let-
tere, lib. 9. lett.
13.

wollen: jene Sibyllen, der Prophet, ſelbſt die Galathea, ge-
hoͤren in die Zeit Julius II. Im Gegentheil zeigt eben die
Galathea, da ſie erweislich nicht fruͤher als unter Leo X. *)
entſtanden iſt, daß Vaſari an jener Stelle ſeines Werkes
nichts weniger habe andeuten wollen, als eine gewiſſe chro-
nologiſche Folge. Der einzige vorhandene Grund, die Sibyl-
len den Stanzen der Zeit nach gleichzuſtellen, wird demnach,
als unhaltbar erwieſen, anderen Probabilitaͤten Raum geben
muͤſſen.

So unwahrſcheinlich es iſt, daß Julius II., welcher der
Beendigung ſeiner Unternehmungen ungeduldig entgegenſah,
ſollte zugelaſſen haben, die Arbeit in den vaticaniſchen Stan-
zen durch andere, ihm ferner gelegene Unternehmungen der-
ſelben Gattung zu unterbrechen, ſo gewiß iſt es, daß Raphael
unter ſeiner Regierung verſchiedene Staffeleygemaͤlde beendigt
hat. Sein Goͤnner konnte weder fordern, daß er die Oel-
malerey durchaus vernachlaͤſſige, noch ſelbſt ſeinen haͤuslichen
Fleiß controlliren. Indeß ſind die Oelgemaͤlde, welche mit
Sicherheit in dieſe Epoche Raphaels verſetzt werden koͤnnen,
nicht zahlreich.

Vaſari erzaͤhlt von einem Bildniß Julius II., welches
ſo lebendig, ſo uͤberzeugend gegenwaͤrtig ſey, daß es Furcht

ordre que nous tâchons de suivre aussi, parcequ’il indi-
que celui dans lequel ils furent exécutés
.
— Vielleicht hat
Hr. Q. den Vaſari überhaupt nicht geleſen, ſicher nicht ſtudirt. Und
doch verdient er, bedarf er, ſtudirt zu werden, da er die beiden entgegen-
geſetzten Eigenſchaften vereinigt, die Hauptquelle, aber auch eine ſehr
trübe Quelle, der neueren Kunſthiſtorie zu ſeyn.
*) S. Lett. sulla pitt. Ed. Milano, T. I. p. 114. — Bembo, Let-
tere, lib. 9. lett.
13.
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[107/0129] wollen: jene Sibyllen, der Prophet, ſelbſt die Galathea, ge- hoͤren in die Zeit Julius II. Im Gegentheil zeigt eben die Galathea, da ſie erweislich nicht fruͤher als unter Leo X. *) entſtanden iſt, daß Vaſari an jener Stelle ſeines Werkes nichts weniger habe andeuten wollen, als eine gewiſſe chro- nologiſche Folge. Der einzige vorhandene Grund, die Sibyl- len den Stanzen der Zeit nach gleichzuſtellen, wird demnach, als unhaltbar erwieſen, anderen Probabilitaͤten Raum geben muͤſſen. So unwahrſcheinlich es iſt, daß Julius II., welcher der Beendigung ſeiner Unternehmungen ungeduldig entgegenſah, ſollte zugelaſſen haben, die Arbeit in den vaticaniſchen Stan- zen durch andere, ihm ferner gelegene Unternehmungen der- ſelben Gattung zu unterbrechen, ſo gewiß iſt es, daß Raphael unter ſeiner Regierung verſchiedene Staffeleygemaͤlde beendigt hat. Sein Goͤnner konnte weder fordern, daß er die Oel- malerey durchaus vernachlaͤſſige, noch ſelbſt ſeinen haͤuslichen Fleiß controlliren. Indeß ſind die Oelgemaͤlde, welche mit Sicherheit in dieſe Epoche Raphaels verſetzt werden koͤnnen, nicht zahlreich. Vaſari erzaͤhlt von einem Bildniß Julius II., welches ſo lebendig, ſo uͤberzeugend gegenwaͤrtig ſey, daß es Furcht *) *) S. Lett. sulla pitt. Ed. Milano, T. I. p. 114. — Bembo, Let- tere, lib. 9. lett. 13. *) ordre que nous tâchons de suivre aussi, parcequ’il indi- que celui dans lequel ils furent exécutés. — Vielleicht hat Hr. Q. den Vaſari überhaupt nicht geleſen, ſicher nicht ſtudirt. Und doch verdient er, bedarf er, ſtudirt zu werden, da er die beiden entgegen- geſetzten Eigenſchaften vereinigt, die Hauptquelle, aber auch eine ſehr trübe Quelle, der neueren Kunſthiſtorie zu ſeyn.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/129>, abgerufen am 25.04.2024.