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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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begier die Kunst umfaßte *), welcher schon früher das Un-
gestüm seines Temperaments, die Hartnäckigkeit seines Cha-
rakters gebeugt hatte, um durch Nachgiebigkeit den Michel-
angelo
von Neuem an sich zu fesseln, möchte daher den Künst-
ler gesucht haben, nicht dieser einen neuen Gönner.

Indeß erzählt uns Vasari, Bramante von Urbino, der
Baumeister des Pabstes, habe aus Rücksicht auf Blutsver-
wandtschaft und gleiches Vaterland, hier den Vermittler ge-
macht, die Aufmerksamkeit seines Herrn auf Raphael gelenkt.

Nach der Analogie des Geschäftsganges bey anderen
Höfen dürfen wir annehmen, daß Bramante die Künstler,
deren man eben bedurfte, dem Pabste in Vorschlag brachte
und im Namen seines Herrn mit ihnen unterhandelte. In
so weit mag Vasari, aus welcher Quelle es sey, doch recht
berichtet seyn. Wenn er indeß hat andeuten wollen, daß Ra-
phael
einzig persönlichen Rücksichten (an Höfen, wie in den
Gemeinwesen freylich ein mächtiger Hebel) seine Beförderung
verdanke, so würde er hiedurch nicht den Raphael selbst, eher
seine Gönner verunglimpfen. Ueberhaupt scheint Raphael auf
ganz anderem Wege dem Pabste angenähert zu seyn. Von
Jugend auf hatte die Herzogin von Urbino ihn begünstigt **),
und gerade im Jahre seiner Versetzung nach Rom bewarb
sich Raphael um eine Verwendung des Francesco della Ro-

*) Man liest den Namen des Cardinal Julian della Rovere zu
Grottaferrata und an anderen Stellen an verschiedenen schönen Bau-
stücken. Schon vor Raphaels Ankunft hatte er in Rom viele der fähig-
sten Maler versammelt.
**) S. den schon angef. Brief, Lett. sulla pitt. To. I. 1. (so in
allen Ausgg.).

begier die Kunſt umfaßte *), welcher ſchon fruͤher das Un-
geſtuͤm ſeines Temperaments, die Hartnaͤckigkeit ſeines Cha-
rakters gebeugt hatte, um durch Nachgiebigkeit den Michel-
angelo
von Neuem an ſich zu feſſeln, moͤchte daher den Kuͤnſt-
ler geſucht haben, nicht dieſer einen neuen Goͤnner.

Indeß erzaͤhlt uns Vaſari, Bramante von Urbino, der
Baumeiſter des Pabſtes, habe aus Ruͤckſicht auf Blutsver-
wandtſchaft und gleiches Vaterland, hier den Vermittler ge-
macht, die Aufmerkſamkeit ſeines Herrn auf Raphael gelenkt.

Nach der Analogie des Geſchaͤftsganges bey anderen
Hoͤfen duͤrfen wir annehmen, daß Bramante die Kuͤnſtler,
deren man eben bedurfte, dem Pabſte in Vorſchlag brachte
und im Namen ſeines Herrn mit ihnen unterhandelte. In
ſo weit mag Vaſari, aus welcher Quelle es ſey, doch recht
berichtet ſeyn. Wenn er indeß hat andeuten wollen, daß Ra-
phael
einzig perſoͤnlichen Ruͤckſichten (an Hoͤfen, wie in den
Gemeinweſen freylich ein maͤchtiger Hebel) ſeine Befoͤrderung
verdanke, ſo wuͤrde er hiedurch nicht den Raphael ſelbſt, eher
ſeine Goͤnner verunglimpfen. Ueberhaupt ſcheint Raphael auf
ganz anderem Wege dem Pabſte angenaͤhert zu ſeyn. Von
Jugend auf hatte die Herzogin von Urbino ihn beguͤnſtigt **),
und gerade im Jahre ſeiner Verſetzung nach Rom bewarb
ſich Raphael um eine Verwendung des Francesco della Ro-

*) Man lieſt den Namen des Cardinal Julian della Rovere zu
Grottaferrata und an anderen Stellen an verſchiedenen ſchönen Bau-
ſtücken. Schon vor Raphaels Ankunft hatte er in Rom viele der fähig-
ſten Maler verſammelt.
**) S. den ſchon angef. Brief, Lett. sulla pitt. To. I. 1. (ſo in
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[78/0100] begier die Kunſt umfaßte *), welcher ſchon fruͤher das Un- geſtuͤm ſeines Temperaments, die Hartnaͤckigkeit ſeines Cha- rakters gebeugt hatte, um durch Nachgiebigkeit den Michel- angelo von Neuem an ſich zu feſſeln, moͤchte daher den Kuͤnſt- ler geſucht haben, nicht dieſer einen neuen Goͤnner. Indeß erzaͤhlt uns Vaſari, Bramante von Urbino, der Baumeiſter des Pabſtes, habe aus Ruͤckſicht auf Blutsver- wandtſchaft und gleiches Vaterland, hier den Vermittler ge- macht, die Aufmerkſamkeit ſeines Herrn auf Raphael gelenkt. Nach der Analogie des Geſchaͤftsganges bey anderen Hoͤfen duͤrfen wir annehmen, daß Bramante die Kuͤnſtler, deren man eben bedurfte, dem Pabſte in Vorſchlag brachte und im Namen ſeines Herrn mit ihnen unterhandelte. In ſo weit mag Vaſari, aus welcher Quelle es ſey, doch recht berichtet ſeyn. Wenn er indeß hat andeuten wollen, daß Ra- phael einzig perſoͤnlichen Ruͤckſichten (an Hoͤfen, wie in den Gemeinweſen freylich ein maͤchtiger Hebel) ſeine Befoͤrderung verdanke, ſo wuͤrde er hiedurch nicht den Raphael ſelbſt, eher ſeine Goͤnner verunglimpfen. Ueberhaupt ſcheint Raphael auf ganz anderem Wege dem Pabſte angenaͤhert zu ſeyn. Von Jugend auf hatte die Herzogin von Urbino ihn beguͤnſtigt **), und gerade im Jahre ſeiner Verſetzung nach Rom bewarb ſich Raphael um eine Verwendung des Francesco della Ro- *) Man lieſt den Namen des Cardinal Julian della Rovere zu Grottaferrata und an anderen Stellen an verſchiedenen ſchönen Bau- ſtücken. Schon vor Raphaels Ankunft hatte er in Rom viele der fähig- ſten Maler verſammelt. **) S. den ſchon angef. Brief, Lett. sulla pitt. To. I. 1. (ſo in allen Ausgg.).

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/100>, abgerufen am 24.04.2024.