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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. Beygabe zu Bd. 1. Hamburg, 1827.

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Voraussetzungen.

Erste. Das Wort, Schönheit, bezeichnet eine
Eigenschaft, das Schöne, hingegen Dinge, denen
jene Eigenschaft anhängt.

Anm. 1. Es erhellet aus der allgemeinen Grammatik,
daß durch das Neutrum des Adjectivs, wo es für
sich und in substantivem Sinne stehet, eine unbe-
stimmte Mehrheit von Dingen bezeichnet werde,
welchen die, in dem Beyworte ausgesprochene Ei-
genschaft anhängt; hingegen durch das abgeleitete
Hauptwort der abstracte Begriff der Eigenschaft
selbst.

Das Schwanken des Gebrauches in unserer, wie
in anderen alten und neueren Sprachen (welches
überhaupt nur bey einzelnen Wörtern und beson-
ders eben bey solchen eingetreten ist, welche
Eigenschaften aussprechen, deren abstracter Auf-
fassung man auszuweichen liebte) hebet die Regel
nicht auf, zu welcher wir zurückkehren müssen, so-
bald es auf Schärfe des Ausdruckes ankommt.

Anm. 2. Da offenbar in den schönen Dingen viele Ei-
genschaften vorhanden sind, welche deren Schönheit
nicht erhöhen, noch überall damit zu schaffen haben:
(in einer schönen Statue sind außer der Schön-
heit noch relative Schwere und Größe, und
allerley physische Eigenschaften des Gesteines
oder Erzes vorhanden; in einem schönen Men-
schen, eine Unendlichkeit von physischen, sitt-
lichen und geistigen Eigenschaften, welche zu

Vorausſetzungen.

Erſte. Das Wort, Schoͤnheit, bezeichnet eine
Eigenſchaft, das Schoͤne, hingegen Dinge, denen
jene Eigenſchaft anhaͤngt.

Anm. 1. Es erhellet aus der allgemeinen Grammatik,
daß durch das Neutrum des Adjectivs, wo es fuͤr
ſich und in ſubſtantivem Sinne ſtehet, eine unbe-
ſtimmte Mehrheit von Dingen bezeichnet werde,
welchen die, in dem Beyworte ausgeſprochene Ei-
genſchaft anhaͤngt; hingegen durch das abgeleitete
Hauptwort der abſtracte Begriff der Eigenſchaft
ſelbſt.

Das Schwanken des Gebrauches in unſerer, wie
in anderen alten und neueren Sprachen (welches
uͤberhaupt nur bey einzelnen Woͤrtern und beſon-
ders eben bey ſolchen eingetreten iſt, welche
Eigenſchaften ausſprechen, deren abſtracter Auf-
faſſung man auszuweichen liebte) hebet die Regel
nicht auf, zu welcher wir zuruͤckkehren muͤſſen, ſo-
bald es auf Schaͤrfe des Ausdruckes ankommt.

Anm. 2. Da offenbar in den ſchoͤnen Dingen viele Ei-
genſchaften vorhanden ſind, welche deren Schoͤnheit
nicht erhoͤhen, noch uͤberall damit zu ſchaffen haben:
(in einer ſchoͤnen Statue ſind außer der Schoͤn-
heit noch relative Schwere und Groͤße, und
allerley phyſiſche Eigenſchaften des Geſteines
oder Erzes vorhanden; in einem ſchoͤnen Men-
ſchen, eine Unendlichkeit von phyſiſchen, ſitt-
lichen und geiſtigen Eigenſchaften, welche zu

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[4/0010] Vorausſetzungen. Erſte. Das Wort, Schoͤnheit, bezeichnet eine Eigenſchaft, das Schoͤne, hingegen Dinge, denen jene Eigenſchaft anhaͤngt. Anm. 1. Es erhellet aus der allgemeinen Grammatik, daß durch das Neutrum des Adjectivs, wo es fuͤr ſich und in ſubſtantivem Sinne ſtehet, eine unbe- ſtimmte Mehrheit von Dingen bezeichnet werde, welchen die, in dem Beyworte ausgeſprochene Ei- genſchaft anhaͤngt; hingegen durch das abgeleitete Hauptwort der abſtracte Begriff der Eigenſchaft ſelbſt. Das Schwanken des Gebrauches in unſerer, wie in anderen alten und neueren Sprachen (welches uͤberhaupt nur bey einzelnen Woͤrtern und beſon- ders eben bey ſolchen eingetreten iſt, welche Eigenſchaften ausſprechen, deren abſtracter Auf- faſſung man auszuweichen liebte) hebet die Regel nicht auf, zu welcher wir zuruͤckkehren muͤſſen, ſo- bald es auf Schaͤrfe des Ausdruckes ankommt. Anm. 2. Da offenbar in den ſchoͤnen Dingen viele Ei- genſchaften vorhanden ſind, welche deren Schoͤnheit nicht erhoͤhen, noch uͤberall damit zu ſchaffen haben: (in einer ſchoͤnen Statue ſind außer der Schoͤn- heit noch relative Schwere und Groͤße, und allerley phyſiſche Eigenſchaften des Geſteines oder Erzes vorhanden; in einem ſchoͤnen Men- ſchen, eine Unendlichkeit von phyſiſchen, ſitt- lichen und geiſtigen Eigenſchaften, welche zu

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. Beygabe zu Bd. 1. Hamburg, 1827, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01beygabe_1827/10>, abgerufen am 28.03.2024.