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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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wenn sie überhaupt ohne eine angemessene Darstellung von
Anderen entdeckt werden könnten. Denn der Eindruck eines
edlen, unter dem Drucke äußerer Umstände verkommenden,
Geistes ist nothwendig niederschlagend; dem schönen Gewande
aber, ob es wohl einen Unwürdigen bekleide, gönnen wir gern
einen, wenn auch nur vorübergehenden Blick. Nicht selten
indeß zeigen die Vorzüge der reinen Darstellung eine andere
und ernstere Seite, da sie auch wohl, gleich den Leistungen
der emsigen und in ihren Studien des Objektiven gleichsam
verlorenen deutsch-italienischen Vorläufer Raphaels alle Vor-
theile der Kunst wesentlich fördern und also höheren Bestre-
bungen den Weg bahnen. Ich beziehe mich hier, wie sich's
versteht, nicht etwa auf leere Fertigkeiten der Hand, oder,
wie die neueren Italiener sagen, auf einen Fortschritt von
schmaler zu breiter Manier *), vielmehr einzig auf gediegene,
sich ihrer selbst deutlich bewußte Darstellung.

Verfolgen wir nun, nach dieser allgemeinsten Verglei-
chung und Würdigung beide Thätigkeiten mehr in das Ein-
zelne ihrer besonderen Beziehungen und Wirkungen. Ueber die
Auffassung wird freylich, da sie ganz intensiver Beschaffenheit
ist, nur Weniges und Allgemeines zu sagen seyn. Allein die
Darstellung, welche ihrem Wesen nach mehr in die Breite
geht, dürfte eine lange Reihe vereinzelter Bemerkungen her-
beyführen, bey denen der Leser ausharren wolle.

Da die Kunst überhaupt wohl eine eigenthümliche Wen-
dung und Beziehung, doch keinesweges, wie Manche anzuneh-
men geneigt sind, eine ganz eigene und ausgeschiedene Gegend

*) Allargare la maniera -- gewöhnlich bey Lanzi, storia pitt.
und in a. ital. Kschr.

wenn ſie uͤberhaupt ohne eine angemeſſene Darſtellung von
Anderen entdeckt werden koͤnnten. Denn der Eindruck eines
edlen, unter dem Drucke aͤußerer Umſtaͤnde verkommenden,
Geiſtes iſt nothwendig niederſchlagend; dem ſchoͤnen Gewande
aber, ob es wohl einen Unwuͤrdigen bekleide, goͤnnen wir gern
einen, wenn auch nur voruͤbergehenden Blick. Nicht ſelten
indeß zeigen die Vorzuͤge der reinen Darſtellung eine andere
und ernſtere Seite, da ſie auch wohl, gleich den Leiſtungen
der emſigen und in ihren Studien des Objektiven gleichſam
verlorenen deutſch-italieniſchen Vorlaͤufer Raphaels alle Vor-
theile der Kunſt weſentlich foͤrdern und alſo hoͤheren Beſtre-
bungen den Weg bahnen. Ich beziehe mich hier, wie ſich’s
verſteht, nicht etwa auf leere Fertigkeiten der Hand, oder,
wie die neueren Italiener ſagen, auf einen Fortſchritt von
ſchmaler zu breiter Manier *), vielmehr einzig auf gediegene,
ſich ihrer ſelbſt deutlich bewußte Darſtellung.

Verfolgen wir nun, nach dieſer allgemeinſten Verglei-
chung und Wuͤrdigung beide Thaͤtigkeiten mehr in das Ein-
zelne ihrer beſonderen Beziehungen und Wirkungen. Ueber die
Auffaſſung wird freylich, da ſie ganz intenſiver Beſchaffenheit
iſt, nur Weniges und Allgemeines zu ſagen ſeyn. Allein die
Darſtellung, welche ihrem Weſen nach mehr in die Breite
geht, duͤrfte eine lange Reihe vereinzelter Bemerkungen her-
beyfuͤhren, bey denen der Leſer ausharren wolle.

Da die Kunſt uͤberhaupt wohl eine eigenthuͤmliche Wen-
dung und Beziehung, doch keinesweges, wie Manche anzuneh-
men geneigt ſind, eine ganz eigene und ausgeſchiedene Gegend

*) Allargare la maniera — gewoͤhnlich bey Lanzi, storia pitt.
und in a. ital. Kſchr.
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[18/0036] wenn ſie uͤberhaupt ohne eine angemeſſene Darſtellung von Anderen entdeckt werden koͤnnten. Denn der Eindruck eines edlen, unter dem Drucke aͤußerer Umſtaͤnde verkommenden, Geiſtes iſt nothwendig niederſchlagend; dem ſchoͤnen Gewande aber, ob es wohl einen Unwuͤrdigen bekleide, goͤnnen wir gern einen, wenn auch nur voruͤbergehenden Blick. Nicht ſelten indeß zeigen die Vorzuͤge der reinen Darſtellung eine andere und ernſtere Seite, da ſie auch wohl, gleich den Leiſtungen der emſigen und in ihren Studien des Objektiven gleichſam verlorenen deutſch-italieniſchen Vorlaͤufer Raphaels alle Vor- theile der Kunſt weſentlich foͤrdern und alſo hoͤheren Beſtre- bungen den Weg bahnen. Ich beziehe mich hier, wie ſich’s verſteht, nicht etwa auf leere Fertigkeiten der Hand, oder, wie die neueren Italiener ſagen, auf einen Fortſchritt von ſchmaler zu breiter Manier *), vielmehr einzig auf gediegene, ſich ihrer ſelbſt deutlich bewußte Darſtellung. Verfolgen wir nun, nach dieſer allgemeinſten Verglei- chung und Wuͤrdigung beide Thaͤtigkeiten mehr in das Ein- zelne ihrer beſonderen Beziehungen und Wirkungen. Ueber die Auffaſſung wird freylich, da ſie ganz intenſiver Beſchaffenheit iſt, nur Weniges und Allgemeines zu ſagen ſeyn. Allein die Darſtellung, welche ihrem Weſen nach mehr in die Breite geht, duͤrfte eine lange Reihe vereinzelter Bemerkungen her- beyfuͤhren, bey denen der Leſer ausharren wolle. Da die Kunſt uͤberhaupt wohl eine eigenthuͤmliche Wen- dung und Beziehung, doch keinesweges, wie Manche anzuneh- men geneigt ſind, eine ganz eigene und ausgeſchiedene Gegend *) Allargare la maniera — gewoͤhnlich bey Lanzi, storia pitt. und in a. ital. Kſchr.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/36>, abgerufen am 19.04.2024.