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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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gegangen sind. Wir wollen es dahin gestellt seyn lassen, ob
und in wie fern ihre Wahl solcher vereinzelten Denkmale, in
denen sie den Begriff der Kunst gleichsam verkörpert zu er-
blicken geglaubt, auch durchhin glücklich gewesen. Gewiß
erwarben unsere Zeitgenossen mit so viel neuen Gegenständen
der Vergleichung *) auch neue Veranlassungen zur Untersuchung
der altgriechischen Kunst, was die Kenntniß und richtige Wür-
digung dieser letzten dem Ansehn nach gefördert haben könnte.
Doch an dieser Stelle genügt es uns, daß Lessing's Be-
streben, aus vereinzelten Bruchstücken der alten Bildnerey die
Gegenstände zu erkennen, welche vorzeiten fähig gewesen, den
Sinn griechischer Künstler zu fesseln, oder Winkelmann's,
uns sogar die Formen vorzuzeichnen, innerhalb deren die Dar-
stellung der Alten sich bewegte, doch selbst im glücklichsten
Falle eben nur zur Kenntniß der antiken Kunst führen dürfte
und nie zu allgemeineren Kunstansichten. Eben so wenig in-
deß dürfen wir uns versprechen, indem wir aus einzelnen
Schulen und Richtungen der neueren Kunst, oder aus deren

*) Lord Elgins Erwerb, jetzt im britt. Museum, und durch
die Freygebigkeit des Königs von Großbrit. in guten Abgüssen in
den meisten europäischen Hauptstädten. Andere Bruchstücke athe-
niensischer Tempelverzierungen zu Paris, Copenhagen etc. Die Aegi-
neten im Museo zu München, der Fries von Phigalia im britt.
Museo. Größere Aufmerksamkeit auf die griechischen Städte-
Münzen. -- Solche Werke, deren Alterthum durch die Gebäude,
die sie verzierten, beurkundet wird, geben uns einen Maaßstab für
diejenige Kunstart, welche selbst den späteren Alten noch immer
für die beste, bisweilen für die einzig rechte galt. Zu Winkel-
mann's
Zeit fehlte es noch an einem beurkundeten Kennzeichen
des besten Alterthumes; er war daher beschränkt auf Vermuthungen
und Meinungen.

gegangen ſind. Wir wollen es dahin geſtellt ſeyn laſſen, ob
und in wie fern ihre Wahl ſolcher vereinzelten Denkmale, in
denen ſie den Begriff der Kunſt gleichſam verkoͤrpert zu er-
blicken geglaubt, auch durchhin gluͤcklich geweſen. Gewiß
erwarben unſere Zeitgenoſſen mit ſo viel neuen Gegenſtaͤnden
der Vergleichung *) auch neue Veranlaſſungen zur Unterſuchung
der altgriechiſchen Kunſt, was die Kenntniß und richtige Wuͤr-
digung dieſer letzten dem Anſehn nach gefoͤrdert haben koͤnnte.
Doch an dieſer Stelle genuͤgt es uns, daß Leſſing’s Be-
ſtreben, aus vereinzelten Bruchſtuͤcken der alten Bildnerey die
Gegenſtaͤnde zu erkennen, welche vorzeiten faͤhig geweſen, den
Sinn griechiſcher Kuͤnſtler zu feſſeln, oder Winkelmann’s,
uns ſogar die Formen vorzuzeichnen, innerhalb deren die Dar-
ſtellung der Alten ſich bewegte, doch ſelbſt im gluͤcklichſten
Falle eben nur zur Kenntniß der antiken Kunſt fuͤhren duͤrfte
und nie zu allgemeineren Kunſtanſichten. Eben ſo wenig in-
deß duͤrfen wir uns verſprechen, indem wir aus einzelnen
Schulen und Richtungen der neueren Kunſt, oder aus deren

*) Lord Elgins Erwerb, jetzt im britt. Muſeum, und durch
die Freygebigkeit des Koͤnigs von Großbrit. in guten Abguͤſſen in
den meiſten europaͤiſchen Hauptſtaͤdten. Andere Bruchſtuͤcke athe-
nienſiſcher Tempelverzierungen zu Paris, Copenhagen etc. Die Aegi-
neten im Muſeo zu Muͤnchen, der Fries von Phigalia im britt.
Muſeo. Groͤßere Aufmerkſamkeit auf die griechiſchen Staͤdte-
Muͤnzen. — Solche Werke, deren Alterthum durch die Gebaͤude,
die ſie verzierten, beurkundet wird, geben uns einen Maaßſtab fuͤr
diejenige Kunſtart, welche ſelbſt den ſpaͤteren Alten noch immer
fuͤr die beſte, bisweilen fuͤr die einzig rechte galt. Zu Winkel-
mann’s
Zeit fehlte es noch an einem beurkundeten Kennzeichen
des beſten Alterthumes; er war daher beſchraͤnkt auf Vermuthungen
und Meinungen.
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[5/0023] gegangen ſind. Wir wollen es dahin geſtellt ſeyn laſſen, ob und in wie fern ihre Wahl ſolcher vereinzelten Denkmale, in denen ſie den Begriff der Kunſt gleichſam verkoͤrpert zu er- blicken geglaubt, auch durchhin gluͤcklich geweſen. Gewiß erwarben unſere Zeitgenoſſen mit ſo viel neuen Gegenſtaͤnden der Vergleichung *) auch neue Veranlaſſungen zur Unterſuchung der altgriechiſchen Kunſt, was die Kenntniß und richtige Wuͤr- digung dieſer letzten dem Anſehn nach gefoͤrdert haben koͤnnte. Doch an dieſer Stelle genuͤgt es uns, daß Leſſing’s Be- ſtreben, aus vereinzelten Bruchſtuͤcken der alten Bildnerey die Gegenſtaͤnde zu erkennen, welche vorzeiten faͤhig geweſen, den Sinn griechiſcher Kuͤnſtler zu feſſeln, oder Winkelmann’s, uns ſogar die Formen vorzuzeichnen, innerhalb deren die Dar- ſtellung der Alten ſich bewegte, doch ſelbſt im gluͤcklichſten Falle eben nur zur Kenntniß der antiken Kunſt fuͤhren duͤrfte und nie zu allgemeineren Kunſtanſichten. Eben ſo wenig in- deß duͤrfen wir uns verſprechen, indem wir aus einzelnen Schulen und Richtungen der neueren Kunſt, oder aus deren *) Lord Elgins Erwerb, jetzt im britt. Muſeum, und durch die Freygebigkeit des Koͤnigs von Großbrit. in guten Abguͤſſen in den meiſten europaͤiſchen Hauptſtaͤdten. Andere Bruchſtuͤcke athe- nienſiſcher Tempelverzierungen zu Paris, Copenhagen etc. Die Aegi- neten im Muſeo zu Muͤnchen, der Fries von Phigalia im britt. Muſeo. Groͤßere Aufmerkſamkeit auf die griechiſchen Staͤdte- Muͤnzen. — Solche Werke, deren Alterthum durch die Gebaͤude, die ſie verzierten, beurkundet wird, geben uns einen Maaßſtab fuͤr diejenige Kunſtart, welche ſelbſt den ſpaͤteren Alten noch immer fuͤr die beſte, bisweilen fuͤr die einzig rechte galt. Zu Winkel- mann’s Zeit fehlte es noch an einem beurkundeten Kennzeichen des beſten Alterthumes; er war daher beſchraͤnkt auf Vermuthungen und Meinungen.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/23>, abgerufen am 18.04.2024.