Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Als Schöpfer- aber und Naturkraft wirkt zugleich
Nur Kunstsinn, der vollbringt Kunstreiches einsichtreich.
Der blinde Bildungstrieb, des Wissens scharfe Flammen,
Sind beide mangelhaft, vollkommen nur zusammen.

25.
Wo soviel Blumen blühn, wie jetzt auf unsrer Flur,
Bleibt endlich der Gesammteindruck von allen nur.
Zu schmücken ihren Platz mag jede sich bemühn,
Doch keine wird so leicht die andern niederblühn.
Die sich besonders müht, daß sie Besondres bringe,
Wird leicht zur Misgeburt anstatt zum Wunderdinge.
Blaß werde nicht vor Gram, die übersehn sich sieht,
Noch jene roth vor Scham, die alle Welt vorzieht;
Noch gelb vor Neide, die sieht alle vorgezogen;
Verschiednen Blumen ist verschiedner Sinn gewogen.
Die thun alsob Gemüth sie nur bei jenem fänden,
Sie liebten diesen auch, wenn sie den Geist verständen.

Als Schoͤpfer- aber und Naturkraft wirkt zugleich
Nur Kunſtſinn, der vollbringt Kunſtreiches einſichtreich.
Der blinde Bildungstrieb, des Wiſſens ſcharfe Flammen,
Sind beide mangelhaft, vollkommen nur zuſammen.

25.
Wo ſoviel Blumen bluͤhn, wie jetzt auf unſrer Flur,
Bleibt endlich der Geſammteindruck von allen nur.
Zu ſchmuͤcken ihren Platz mag jede ſich bemuͤhn,
Doch keine wird ſo leicht die andern niederbluͤhn.
Die ſich beſonders muͤht, daß ſie Beſondres bringe,
Wird leicht zur Misgeburt anſtatt zum Wunderdinge.
Blaß werde nicht vor Gram, die uͤberſehn ſich ſieht,
Noch jene roth vor Scham, die alle Welt vorzieht;
Noch gelb vor Neide, die ſieht alle vorgezogen;
Verſchiednen Blumen iſt verſchiedner Sinn gewogen.
Die thun alsob Gemuͤth ſie nur bei jenem faͤnden,
Sie liebten dieſen auch, wenn ſie den Geiſt verſtaͤnden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <l>
              <pb facs="#f0255" n="245"/>
            </l>
            <lg n="3">
              <l>Als Scho&#x0364;pfer- aber und Naturkraft wirkt zugleich</l><lb/>
              <l>Nur Kun&#x017F;t&#x017F;inn, der vollbringt Kun&#x017F;treiches ein&#x017F;ichtreich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Der blinde Bildungstrieb, des Wi&#x017F;&#x017F;ens &#x017F;charfe Flammen,</l><lb/>
              <l>Sind beide mangelhaft, vollkommen nur zu&#x017F;ammen.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>25.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l/>
            <lg n="1">
              <l>Wo &#x017F;oviel Blumen blu&#x0364;hn, wie jetzt auf un&#x017F;rer Flur,</l><lb/>
              <l>Bleibt endlich der Ge&#x017F;ammteindruck von allen nur.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Zu &#x017F;chmu&#x0364;cken ihren Platz mag jede &#x017F;ich bemu&#x0364;hn,</l><lb/>
              <l>Doch keine wird &#x017F;o leicht die andern niederblu&#x0364;hn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Die &#x017F;ich be&#x017F;onders mu&#x0364;ht, daß &#x017F;ie Be&#x017F;ondres bringe,</l><lb/>
              <l>Wird leicht zur Misgeburt an&#x017F;tatt zum Wunderdinge.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Blaß werde nicht vor Gram, die u&#x0364;ber&#x017F;ehn &#x017F;ich &#x017F;ieht,</l><lb/>
              <l>Noch jene roth vor Scham, die alle Welt vorzieht;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Noch gelb vor Neide, die &#x017F;ieht alle vorgezogen;</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;chiednen Blumen i&#x017F;t ver&#x017F;chiedner Sinn gewogen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Die thun alsob Gemu&#x0364;th &#x017F;ie nur bei jenem fa&#x0364;nden,</l><lb/>
              <l>Sie liebten die&#x017F;en auch, wenn &#x017F;ie den Gei&#x017F;t ver&#x017F;ta&#x0364;nden.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0255] Als Schoͤpfer- aber und Naturkraft wirkt zugleich Nur Kunſtſinn, der vollbringt Kunſtreiches einſichtreich. Der blinde Bildungstrieb, des Wiſſens ſcharfe Flammen, Sind beide mangelhaft, vollkommen nur zuſammen. 25. Wo ſoviel Blumen bluͤhn, wie jetzt auf unſrer Flur, Bleibt endlich der Geſammteindruck von allen nur. Zu ſchmuͤcken ihren Platz mag jede ſich bemuͤhn, Doch keine wird ſo leicht die andern niederbluͤhn. Die ſich beſonders muͤht, daß ſie Beſondres bringe, Wird leicht zur Misgeburt anſtatt zum Wunderdinge. Blaß werde nicht vor Gram, die uͤberſehn ſich ſieht, Noch jene roth vor Scham, die alle Welt vorzieht; Noch gelb vor Neide, die ſieht alle vorgezogen; Verſchiednen Blumen iſt verſchiedner Sinn gewogen. Die thun alsob Gemuͤth ſie nur bei jenem faͤnden, Sie liebten dieſen auch, wenn ſie den Geiſt verſtaͤnden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/255
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/255>, abgerufen am 29.03.2024.