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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.

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55.
Im Herzen denkst du auch, nicht blos in deinem Haupt;
Von beiden Denken sei dem andern keins geraubt!
Was du im Herzen denkst, ist voll in sich gedrungen,
Was du im Haupte denkst, kraus linienhaft geschlungen.
Nun will das Liniennetz die Füllen in sich fassen,
Und diese wollen sich von ihm entfalten lassen.
Wo so die beiden sich umschlingen und durchdringen,
Da wird gehaltvoll ein Gestaltetes entspringen.

56.
Du kannst dir deinen Leib, dein Schicksal auch, nicht machen,
Doch überwalten kannst du sie und überwachen.
Die Grundlag' hat gelegt Nothwendigkeit, Natur;
Baumeisterin des Bau's ist deine Freiheit nur.
Laß nur das Untere zum Obern niemals werden,
Und sei getrost, es ruht der Himmel auf der Erden.


Rückert, Lehrgedicht VI. 7
55.
Im Herzen denkſt du auch, nicht blos in deinem Haupt;
Von beiden Denken ſei dem andern keins geraubt!
Was du im Herzen denkſt, iſt voll in ſich gedrungen,
Was du im Haupte denkſt, kraus linienhaft geſchlungen.
Nun will das Liniennetz die Fuͤllen in ſich faſſen,
Und dieſe wollen ſich von ihm entfalten laſſen.
Wo ſo die beiden ſich umſchlingen und durchdringen,
Da wird gehaltvoll ein Geſtaltetes entſpringen.

56.
Du kannſt dir deinen Leib, dein Schickſal auch, nicht machen,
Doch uͤberwalten kannſt du ſie und uͤberwachen.
Die Grundlag' hat gelegt Nothwendigkeit, Natur;
Baumeiſterin des Bau's iſt deine Freiheit nur.
Laß nur das Untere zum Obern niemals werden,
Und ſei getroſt, es ruht der Himmel auf der Erden.


Ruͤckert, Lehrgedicht VI. 7
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[145/0155] 55. Im Herzen denkſt du auch, nicht blos in deinem Haupt; Von beiden Denken ſei dem andern keins geraubt! Was du im Herzen denkſt, iſt voll in ſich gedrungen, Was du im Haupte denkſt, kraus linienhaft geſchlungen. Nun will das Liniennetz die Fuͤllen in ſich faſſen, Und dieſe wollen ſich von ihm entfalten laſſen. Wo ſo die beiden ſich umſchlingen und durchdringen, Da wird gehaltvoll ein Geſtaltetes entſpringen. 56. Du kannſt dir deinen Leib, dein Schickſal auch, nicht machen, Doch uͤberwalten kannſt du ſie und uͤberwachen. Die Grundlag' hat gelegt Nothwendigkeit, Natur; Baumeiſterin des Bau's iſt deine Freiheit nur. Laß nur das Untere zum Obern niemals werden, Und ſei getroſt, es ruht der Himmel auf der Erden. Ruͤckert, Lehrgedicht VI. 7

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/155>, abgerufen am 28.03.2024.