Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
92.
Wie, wer aus Finsternis auf einmal tritt ins Licht,
Geblendet ist und sieht vor lauter Sehen nicht;
Und wie hinwiederum wer aus dem vollen Stral
Des Tages plötzlich tritt in völlig dunkeln Saal:
Das Auge starrt, bis es dem Wechsel sich gewöhnt,
Und mit der innern Welt die äußre sich versöhnt;
Bis dort das Auge lernt im Glanze sich zu weiden,
Und hier die Gegenständ' im Dunkel unterscheiden:
So kann ein Menschenherz viel Glück und Unglück fassen,
Doch ists am glücklichsten in seiner Ruh gelassen;
Von Glanz geblendet nicht, noch auch von Nacht umhüllt,
Von sanftgedämpftem Licht Aug' und Gemüth erfüllt.

92.
Wie, wer aus Finſternis auf einmal tritt ins Licht,
Geblendet iſt und ſieht vor lauter Sehen nicht;
Und wie hinwiederum wer aus dem vollen Stral
Des Tages ploͤtzlich tritt in voͤllig dunkeln Saal:
Das Auge ſtarrt, bis es dem Wechſel ſich gewoͤhnt,
Und mit der innern Welt die aͤußre ſich verſoͤhnt;
Bis dort das Auge lernt im Glanze ſich zu weiden,
Und hier die Gegenſtaͤnd' im Dunkel unterſcheiden:
So kann ein Menſchenherz viel Gluͤck und Ungluͤck faſſen,
Doch iſts am gluͤcklichſten in ſeiner Ruh gelaſſen;
Von Glanz geblendet nicht, noch auch von Nacht umhuͤllt,
Von ſanftgedaͤmpftem Licht Aug' und Gemuͤth erfuͤllt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0093" n="83"/>
        <div n="2">
          <head>92.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Wie, wer aus Fin&#x017F;ternis auf einmal tritt ins Licht,</l><lb/>
              <l>Geblendet i&#x017F;t und &#x017F;ieht vor lauter Sehen nicht;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Und wie hinwiederum wer aus dem vollen Stral</l><lb/>
              <l>Des Tages plo&#x0364;tzlich tritt in vo&#x0364;llig dunkeln Saal:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Das Auge &#x017F;tarrt, bis es dem Wech&#x017F;el &#x017F;ich gewo&#x0364;hnt,</l><lb/>
              <l>Und mit der innern Welt die a&#x0364;ußre &#x017F;ich ver&#x017F;o&#x0364;hnt;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Bis dort das Auge lernt im Glanze &#x017F;ich zu weiden,</l><lb/>
              <l>Und hier die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nd' im Dunkel unter&#x017F;cheiden:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>So kann ein Men&#x017F;chenherz viel Glu&#x0364;ck und Unglu&#x0364;ck fa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Doch i&#x017F;ts am glu&#x0364;cklich&#x017F;ten in &#x017F;einer Ruh gela&#x017F;&#x017F;en;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Von Glanz geblendet nicht, noch auch von Nacht umhu&#x0364;llt,</l><lb/>
              <l>Von &#x017F;anftgeda&#x0364;mpftem Licht Aug' und Gemu&#x0364;th erfu&#x0364;llt.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0093] 92. Wie, wer aus Finſternis auf einmal tritt ins Licht, Geblendet iſt und ſieht vor lauter Sehen nicht; Und wie hinwiederum wer aus dem vollen Stral Des Tages ploͤtzlich tritt in voͤllig dunkeln Saal: Das Auge ſtarrt, bis es dem Wechſel ſich gewoͤhnt, Und mit der innern Welt die aͤußre ſich verſoͤhnt; Bis dort das Auge lernt im Glanze ſich zu weiden, Und hier die Gegenſtaͤnd' im Dunkel unterſcheiden: So kann ein Menſchenherz viel Gluͤck und Ungluͤck faſſen, Doch iſts am gluͤcklichſten in ſeiner Ruh gelaſſen; Von Glanz geblendet nicht, noch auch von Nacht umhuͤllt, Von ſanftgedaͤmpftem Licht Aug' und Gemuͤth erfuͤllt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/93
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/93>, abgerufen am 28.03.2024.