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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.

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Wie schon der edelste, den jetzt du hast, verstärkt
Durch Kunst, dein Auge, mehr als von Natur bemerkt.
Und gieng dir nicht villeicht ein sechster Sinn verloren,
Ein siebenter, villeicht auch wird er einst geboren?
Weil mit den fünfen doch, die dir inzwischen dienen,
Du unzufrieden bist und kommst nicht aus mit ihnen,
Weil mit den fünfen du so wenig kanst bezwingen
Das Ding, das du sosehr begehrest zu durchdringen.
Unnütze Träumerei! Gebrauche fein mit Fug
Die fünfe, die du hast, du hast daran genug.
Wo sollt' ein sechster Sinn herkommen oder hin?
Wär' es ein niedrerer, so wär' es kein Gewinn;
Dir könnt' ein höherer nur als dein höchster frommen,
Doch über'm Auge hat den Platz der Geist genommen.
Wenn du es recht bedenkst, laß ihm nur seinen Platz!
In ihm gefunden hast du den vermissten Schatz.


Rückert, Lehrgedicht III. 3
Wie ſchon der edelſte, den jetzt du haſt, verſtaͤrkt
Durch Kunſt, dein Auge, mehr als von Natur bemerkt.
Und gieng dir nicht villeicht ein ſechſter Sinn verloren,
Ein ſiebenter, villeicht auch wird er einſt geboren?
Weil mit den fuͤnfen doch, die dir inzwiſchen dienen,
Du unzufrieden biſt und kommſt nicht aus mit ihnen,
Weil mit den fuͤnfen du ſo wenig kanſt bezwingen
Das Ding, das du ſoſehr begehreſt zu durchdringen.
Unnuͤtze Traͤumerei! Gebrauche fein mit Fug
Die fuͤnfe, die du haſt, du haſt daran genug.
Wo ſollt' ein ſechſter Sinn herkommen oder hin?
Waͤr' es ein niedrerer, ſo waͤr' es kein Gewinn;
Dir koͤnnt' ein hoͤherer nur als dein hoͤchſter frommen,
Doch uͤber'm Auge hat den Platz der Geiſt genommen.
Wenn du es recht bedenkſt, laß ihm nur ſeinen Platz!
In ihm gefunden haſt du den vermiſſten Schatz.


Rückert, Lehrgedicht III. 3
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[49/0059] Wie ſchon der edelſte, den jetzt du haſt, verſtaͤrkt Durch Kunſt, dein Auge, mehr als von Natur bemerkt. Und gieng dir nicht villeicht ein ſechſter Sinn verloren, Ein ſiebenter, villeicht auch wird er einſt geboren? Weil mit den fuͤnfen doch, die dir inzwiſchen dienen, Du unzufrieden biſt und kommſt nicht aus mit ihnen, Weil mit den fuͤnfen du ſo wenig kanſt bezwingen Das Ding, das du ſoſehr begehreſt zu durchdringen. Unnuͤtze Traͤumerei! Gebrauche fein mit Fug Die fuͤnfe, die du haſt, du haſt daran genug. Wo ſollt' ein ſechſter Sinn herkommen oder hin? Waͤr' es ein niedrerer, ſo waͤr' es kein Gewinn; Dir koͤnnt' ein hoͤherer nur als dein hoͤchſter frommen, Doch uͤber'm Auge hat den Platz der Geiſt genommen. Wenn du es recht bedenkſt, laß ihm nur ſeinen Platz! In ihm gefunden haſt du den vermiſſten Schatz. Rückert, Lehrgedicht III. 3

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/59>, abgerufen am 25.04.2024.