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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.

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46.
Ist unsrer Handlungen Beweggrund, wie sie sagen,
Glückseligkeit allein, wie sind wir zu beklagen!
Denn die Glückseligkeit, wo ist sie zu erfragen?
Wo ist sie zu erspähn? wo ist sie zu erjagen?
Diese Glückseligkeit, die jeder will erreichen,
Je näher er ihr kommt, scheint weiter zu entweichen.
Diese Glückseligkeit, die jeder wünscht und sucht,
Ist einem Schatten gleich beständig auf der Flucht.
Bald scheint der Schatten rechts, bald links an uns zu streifen,
Nun vor, nun hinter uns, und nirgend zu ergreifen.
Diese Glückseligkeit, ein Trugbild manigfalt,
Lockt jeden anderen in anderer Gestalt.
Der sieht sie an für dis, und der fürs Gegentheil;
Der nennt Verderben das, was jener nennt sein Heil.
Darum kann nimmermehr dis Wechsellaunenspiel,
Diese Glückseligkeit, seyn unser Zweck und Ziel.
46.
Iſt unſrer Handlungen Beweggrund, wie ſie ſagen,
Gluͤckſeligkeit allein, wie ſind wir zu beklagen!
Denn die Gluͤckſeligkeit, wo iſt ſie zu erfragen?
Wo iſt ſie zu erſpaͤhn? wo iſt ſie zu erjagen?
Dieſe Gluͤckſeligkeit, die jeder will erreichen,
Je naͤher er ihr kommt, ſcheint weiter zu entweichen.
Dieſe Gluͤckſeligkeit, die jeder wuͤnſcht und ſucht,
Iſt einem Schatten gleich beſtaͤndig auf der Flucht.
Bald ſcheint der Schatten rechts, bald links an uns zu ſtreifen,
Nun vor, nun hinter uns, und nirgend zu ergreifen.
Dieſe Gluͤckſeligkeit, ein Trugbild manigfalt,
Lockt jeden anderen in anderer Geſtalt.
Der ſieht ſie an fuͤr dis, und der fuͤrs Gegentheil;
Der nennt Verderben das, was jener nennt ſein Heil.
Darum kann nimmermehr dis Wechſellaunenſpiel,
Dieſe Gluͤckſeligkeit, ſeyn unſer Zweck und Ziel.
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[143/0153] 46. Iſt unſrer Handlungen Beweggrund, wie ſie ſagen, Gluͤckſeligkeit allein, wie ſind wir zu beklagen! Denn die Gluͤckſeligkeit, wo iſt ſie zu erfragen? Wo iſt ſie zu erſpaͤhn? wo iſt ſie zu erjagen? Dieſe Gluͤckſeligkeit, die jeder will erreichen, Je naͤher er ihr kommt, ſcheint weiter zu entweichen. Dieſe Gluͤckſeligkeit, die jeder wuͤnſcht und ſucht, Iſt einem Schatten gleich beſtaͤndig auf der Flucht. Bald ſcheint der Schatten rechts, bald links an uns zu ſtreifen, Nun vor, nun hinter uns, und nirgend zu ergreifen. Dieſe Gluͤckſeligkeit, ein Trugbild manigfalt, Lockt jeden anderen in anderer Geſtalt. Der ſieht ſie an fuͤr dis, und der fuͤrs Gegentheil; Der nennt Verderben das, was jener nennt ſein Heil. Darum kann nimmermehr dis Wechſellaunenſpiel, Dieſe Gluͤckſeligkeit, ſeyn unſer Zweck und Ziel.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/153>, abgerufen am 18.04.2024.