Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
13.
Der Erde kann der Mensch, an der er hangt, entbehren
Noch eher als des Zugs zum Himmel sich erwehren.
Die Pflanze selber könnt' ehr in den Lüften schweben
Mit ihren Wurzeln, als den Trieb nach Licht aufgeben.
Um aber zu gedeihn, muß sie im Boden stehn,
Und nach der Sonne Schein sich mit dem Wipfel drehn.

14.
Von Zeit und Raum ist viel zu hören und zu lesen,
Als seien beide gleich, und stets zugleich gewesen.
Doch eher ist die Zeit gewesen als der Raum,
Wie Wachsthum eher war als der gewachsne Baum.
Entstanden war die Zeit sobald als Geister dachten,
Der Raum erst als sich breit darinnen Körper machten.
Und mit den Körpern wird der Raum zusammenfallen,
Doch mit den Geistern erst die Zeit in Gott entwallen.

13.
Der Erde kann der Menſch, an der er hangt, entbehren
Noch eher als des Zugs zum Himmel ſich erwehren.
Die Pflanze ſelber koͤnnt' ehr in den Luͤften ſchweben
Mit ihren Wurzeln, als den Trieb nach Licht aufgeben.
Um aber zu gedeihn, muß ſie im Boden ſtehn,
Und nach der Sonne Schein ſich mit dem Wipfel drehn.

14.
Von Zeit und Raum iſt viel zu hoͤren und zu leſen,
Als ſeien beide gleich, und ſtets zugleich geweſen.
Doch eher iſt die Zeit geweſen als der Raum,
Wie Wachsthum eher war als der gewachſne Baum.
Entſtanden war die Zeit ſobald als Geiſter dachten,
Der Raum erſt als ſich breit darinnen Koͤrper machten.
Und mit den Koͤrpern wird der Raum zuſammenfallen,
Doch mit den Geiſtern erſt die Zeit in Gott entwallen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0124" n="114"/>
        <div n="2">
          <head>13.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Erde kann der Men&#x017F;ch, an der er hangt, entbehren</l><lb/>
              <l>Noch eher als des Zugs zum Himmel &#x017F;ich erwehren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die Pflanze &#x017F;elber ko&#x0364;nnt' ehr in den Lu&#x0364;ften &#x017F;chweben</l><lb/>
              <l>Mit ihren Wurzeln, als den Trieb nach Licht aufgeben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Um aber zu gedeihn, muß &#x017F;ie im Boden &#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Und nach der Sonne Schein &#x017F;ich mit dem Wipfel drehn.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>14.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Von Zeit und Raum i&#x017F;t viel zu ho&#x0364;ren und zu le&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Als &#x017F;eien beide gleich, und &#x017F;tets zugleich gewe&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Doch eher i&#x017F;t die Zeit gewe&#x017F;en als der Raum,</l><lb/>
              <l>Wie Wachsthum eher war als der gewach&#x017F;ne Baum.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ent&#x017F;tanden war die Zeit &#x017F;obald als Gei&#x017F;ter dachten,</l><lb/>
              <l>Der Raum er&#x017F;t als &#x017F;ich breit darinnen Ko&#x0364;rper machten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Und mit den Ko&#x0364;rpern wird der Raum zu&#x017F;ammenfallen,</l><lb/>
              <l>Doch mit den Gei&#x017F;tern er&#x017F;t die Zeit in Gott entwallen.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0124] 13. Der Erde kann der Menſch, an der er hangt, entbehren Noch eher als des Zugs zum Himmel ſich erwehren. Die Pflanze ſelber koͤnnt' ehr in den Luͤften ſchweben Mit ihren Wurzeln, als den Trieb nach Licht aufgeben. Um aber zu gedeihn, muß ſie im Boden ſtehn, Und nach der Sonne Schein ſich mit dem Wipfel drehn. 14. Von Zeit und Raum iſt viel zu hoͤren und zu leſen, Als ſeien beide gleich, und ſtets zugleich geweſen. Doch eher iſt die Zeit geweſen als der Raum, Wie Wachsthum eher war als der gewachſne Baum. Entſtanden war die Zeit ſobald als Geiſter dachten, Der Raum erſt als ſich breit darinnen Koͤrper machten. Und mit den Koͤrpern wird der Raum zuſammenfallen, Doch mit den Geiſtern erſt die Zeit in Gott entwallen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/124
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/124>, abgerufen am 20.04.2024.