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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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Das Eins ist zweierlei, das Eine und das Zweite,
Die Zwei sind Eines mit sich selbst im Widerstreite.
Das eine Eins ist hier, das andre Eins ist dort,
Die tauschen unter sich den Namen und den Ort.
Blick' in den Spiegel und verdoppelt siehst du dich;
Blick weg, und auf in Eins löst sich das Doppel-Ich.
Im Spiegel ist dein Bild, du selber aber bist
Nur dessen Spiegelbild, der Aller Urbild ist.
Wenn in den Spiegel er mit Liebesblicken schaut,
Entsteht ein Weltbild, das, blickt er hinweg, zerthaut.
Drum preist die Liebe, die ihm stets den Spiegel hält,
Daß ihm, dem Einen, sich als zwei zu schaun gefällt!
Das Eins ist zweierlei, hier Einheit unentzweit,
Dort in der Zweiheit hergestellte Einigkeit.
Eins ist der Punkt, der Kreis das andre, und das dritte
Ist zwischen Kreis und Punkt die vieltheilbare Mitte.
Was ist der Kreis? Ein Punkt, der um sich selber kreist,
Und seinen Umfang wölbt, wie seinen Leib der Geist.
Das Eins iſt zweierlei, das Eine und das Zweite,
Die Zwei ſind Eines mit ſich ſelbſt im Widerſtreite.
Das eine Eins iſt hier, das andre Eins iſt dort,
Die tauſchen unter ſich den Namen und den Ort.
Blick' in den Spiegel und verdoppelt ſiehſt du dich;
Blick weg, und auf in Eins loͤſt ſich das Doppel-Ich.
Im Spiegel iſt dein Bild, du ſelber aber biſt
Nur deſſen Spiegelbild, der Aller Urbild iſt.
Wenn in den Spiegel er mit Liebesblicken ſchaut,
Entſteht ein Weltbild, das, blickt er hinweg, zerthaut.
Drum preiſt die Liebe, die ihm ſtets den Spiegel haͤlt,
Daß ihm, dem Einen, ſich als zwei zu ſchaun gefaͤllt!
Das Eins iſt zweierlei, hier Einheit unentzweit,
Dort in der Zweiheit hergeſtellte Einigkeit.
Eins iſt der Punkt, der Kreis das andre, und das dritte
Iſt zwiſchen Kreis und Punkt die vieltheilbare Mitte.
Was iſt der Kreis? Ein Punkt, der um ſich ſelber kreiſt,
Und ſeinen Umfang woͤlbt, wie ſeinen Leib der Geiſt.
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[18/0028] Das Eins iſt zweierlei, das Eine und das Zweite, Die Zwei ſind Eines mit ſich ſelbſt im Widerſtreite. Das eine Eins iſt hier, das andre Eins iſt dort, Die tauſchen unter ſich den Namen und den Ort. Blick' in den Spiegel und verdoppelt ſiehſt du dich; Blick weg, und auf in Eins loͤſt ſich das Doppel-Ich. Im Spiegel iſt dein Bild, du ſelber aber biſt Nur deſſen Spiegelbild, der Aller Urbild iſt. Wenn in den Spiegel er mit Liebesblicken ſchaut, Entſteht ein Weltbild, das, blickt er hinweg, zerthaut. Drum preiſt die Liebe, die ihm ſtets den Spiegel haͤlt, Daß ihm, dem Einen, ſich als zwei zu ſchaun gefaͤllt! Das Eins iſt zweierlei, hier Einheit unentzweit, Dort in der Zweiheit hergeſtellte Einigkeit. Eins iſt der Punkt, der Kreis das andre, und das dritte Iſt zwiſchen Kreis und Punkt die vieltheilbare Mitte. Was iſt der Kreis? Ein Punkt, der um ſich ſelber kreiſt, Und ſeinen Umfang woͤlbt, wie ſeinen Leib der Geiſt.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/28>, abgerufen am 18.04.2024.