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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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A. Leistungen derselben.
aber wirkt der Reiz auch zur stärkeren Vergrösserung nach der
Fläche, sodass unter passiver Betheiligung der Lederhaut Fal-
tenbildung entstünde wie im Darmtractus. In letzterem sind
die Falten aber auch nicht durch Vermehrung des Flächenepi-
thels, sondern durch Vermehrung der Drüsen bedingt, und wohl
nur passiv nachfolgend findet die entsprechende Flächenver-
grösserung des Oberflächenepithels und der Schleimhaut statt.

Auch für dieses Beispiel des Epithels lässt sich ein zu
berücksichtigender Einwand machen, nämlich der, dass der
Widerstand der dicken Lederhaut gegen Faltung durch stärkeres
Wachsthum des aufliegenden Epithels ein wohl zu grosser ist.
Die Berechtigung dieser Einwände kann nur durch eingehende
Specialuntersuchungen für jedes Organ festgestellt werden.

Lockeres Bindegewebe wird bei Dehnung allmählich
länger, hypertrophirt in der Einen Dimension der Länge. Das-
selbe findet bekanntlich auch am straffen Bindegewebe bei lang-
anhaltendem übermässigen Zuge statt, während, wie erwähnt,
normaliter, d. h. bei blos spannendem, in angemessenen Inter-
missionen erfolgendem Zug dasselbe blos in dem Querschnitt
sich verstärkt.

Die Zapfen der Netzhaut sind in der Fovea centralis
des Auges, der Stelle des deutlichsten und am meisten ge-
brauchten Sehens, am höchsten in der Richtung des einfallen-
den Lichtes und dabei zugleich schmaler als an den seitlichen
Partien des Auges. Es ist vielleicht anzunehmen, dass die
stärkere Function dieser Theile durch die grössere Länge ge-
leistet wird und dass die geringere Dicke nur eine Folge der
stärkeren Tendenz zur Vermehrung der Zellen durch den stär-
keren functionellen Reiz ist. Es würde nicht gegen diese Auf-
fassung sprechen, wenn die bezügliche Verschiedenheit auch
schon angeboren würde, da sie wohl vererbt werden könnte,
auch wenn sie ursprünglich durch Gebrauch entstanden wäre.

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A. Leistungen derselben.
aber wirkt der Reiz auch zur stärkeren Vergrösserung nach der
Fläche, sodass unter passiver Betheiligung der Lederhaut Fal-
tenbildung entstünde wie im Darmtractus. In letzterem sind
die Falten aber auch nicht durch Vermehrung des Flächenepi-
thels, sondern durch Vermehrung der Drüsen bedingt, und wohl
nur passiv nachfolgend findet die entsprechende Flächenver-
grösserung des Oberflächenepithels und der Schleimhaut statt.

Auch für dieses Beispiel des Epithels lässt sich ein zu
berücksichtigender Einwand machen, nämlich der, dass der
Widerstand der dicken Lederhaut gegen Faltung durch stärkeres
Wachsthum des aufliegenden Epithels ein wohl zu grosser ist.
Die Berechtigung dieser Einwände kann nur durch eingehende
Specialuntersuchungen für jedes Organ festgestellt werden.

Lockeres Bindegewebe wird bei Dehnung allmählich
länger, hypertrophirt in der Einen Dimension der Länge. Das-
selbe findet bekanntlich auch am straffen Bindegewebe bei lang-
anhaltendem übermässigen Zuge statt, während, wie erwähnt,
normaliter, d. h. bei blos spannendem, in angemessenen Inter-
missionen erfolgendem Zug dasselbe blos in dem Querschnitt
sich verstärkt.

Die Zapfen der Netzhaut sind in der Fovea centralis
des Auges, der Stelle des deutlichsten und am meisten ge-
brauchten Sehens, am höchsten in der Richtung des einfallen-
den Lichtes und dabei zugleich schmaler als an den seitlichen
Partien des Auges. Es ist vielleicht anzunehmen, dass die
stärkere Function dieser Theile durch die grössere Länge ge-
leistet wird und dass die geringere Dicke nur eine Folge der
stärkeren Tendenz zur Vermehrung der Zellen durch den stär-
keren functionellen Reiz ist. Es würde nicht gegen diese Auf-
fassung sprechen, wenn die bezügliche Verschiedenheit auch
schon angeboren würde, da sie wohl vererbt werden könnte,
auch wenn sie ursprünglich durch Gebrauch entstanden wäre.

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[19/0033] A. Leistungen derselben. aber wirkt der Reiz auch zur stärkeren Vergrösserung nach der Fläche, sodass unter passiver Betheiligung der Lederhaut Fal- tenbildung entstünde wie im Darmtractus. In letzterem sind die Falten aber auch nicht durch Vermehrung des Flächenepi- thels, sondern durch Vermehrung der Drüsen bedingt, und wohl nur passiv nachfolgend findet die entsprechende Flächenver- grösserung des Oberflächenepithels und der Schleimhaut statt. Auch für dieses Beispiel des Epithels lässt sich ein zu berücksichtigender Einwand machen, nämlich der, dass der Widerstand der dicken Lederhaut gegen Faltung durch stärkeres Wachsthum des aufliegenden Epithels ein wohl zu grosser ist. Die Berechtigung dieser Einwände kann nur durch eingehende Specialuntersuchungen für jedes Organ festgestellt werden. Lockeres Bindegewebe wird bei Dehnung allmählich länger, hypertrophirt in der Einen Dimension der Länge. Das- selbe findet bekanntlich auch am straffen Bindegewebe bei lang- anhaltendem übermässigen Zuge statt, während, wie erwähnt, normaliter, d. h. bei blos spannendem, in angemessenen Inter- missionen erfolgendem Zug dasselbe blos in dem Querschnitt sich verstärkt. Die Zapfen der Netzhaut sind in der Fovea centralis des Auges, der Stelle des deutlichsten und am meisten ge- brauchten Sehens, am höchsten in der Richtung des einfallen- den Lichtes und dabei zugleich schmaler als an den seitlichen Partien des Auges. Es ist vielleicht anzunehmen, dass die stärkere Function dieser Theile durch die grössere Länge ge- leistet wird und dass die geringere Dicke nur eine Folge der stärkeren Tendenz zur Vermehrung der Zellen durch den stär- keren functionellen Reiz ist. Es würde nicht gegen diese Auf- fassung sprechen, wenn die bezügliche Verschiedenheit auch schon angeboren würde, da sie wohl vererbt werden könnte, auch wenn sie ursprünglich durch Gebrauch entstanden wäre. 2*

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/33>, abgerufen am 29.03.2024.