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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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A. Leistungen derselben.
blos unsere Fähigkeit, die von ihnen zugeleiteten Reize genauer
wahrzunehmen, sich verbessert hat, ob also die Uebung die
Endorgane selber afficirt, oder blos eine centrale, im Gehirn
sich vollziehende ist. Die einzige bezügliche anatomische Beob-
achtung rührt von Gudden her. Er fand 1), dass bei Neu
geborenen die bulbi olfactorii (die Riechzwiebeln) sich über das
gewöhnliche Maass vergrösserten, wenn den betreffenden Thie-
ren beide Augen exstirpirt und die Ohren verschlossen wurden.
Diese Thatsache deutet aber für sich blos auf eine Veränderung
der Centralorgane; wodurch natürlich die Möglichkeit einer Ver-
änderung der Endorgane nicht ausgeschlossen ist.

Für die Anpassung innerhalb der nervösen Centralorgane
an bestimmte Gebrauchsweise will ich hier ein treffendes Bei-
spiel von Helmholtz anführen. Er sagt 2): "Nimmt man Pris-
men von 16--18° brechendem Winkel so vor beide Augen, dass
beide Prismen die äusseren Gegenstände z. B. nach rechts ver-
schieben, und betrachtet irgend ein Object genau auf seine Lage,
schliesst dann die Augen und greift nach demselben, so greift
man natürlich rechts an ihm vorbei. Manipulirt man aber auch
nur wenige Minuten mit diesen Brillen, so wird man bei Wie-
derholung ganz sicher nach dem Objecte greifen. Es hat sich
also in dieser kurzen Zeit die ganze Innervationscombination
der Extremitäten geändert und den neuen Erfahrungen ange-
passt. Nimmt man jetzt die Brillen fort, so greift man links
an den Objecten vorbei, weil die neue Innervationsart auf die
alten Verhältnisse nicht mehr passt."

Exner bemerkt dazu sehr treffend 3): "Es ist auch noth-
wendig, dass unsere Innervationscombinationen in hohem Grade

1) Archiv für Psychiatrie. Bd. II. p. 693.
2) Helmholtz, Physiologische Optik. p. 601.
3) Exner, Physiologie der Grosshirnrinde, in: Hermann, Handbuch
der Physiologie. Bd. II. Abth. 2. p. 249.

A. Leistungen derselben.
blos unsere Fähigkeit, die von ihnen zugeleiteten Reize genauer
wahrzunehmen, sich verbessert hat, ob also die Uebung die
Endorgane selber afficirt, oder blos eine centrale, im Gehirn
sich vollziehende ist. Die einzige bezügliche anatomische Beob-
achtung rührt von Gudden her. Er fand 1), dass bei Neu
geborenen die bulbi olfactorii (die Riechzwiebeln) sich über das
gewöhnliche Maass vergrösserten, wenn den betreffenden Thie-
ren beide Augen exstirpirt und die Ohren verschlossen wurden.
Diese Thatsache deutet aber für sich blos auf eine Veränderung
der Centralorgane; wodurch natürlich die Möglichkeit einer Ver-
änderung der Endorgane nicht ausgeschlossen ist.

Für die Anpassung innerhalb der nervösen Centralorgane
an bestimmte Gebrauchsweise will ich hier ein treffendes Bei-
spiel von Helmholtz anführen. Er sagt 2): »Nimmt man Pris-
men von 16—18° brechendem Winkel so vor beide Augen, dass
beide Prismen die äusseren Gegenstände z. B. nach rechts ver-
schieben, und betrachtet irgend ein Object genau auf seine Lage,
schliesst dann die Augen und greift nach demselben, so greift
man natürlich rechts an ihm vorbei. Manipulirt man aber auch
nur wenige Minuten mit diesen Brillen, so wird man bei Wie-
derholung ganz sicher nach dem Objecte greifen. Es hat sich
also in dieser kurzen Zeit die ganze Innervationscombination
der Extremitäten geändert und den neuen Erfahrungen ange-
passt. Nimmt man jetzt die Brillen fort, so greift man links
an den Objecten vorbei, weil die neue Innervationsart auf die
alten Verhältnisse nicht mehr passt.«

Exner bemerkt dazu sehr treffend 3): »Es ist auch noth-
wendig, dass unsere Innervationscombinationen in hohem Grade

1) Archiv für Psychiatrie. Bd. II. p. 693.
2) Helmholtz, Physiologische Optik. p. 601.
3) Exner, Physiologie der Grosshirnrinde, in: Hermann, Handbuch
der Physiologie. Bd. II. Abth. 2. p. 249.
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[13/0027] A. Leistungen derselben. blos unsere Fähigkeit, die von ihnen zugeleiteten Reize genauer wahrzunehmen, sich verbessert hat, ob also die Uebung die Endorgane selber afficirt, oder blos eine centrale, im Gehirn sich vollziehende ist. Die einzige bezügliche anatomische Beob- achtung rührt von Gudden her. Er fand 1), dass bei Neu geborenen die bulbi olfactorii (die Riechzwiebeln) sich über das gewöhnliche Maass vergrösserten, wenn den betreffenden Thie- ren beide Augen exstirpirt und die Ohren verschlossen wurden. Diese Thatsache deutet aber für sich blos auf eine Veränderung der Centralorgane; wodurch natürlich die Möglichkeit einer Ver- änderung der Endorgane nicht ausgeschlossen ist. Für die Anpassung innerhalb der nervösen Centralorgane an bestimmte Gebrauchsweise will ich hier ein treffendes Bei- spiel von Helmholtz anführen. Er sagt 2): »Nimmt man Pris- men von 16—18° brechendem Winkel so vor beide Augen, dass beide Prismen die äusseren Gegenstände z. B. nach rechts ver- schieben, und betrachtet irgend ein Object genau auf seine Lage, schliesst dann die Augen und greift nach demselben, so greift man natürlich rechts an ihm vorbei. Manipulirt man aber auch nur wenige Minuten mit diesen Brillen, so wird man bei Wie- derholung ganz sicher nach dem Objecte greifen. Es hat sich also in dieser kurzen Zeit die ganze Innervationscombination der Extremitäten geändert und den neuen Erfahrungen ange- passt. Nimmt man jetzt die Brillen fort, so greift man links an den Objecten vorbei, weil die neue Innervationsart auf die alten Verhältnisse nicht mehr passt.« Exner bemerkt dazu sehr treffend 3): »Es ist auch noth- wendig, dass unsere Innervationscombinationen in hohem Grade 1) Archiv für Psychiatrie. Bd. II. p. 693. 2) Helmholtz, Physiologische Optik. p. 601. 3) Exner, Physiologie der Grosshirnrinde, in: Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. II. Abth. 2. p. 249.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/27>, abgerufen am 16.04.2024.