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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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A. Leistungen derselben.
mit verbundenen Knochen. Dasselbe gilt für verschiedene Drü-
sen. Vermehrte functionelle Thätigkeit stärkt die Sinnesorgane,
vermehrter und intermittirender Gebrauch verdickt die Epider-
mis und eine Aenderung in der Natur der Nahrung modificirt
zuweilen die Haut des Magens und vermehrt oder vermindert
die Länge der Därme. Andererseits schwächt und verringert
fortgesetzter Nichtgebrauch alle Theile der Organisation. Thiere,
welche während vieler Generationen nur wenig Bewegung ge-
habt haben, haben in der Grösse reducirte Lungen, und in Folge
hiervon wird der knöcherne Brustkorb und die ganze Form des
Körpers modificirt. Bei unsern seit Alters her domesticirten
Vögeln sind die Flügel wenig gebraucht und daher bedeutend
reducirt worden. Mit ihrer Abnahme ist der Brustbeinkamm,
sind die Schulterblätter, Coracoide und Schlüsselbeine sämmt-
lich reducirt worden." Er schränkt indessen für den Nicht-
gebrauch die Wirkung sehr ein, indem er sagt 1): "Bei dome-
sticirten Thieren ist die Reduction in Folge Nichtgebrauches
niemals so weit geführt worden, dass nur ein blosses Rudiment
übrig bleibt, aber wir haben guten Grund zur Annahme, dass
dies im Naturzustande oft eingetreten ist. Die Ursache dieser
Verschiedenheit liegt wahrscheinlich darin, dass bei domesti-
cirten Thieren nicht blos keine hinreichende Zeit für eine so
tiefe Veränderung geboten ist, sondern dass auch, weil sie
keinem heftigen Kampf um's Dasein ausgesetzt wurden, das
Princip der Oekonomie der Organisation nicht in Thätigkeit trat."

Weiterhin bemerkt er noch 2): "Körperliche und geistige
Eigenthümlichkeiten werden unter der Domestication verändert
und die Veränderungen werden oft vererbt." "Solche ver-
änderte Gewohnheiten können an jedem organischen Wesen,
besonders wenn es ein freies Leben führt, oft zum vermehrten

1) l. c. II. pag. 404.
2) l. c. II. pag. 104.

A. Leistungen derselben.
mit verbundenen Knochen. Dasselbe gilt für verschiedene Drü-
sen. Vermehrte functionelle Thätigkeit stärkt die Sinnesorgane,
vermehrter und intermittirender Gebrauch verdickt die Epider-
mis und eine Aenderung in der Natur der Nahrung modificirt
zuweilen die Haut des Magens und vermehrt oder vermindert
die Länge der Därme. Andererseits schwächt und verringert
fortgesetzter Nichtgebrauch alle Theile der Organisation. Thiere,
welche während vieler Generationen nur wenig Bewegung ge-
habt haben, haben in der Grösse reducirte Lungen, und in Folge
hiervon wird der knöcherne Brustkorb und die ganze Form des
Körpers modificirt. Bei unsern seit Alters her domesticirten
Vögeln sind die Flügel wenig gebraucht und daher bedeutend
reducirt worden. Mit ihrer Abnahme ist der Brustbeinkamm,
sind die Schulterblätter, Coracoide und Schlüsselbeine sämmt-
lich reducirt worden.« Er schränkt indessen für den Nicht-
gebrauch die Wirkung sehr ein, indem er sagt 1): »Bei dome-
sticirten Thieren ist die Reduction in Folge Nichtgebrauches
niemals so weit geführt worden, dass nur ein blosses Rudiment
übrig bleibt, aber wir haben guten Grund zur Annahme, dass
dies im Naturzustande oft eingetreten ist. Die Ursache dieser
Verschiedenheit liegt wahrscheinlich darin, dass bei domesti-
cirten Thieren nicht blos keine hinreichende Zeit für eine so
tiefe Veränderung geboten ist, sondern dass auch, weil sie
keinem heftigen Kampf um’s Dasein ausgesetzt wurden, das
Princip der Oekonomie der Organisation nicht in Thätigkeit trat.«

Weiterhin bemerkt er noch 2): »Körperliche und geistige
Eigenthümlichkeiten werden unter der Domestication verändert
und die Veränderungen werden oft vererbt.« »Solche ver-
änderte Gewohnheiten können an jedem organischen Wesen,
besonders wenn es ein freies Leben führt, oft zum vermehrten

1) l. c. II. pag. 404.
2) l. c. II. pag. 104.
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[11/0025] A. Leistungen derselben. mit verbundenen Knochen. Dasselbe gilt für verschiedene Drü- sen. Vermehrte functionelle Thätigkeit stärkt die Sinnesorgane, vermehrter und intermittirender Gebrauch verdickt die Epider- mis und eine Aenderung in der Natur der Nahrung modificirt zuweilen die Haut des Magens und vermehrt oder vermindert die Länge der Därme. Andererseits schwächt und verringert fortgesetzter Nichtgebrauch alle Theile der Organisation. Thiere, welche während vieler Generationen nur wenig Bewegung ge- habt haben, haben in der Grösse reducirte Lungen, und in Folge hiervon wird der knöcherne Brustkorb und die ganze Form des Körpers modificirt. Bei unsern seit Alters her domesticirten Vögeln sind die Flügel wenig gebraucht und daher bedeutend reducirt worden. Mit ihrer Abnahme ist der Brustbeinkamm, sind die Schulterblätter, Coracoide und Schlüsselbeine sämmt- lich reducirt worden.« Er schränkt indessen für den Nicht- gebrauch die Wirkung sehr ein, indem er sagt 1): »Bei dome- sticirten Thieren ist die Reduction in Folge Nichtgebrauches niemals so weit geführt worden, dass nur ein blosses Rudiment übrig bleibt, aber wir haben guten Grund zur Annahme, dass dies im Naturzustande oft eingetreten ist. Die Ursache dieser Verschiedenheit liegt wahrscheinlich darin, dass bei domesti- cirten Thieren nicht blos keine hinreichende Zeit für eine so tiefe Veränderung geboten ist, sondern dass auch, weil sie keinem heftigen Kampf um’s Dasein ausgesetzt wurden, das Princip der Oekonomie der Organisation nicht in Thätigkeit trat.« Weiterhin bemerkt er noch 2): »Körperliche und geistige Eigenthümlichkeiten werden unter der Domestication verändert und die Veränderungen werden oft vererbt.« »Solche ver- änderte Gewohnheiten können an jedem organischen Wesen, besonders wenn es ein freies Leben führt, oft zum vermehrten 1) l. c. II. pag. 404. 2) l. c. II. pag. 104.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/25>, abgerufen am 24.04.2024.