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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ten wir uns an das vom Regen schlüpfrige Ufer bis zum Hause und pochten. Eine Weibergestalt, die wir nur aus den Umrissen erkannten, öffnete eine Spalte des Fensters und fragte im Tone höchsten Erstaunens, wer noch so spät klopfe. Sie hatte wendisch gesprochen, und so bediente ich mich derselben Sprache, so gut es ging, um ihr in ein paar Worten unsere Lage auseinander zu setzen. Sie wandte sich um und befahl zu öffnen. Wir wurden eingelassen.

Ein rauchgeschwärzter Raum, welcher Küche und Zimmer zugleich vorstellte, empfing uns. Auf dem Herde brannte ein helles Feuer, dessen Wärme uns bis auf die Haut Durchnäßten sehr zu Statten kam. Die Bewohner schienen über unsern Besuch nicht wenig verwundert, lachten aber laut auf, als ich erzählte, ich hätte die Wege allein finden zu können geglaubt. Ich bat, man möchte uns zu Nacht ein Unterkommen gönnen. Die Alte schien keine Lust zu haben, darauf einzugehen, und es blieb unentschieden, was in dieser Nacht aus uns werden sollte. Indessen zogen wir zwei Stühle an den Herd, um unsere Kleider, die wir, bis auf den Rock, freilich auf dem Leibe behalten mußten, zu trocknen. Die Frau ließ sich endlich bereit finden, uns eine Brodsuppe zu kochen, das Einzige, was sie uns noch bieten zu können behauptete. Sie unterhielt sich dabei mit dem anwesenden Manne in einer Sprache, die ich nicht verstand. Wendisch war es nicht, wiewohl ich das slavische Idiom heraus erkannte.

ten wir uns an das vom Regen schlüpfrige Ufer bis zum Hause und pochten. Eine Weibergestalt, die wir nur aus den Umrissen erkannten, öffnete eine Spalte des Fensters und fragte im Tone höchsten Erstaunens, wer noch so spät klopfe. Sie hatte wendisch gesprochen, und so bediente ich mich derselben Sprache, so gut es ging, um ihr in ein paar Worten unsere Lage auseinander zu setzen. Sie wandte sich um und befahl zu öffnen. Wir wurden eingelassen.

Ein rauchgeschwärzter Raum, welcher Küche und Zimmer zugleich vorstellte, empfing uns. Auf dem Herde brannte ein helles Feuer, dessen Wärme uns bis auf die Haut Durchnäßten sehr zu Statten kam. Die Bewohner schienen über unsern Besuch nicht wenig verwundert, lachten aber laut auf, als ich erzählte, ich hätte die Wege allein finden zu können geglaubt. Ich bat, man möchte uns zu Nacht ein Unterkommen gönnen. Die Alte schien keine Lust zu haben, darauf einzugehen, und es blieb unentschieden, was in dieser Nacht aus uns werden sollte. Indessen zogen wir zwei Stühle an den Herd, um unsere Kleider, die wir, bis auf den Rock, freilich auf dem Leibe behalten mußten, zu trocknen. Die Frau ließ sich endlich bereit finden, uns eine Brodsuppe zu kochen, das Einzige, was sie uns noch bieten zu können behauptete. Sie unterhielt sich dabei mit dem anwesenden Manne in einer Sprache, die ich nicht verstand. Wendisch war es nicht, wiewohl ich das slavische Idiom heraus erkannte.

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[0026] ten wir uns an das vom Regen schlüpfrige Ufer bis zum Hause und pochten. Eine Weibergestalt, die wir nur aus den Umrissen erkannten, öffnete eine Spalte des Fensters und fragte im Tone höchsten Erstaunens, wer noch so spät klopfe. Sie hatte wendisch gesprochen, und so bediente ich mich derselben Sprache, so gut es ging, um ihr in ein paar Worten unsere Lage auseinander zu setzen. Sie wandte sich um und befahl zu öffnen. Wir wurden eingelassen. Ein rauchgeschwärzter Raum, welcher Küche und Zimmer zugleich vorstellte, empfing uns. Auf dem Herde brannte ein helles Feuer, dessen Wärme uns bis auf die Haut Durchnäßten sehr zu Statten kam. Die Bewohner schienen über unsern Besuch nicht wenig verwundert, lachten aber laut auf, als ich erzählte, ich hätte die Wege allein finden zu können geglaubt. Ich bat, man möchte uns zu Nacht ein Unterkommen gönnen. Die Alte schien keine Lust zu haben, darauf einzugehen, und es blieb unentschieden, was in dieser Nacht aus uns werden sollte. Indessen zogen wir zwei Stühle an den Herd, um unsere Kleider, die wir, bis auf den Rock, freilich auf dem Leibe behalten mußten, zu trocknen. Die Frau ließ sich endlich bereit finden, uns eine Brodsuppe zu kochen, das Einzige, was sie uns noch bieten zu können behauptete. Sie unterhielt sich dabei mit dem anwesenden Manne in einer Sprache, die ich nicht verstand. Wendisch war es nicht, wiewohl ich das slavische Idiom heraus erkannte.

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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/26>, abgerufen am 28.03.2024.