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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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In der hellen Wasserfläche plätscherte ein Duzend nackter Kindergestalten umher. Ihre Arme und Nacken glänzten im Mondschein, und die Sprühwellen, mit denen sie sich jubelnd bespritzten, schimmerten wie ein Diamantenregen. Und in der Mitte dieses ausgelassenen Chors saß im Kahn eine Mädchengestalt. Das volle Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie hatte nur das rothe Kopftuch abgeworfen, und das blonde Haar hing ihr ausgelöst um die Schultern. Eifrig flocht sie an einem Kranze von weißen Seerosen, die die Kinder ihr vom Ufer brachten. Bald näherte sich ihr ein muthwilliger Knabe, aber anstatt ihr die Blume zu reichen, warf er ihr den schweren, nassen Kelch ins Gesicht. Strafend suchte sie ihn mit dem langen Blüthenstengel zu treffen. Aber der lustige Kobold überschlug sich ausweichend im Wasser und riß Andere mit sich herum, daß es bei jauchzendem Schreien eine Weile dauerte, ehe sich Glieder und Gestalten aus dem funkelnden Schaum entwirrten. Dann wieder kam ein Nixlein zum Vorschein -- man sah das goldene Haar lang hinter ihr her schwimmen -- das führte ein noch kleineres, kaum dreijähriges. Es prustete und geberdete sich ein wenig ängstlich, bald aber lachte es in den schützenden Armen seines Schwesterchens, das neben ihm kauerte, und klatschte mit den kleinen Händen auf das flimmernde Wasser. Es war ein Lachen, Springen und Tanzen, eine Bewegung in dem feuchten Ele-

In der hellen Wasserfläche plätscherte ein Duzend nackter Kindergestalten umher. Ihre Arme und Nacken glänzten im Mondschein, und die Sprühwellen, mit denen sie sich jubelnd bespritzten, schimmerten wie ein Diamantenregen. Und in der Mitte dieses ausgelassenen Chors saß im Kahn eine Mädchengestalt. Das volle Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie hatte nur das rothe Kopftuch abgeworfen, und das blonde Haar hing ihr ausgelöst um die Schultern. Eifrig flocht sie an einem Kranze von weißen Seerosen, die die Kinder ihr vom Ufer brachten. Bald näherte sich ihr ein muthwilliger Knabe, aber anstatt ihr die Blume zu reichen, warf er ihr den schweren, nassen Kelch ins Gesicht. Strafend suchte sie ihn mit dem langen Blüthenstengel zu treffen. Aber der lustige Kobold überschlug sich ausweichend im Wasser und riß Andere mit sich herum, daß es bei jauchzendem Schreien eine Weile dauerte, ehe sich Glieder und Gestalten aus dem funkelnden Schaum entwirrten. Dann wieder kam ein Nixlein zum Vorschein — man sah das goldene Haar lang hinter ihr her schwimmen — das führte ein noch kleineres, kaum dreijähriges. Es prustete und geberdete sich ein wenig ängstlich, bald aber lachte es in den schützenden Armen seines Schwesterchens, das neben ihm kauerte, und klatschte mit den kleinen Händen auf das flimmernde Wasser. Es war ein Lachen, Springen und Tanzen, eine Bewegung in dem feuchten Ele-

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[0022] In der hellen Wasserfläche plätscherte ein Duzend nackter Kindergestalten umher. Ihre Arme und Nacken glänzten im Mondschein, und die Sprühwellen, mit denen sie sich jubelnd bespritzten, schimmerten wie ein Diamantenregen. Und in der Mitte dieses ausgelassenen Chors saß im Kahn eine Mädchengestalt. Das volle Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie hatte nur das rothe Kopftuch abgeworfen, und das blonde Haar hing ihr ausgelöst um die Schultern. Eifrig flocht sie an einem Kranze von weißen Seerosen, die die Kinder ihr vom Ufer brachten. Bald näherte sich ihr ein muthwilliger Knabe, aber anstatt ihr die Blume zu reichen, warf er ihr den schweren, nassen Kelch ins Gesicht. Strafend suchte sie ihn mit dem langen Blüthenstengel zu treffen. Aber der lustige Kobold überschlug sich ausweichend im Wasser und riß Andere mit sich herum, daß es bei jauchzendem Schreien eine Weile dauerte, ehe sich Glieder und Gestalten aus dem funkelnden Schaum entwirrten. Dann wieder kam ein Nixlein zum Vorschein — man sah das goldene Haar lang hinter ihr her schwimmen — das führte ein noch kleineres, kaum dreijähriges. Es prustete und geberdete sich ein wenig ängstlich, bald aber lachte es in den schützenden Armen seines Schwesterchens, das neben ihm kauerte, und klatschte mit den kleinen Händen auf das flimmernde Wasser. Es war ein Lachen, Springen und Tanzen, eine Bewegung in dem feuchten Ele-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/22>, abgerufen am 19.04.2024.