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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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den Entschluß, mich von nun an unter seiner Leitung in die Geschäftsthätigkeit einzuarbeiten. Kein halbes Jahr verging, so wurde die Freude und das Glück des Hauses noch erhöht. Ich verlobte mich mit dem liebenswürdigsten und schönsten Mädchen, dem reinsten und gütigsten Wesen, das je die Welt gesehen. Meine Wahl fand den ganzen Beifall der Eltern. In meinem dreiundzwanzigsten Jahre war ich Gatte, im vierundzwanzigsten glücklicher Vater eines Knaben.

Das Glück unseres Hauses hatte keine Grenzen, es gab bei uns nur Freudentage. Die Stiefmutter schien neu aufzuleben, sie liebte mein junges Weib wie ihre Tochter, sie pflegte meinen Knaben mit der ganzen Zärtlichkeit einer Großmutter. Denke ich an jene Zeit zurück, so ist mir, als hätten wir in einem Rausch von Wonne und Seligkeit gelebt. Es waren zwei Jahre, so erfüllt von Glück, daß sie ihren Glanz über ein ganzes, gedehntes Leben ausbreiteten. Ach, es mochte wohl des Glückes zu viel sein!

Noch hatte ich nichts, gar nichts erlebt, was irgend wie mich hätte innerlich tiefer erschüttern können, als mich völlig Unvorbereiteten der furchtbarste Schlag traf. Mein junges, heißgeliebtes Weib starb! Ich glaubte wahnsinnig zu werden vor Schmerz. Mit einem einzigen Sturz war das ganze Gebäude meines Glückes zusammengebrochen, ich wollte auf der verödeten Stätte nicht mehr leben. Und wie ich innerlich zerrüttet und zerrissen war, so begann auch mein Körper zu leiden.

den Entschluß, mich von nun an unter seiner Leitung in die Geschäftsthätigkeit einzuarbeiten. Kein halbes Jahr verging, so wurde die Freude und das Glück des Hauses noch erhöht. Ich verlobte mich mit dem liebenswürdigsten und schönsten Mädchen, dem reinsten und gütigsten Wesen, das je die Welt gesehen. Meine Wahl fand den ganzen Beifall der Eltern. In meinem dreiundzwanzigsten Jahre war ich Gatte, im vierundzwanzigsten glücklicher Vater eines Knaben.

Das Glück unseres Hauses hatte keine Grenzen, es gab bei uns nur Freudentage. Die Stiefmutter schien neu aufzuleben, sie liebte mein junges Weib wie ihre Tochter, sie pflegte meinen Knaben mit der ganzen Zärtlichkeit einer Großmutter. Denke ich an jene Zeit zurück, so ist mir, als hätten wir in einem Rausch von Wonne und Seligkeit gelebt. Es waren zwei Jahre, so erfüllt von Glück, daß sie ihren Glanz über ein ganzes, gedehntes Leben ausbreiteten. Ach, es mochte wohl des Glückes zu viel sein!

Noch hatte ich nichts, gar nichts erlebt, was irgend wie mich hätte innerlich tiefer erschüttern können, als mich völlig Unvorbereiteten der furchtbarste Schlag traf. Mein junges, heißgeliebtes Weib starb! Ich glaubte wahnsinnig zu werden vor Schmerz. Mit einem einzigen Sturz war das ganze Gebäude meines Glückes zusammengebrochen, ich wollte auf der verödeten Stätte nicht mehr leben. Und wie ich innerlich zerrüttet und zerrissen war, so begann auch mein Körper zu leiden.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/12>, abgerufen am 19.04.2024.