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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Stanislaw Leszczynski von Karl XII. gegen König August II.
auf den Thron erhoben ward, dem ersteren angeschlossen;
schließlich aber hatte er wie alle anderen mit König August
seinen Frieden gemacht, und selbst dessen Wohlwollen gewonnen 1).
Gleiche und wohl noch höhere Gunst des Königs genoß auch
sein Schwiegersohn Poniatowski. Aus einer Familie des klei-
neren Adels entsprossen, war dieser, zwanzig Jahre älter als
die beiden Brüder Czartoryski, zuerst im Kriegsdienst Leszczynki's
emporgekommen, hatte dann bei Pultawa wesentlich zur Lebens-
rettung Karl XII. beigetragen und diesem seitdem in der Türkei,
wie in Stralsund und Schweden als Diplomat und Soldat
aufs treuste gedient 2). Nach dem Tode Karls ging er von
der Königin Ulrike Eleonore mit Anträgen zum Frieden be-
traut, nach Polen zurück und soll König August gleich bei seiner
ersten Vorstellung dadurch für sich eingenommen haben, daß er
ihm das Original seiner Abdankung zu Gunsten Leszczynski's,
aus Schweden zurückbrachte 3). In der Reife männlicher Kraft

1) Aus Bizardiere, Histoire de la scission etc. Paris 1737.
p.
263. 274 ersieht man, daß Kasimir Czartoryski in Person zum
Prinzen Conti nach Danzig geeilt war und nach dessen Abzuge dort mit
anderen polnischen Herren gefangen ward. Wie er sich dagegen zur Con-
föderation von Tarnogrodzk (1715) verhielt, weiß ich bis jetzt nicht mit
Bestimmtheit zu sagen. Nach Bartoszewicz in der Encyklopedya
a. a. O. saß er während derselben ruhig in Krasnymstaw in Gallizien.
2) Leben des Stanislaw Leszczynski. Aus dem Französischen. Leipzig
1770. S. 101. Otwinowski, Pamietniki. Poznaniu 1838. p. 148
et
149: in den polnischen Mittheilungen oft wiederholt. Nordberg
(Histoire de Charles XII, a la Haye 1748) erwähnt jedoch in seiner
Schilderung der Schlacht bei Pultawa (II, p. 310--15) der Theilnahme
Poniatowski's an Karls Lebensrettung nicht, obwohl er sonst dessen treue
Karl geleistete Dienste vielfach hervorhebt. -- Die Remarques d'un
Seigneur Polonois sur l'histoire de Charles XII par Voltaire,
Haye 1741,
gelten für ein Werk des Generals.
3) Das Letztere erzählt Lelewel, Panowania Stanislawa Augusta.
Bruxella 1847. p.
190. Auch Parthenay (Geschichte von Polen unter
der Regierung August II., aus dem Französischen, Mietau 1772) er-
wähnt, daß Poniatowski bei diesen Friedensverhandlungen mitwirkte.
Nach Rulhiere I, p. 197 sagte Poniatowski dem Könige: ",J'etais
trop jeune pour faire choix d'un parti, quand le roi de Suede vous

Stanislaw Leszczynski von Karl XII. gegen König Auguſt II.
auf den Thron erhoben ward, dem erſteren angeſchloſſen;
ſchließlich aber hatte er wie alle anderen mit König Auguſt
ſeinen Frieden gemacht, und ſelbſt deſſen Wohlwollen gewonnen 1).
Gleiche und wohl noch höhere Gunſt des Königs genoß auch
ſein Schwiegerſohn Poniatowski. Aus einer Familie des klei-
neren Adels entſproſſen, war dieſer, zwanzig Jahre älter als
die beiden Brüder Czartoryski, zuerſt im Kriegsdienſt Leszczynki’s
emporgekommen, hatte dann bei Pultawa weſentlich zur Lebens-
rettung Karl XII. beigetragen und dieſem ſeitdem in der Türkei,
wie in Stralſund und Schweden als Diplomat und Soldat
aufs treuſte gedient 2). Nach dem Tode Karls ging er von
der Königin Ulrike Eleonore mit Anträgen zum Frieden be-
traut, nach Polen zurück und ſoll König Auguſt gleich bei ſeiner
erſten Vorſtellung dadurch für ſich eingenommen haben, daß er
ihm das Original ſeiner Abdankung zu Gunſten Leszczynski’s,
aus Schweden zurückbrachte 3). In der Reife männlicher Kraft

1) Aus Bizardière, Histoire de la scission etc. Paris 1737.
p.
263. 274 erſieht man, daß Kaſimir Czartoryski in Perſon zum
Prinzen Conti nach Danzig geeilt war und nach deſſen Abzuge dort mit
anderen polniſchen Herren gefangen ward. Wie er ſich dagegen zur Con-
föderation von Tarnogrodzk (1715) verhielt, weiß ich bis jetzt nicht mit
Beſtimmtheit zu ſagen. Nach Bartoszewicz in der Encyklopedya
a. a. O. ſaß er während derſelben ruhig in Krasnymſtaw in Gallizien.
2) Leben des Stanislaw Leszczynski. Aus dem Franzöſiſchen. Leipzig
1770. S. 101. Otwinowski, Pamiętniki. Poznaniu 1838. p. 148
et
149: in den polniſchen Mittheilungen oft wiederholt. Nordberg
(Histoire de Charles XII, à la Haye 1748) erwähnt jedoch in ſeiner
Schilderung der Schlacht bei Pultawa (II, p. 310—15) der Theilnahme
Poniatowski’s an Karls Lebensrettung nicht, obwohl er ſonſt deſſen treue
Karl geleiſtete Dienſte vielfach hervorhebt. — Die Remarques d’un
Seigneur Polonois sur l’histoire de Charles XII par Voltaire,
Haye 1741,
gelten für ein Werk des Generals.
3) Das Letztere erzählt Lelewel, Panowania Stanislawa Augusta.
Bruxella 1847. p.
190. Auch Parthenay (Geſchichte von Polen unter
der Regierung Auguſt II., aus dem Franzöſiſchen, Mietau 1772) er-
wähnt, daß Poniatowski bei dieſen Friedensverhandlungen mitwirkte.
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[34/0048] Stanislaw Leszczynski von Karl XII. gegen König Auguſt II. auf den Thron erhoben ward, dem erſteren angeſchloſſen; ſchließlich aber hatte er wie alle anderen mit König Auguſt ſeinen Frieden gemacht, und ſelbſt deſſen Wohlwollen gewonnen 1). Gleiche und wohl noch höhere Gunſt des Königs genoß auch ſein Schwiegerſohn Poniatowski. Aus einer Familie des klei- neren Adels entſproſſen, war dieſer, zwanzig Jahre älter als die beiden Brüder Czartoryski, zuerſt im Kriegsdienſt Leszczynki’s emporgekommen, hatte dann bei Pultawa weſentlich zur Lebens- rettung Karl XII. beigetragen und dieſem ſeitdem in der Türkei, wie in Stralſund und Schweden als Diplomat und Soldat aufs treuſte gedient 2). Nach dem Tode Karls ging er von der Königin Ulrike Eleonore mit Anträgen zum Frieden be- traut, nach Polen zurück und ſoll König Auguſt gleich bei ſeiner erſten Vorſtellung dadurch für ſich eingenommen haben, daß er ihm das Original ſeiner Abdankung zu Gunſten Leszczynski’s, aus Schweden zurückbrachte 3). In der Reife männlicher Kraft 1) Aus Bizardière, Histoire de la scission etc. Paris 1737. p. 263. 274 erſieht man, daß Kaſimir Czartoryski in Perſon zum Prinzen Conti nach Danzig geeilt war und nach deſſen Abzuge dort mit anderen polniſchen Herren gefangen ward. Wie er ſich dagegen zur Con- föderation von Tarnogrodzk (1715) verhielt, weiß ich bis jetzt nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen. Nach Bartoszewicz in der Encyklopedya a. a. O. ſaß er während derſelben ruhig in Krasnymſtaw in Gallizien. 2) Leben des Stanislaw Leszczynski. Aus dem Franzöſiſchen. Leipzig 1770. S. 101. Otwinowski, Pamiętniki. Poznaniu 1838. p. 148 et 149: in den polniſchen Mittheilungen oft wiederholt. Nordberg (Histoire de Charles XII, à la Haye 1748) erwähnt jedoch in ſeiner Schilderung der Schlacht bei Pultawa (II, p. 310—15) der Theilnahme Poniatowski’s an Karls Lebensrettung nicht, obwohl er ſonſt deſſen treue Karl geleiſtete Dienſte vielfach hervorhebt. — Die Remarques d’un Seigneur Polonois sur l’histoire de Charles XII par Voltaire, Haye 1741, gelten für ein Werk des Generals. 3) Das Letztere erzählt Lelewel, Panowania Stanislawa Augusta. Bruxella 1847. p. 190. Auch Parthenay (Geſchichte von Polen unter der Regierung Auguſt II., aus dem Franzöſiſchen, Mietau 1772) er- wähnt, daß Poniatowski bei dieſen Friedensverhandlungen mitwirkte. Nach Rulhiere I, p. 197 ſagte Poniatowski dem Könige: „‚J’étais trop jeune pour faire choix d’un parti, quand le roi de Suède vous

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/48>, abgerufen am 16.04.2024.