Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Kirche zugewandt haben, wissen wir nicht, wohl aber daß sie
demselben gleich anderen fürstlichen und adlichen Geschlechtern
in jenen Landschaften fast zwei Jahrhunderte hindurch treu er-
geben blieben. Erst im Beginn des 17. Jahrhunderts trat
Jerzy Iwanowicza Czartoryski zum römischen Katholicismus
über, und ward einer der eifrigsten Anhänger und Beschützer
der Jesuiten.

Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit es mit ihrem grie-
chischen Glauben zusammenhängt, daß die Familie, so lange sie
ihn bekannte, zu keinem irgendwie hervorragenden Einfluß in
der Republik gelangte. Ihre Mitglieder verwalteten wohl in
ihren heimischen Landschaften höhere und niedere Ehrenämter,
wurden Woiwoden, Kastellane u. s. w., und tummelten sich
nicht selten in den damals so zahlreichen Kämpfen mit den
Türken, Tartaren und Russen. Zu einer höheren politischen
Lebensstellung brachte es aber doch erst der Enkel jenes ersten
zum Katholicismus übergetretenen Czartoryski, Florian. Von
Jugend auf dem geistlichen Stande gewidmet, seit 1650 Bi-
schof von Posen, später von Cujavien, nahm dieser in den
wirren Zeiten Johann Kasimirs als Senator an allen wich-
tigeren politischen Verhandlungen einen nicht selten hervor-
ragenden Antheil, ohne doch seine bischöflichen Pflichten irgend-
wie zu vernachläßigen. Im Gegentheil, er war ein ebenso
eifriger Hirt seiner Heerde, als Patriot, und ward noch kurz
vor seinem Tode (+ 1674) Erzbischof von Gnesen und Primas
des Reiches. Durch ihn zuerst gewann der Name Czartoryski
in der Republik Ruf und Glanz.

Grade in dem Jahre, in welchem der Erzbischof von
Gnesen ins Grab sank, ward seinem Bruder, Woiwoden von
Sandomir, ein Sohn, Kasimir, geboren, der auch seinerseits,
freilich auf anderem Wege als der Oheim, das weitere Empor-
kommen der Familie förderte. Indem er sich mit Isabella
Morstyn vermählte, erwarb er nicht nur ein nicht unbedeu-
tendes Vermögen, sondern kam auch durch sie mit dem Hofe
in nähere Verbindung, an welchem ihre Schwester, die Kron-
großmarschallin Bielinska, Geltung und Einfluß besaß. Sie war

Kirche zugewandt haben, wiſſen wir nicht, wohl aber daß ſie
demſelben gleich anderen fürſtlichen und adlichen Geſchlechtern
in jenen Landſchaften faſt zwei Jahrhunderte hindurch treu er-
geben blieben. Erſt im Beginn des 17. Jahrhunderts trat
Jerz̀y Iwanowicza Czartoryski zum römiſchen Katholicismus
über, und ward einer der eifrigſten Anhänger und Beſchützer
der Jeſuiten.

Es mag dahingeſtellt bleiben, inwieweit es mit ihrem grie-
chiſchen Glauben zuſammenhängt, daß die Familie, ſo lange ſie
ihn bekannte, zu keinem irgendwie hervorragenden Einfluß in
der Republik gelangte. Ihre Mitglieder verwalteten wohl in
ihren heimiſchen Landſchaften höhere und niedere Ehrenämter,
wurden Woiwoden, Kaſtellane u. ſ. w., und tummelten ſich
nicht ſelten in den damals ſo zahlreichen Kämpfen mit den
Türken, Tartaren und Ruſſen. Zu einer höheren politiſchen
Lebensſtellung brachte es aber doch erſt der Enkel jenes erſten
zum Katholicismus übergetretenen Czartoryski, Florian. Von
Jugend auf dem geiſtlichen Stande gewidmet, ſeit 1650 Bi-
ſchof von Poſen, ſpäter von Cujavien, nahm dieſer in den
wirren Zeiten Johann Kaſimirs als Senator an allen wich-
tigeren politiſchen Verhandlungen einen nicht ſelten hervor-
ragenden Antheil, ohne doch ſeine biſchöflichen Pflichten irgend-
wie zu vernachläßigen. Im Gegentheil, er war ein ebenſo
eifriger Hirt ſeiner Heerde, als Patriot, und ward noch kurz
vor ſeinem Tode († 1674) Erzbiſchof von Gneſen und Primas
des Reiches. Durch ihn zuerſt gewann der Name Czartoryski
in der Republik Ruf und Glanz.

Grade in dem Jahre, in welchem der Erzbiſchof von
Gneſen ins Grab ſank, ward ſeinem Bruder, Woiwoden von
Sandomir, ein Sohn, Kaſimir, geboren, der auch ſeinerſeits,
freilich auf anderem Wege als der Oheim, das weitere Empor-
kommen der Familie förderte. Indem er ſich mit Iſabella
Morstyn vermählte, erwarb er nicht nur ein nicht unbedeu-
tendes Vermögen, ſondern kam auch durch ſie mit dem Hofe
in nähere Verbindung, an welchem ihre Schweſter, die Kron-
großmarſchallin Bielinska, Geltung und Einfluß beſaß. Sie war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="31"/>
Kirche zugewandt haben, wi&#x017F;&#x017F;en wir nicht, wohl aber daß &#x017F;ie<lb/>
dem&#x017F;elben gleich anderen für&#x017F;tlichen und adlichen Ge&#x017F;chlechtern<lb/>
in jenen Land&#x017F;chaften fa&#x017F;t zwei Jahrhunderte hindurch treu er-<lb/>
geben blieben. Er&#x017F;t im Beginn des 17. Jahrhunderts trat<lb/>
Jerz&#x0300;y Iwanowicza Czartoryski zum römi&#x017F;chen Katholicismus<lb/>
über, und ward einer der eifrig&#x017F;ten Anhänger und Be&#x017F;chützer<lb/>
der Je&#x017F;uiten.</p><lb/>
        <p>Es mag dahinge&#x017F;tellt bleiben, inwieweit es mit ihrem grie-<lb/>
chi&#x017F;chen Glauben zu&#x017F;ammenhängt, daß die Familie, &#x017F;o lange &#x017F;ie<lb/>
ihn bekannte, zu keinem irgendwie hervorragenden Einfluß in<lb/>
der Republik gelangte. Ihre Mitglieder verwalteten wohl in<lb/>
ihren heimi&#x017F;chen Land&#x017F;chaften höhere und niedere Ehrenämter,<lb/>
wurden Woiwoden, Ka&#x017F;tellane u. &#x017F;. w., und tummelten &#x017F;ich<lb/>
nicht &#x017F;elten in den damals &#x017F;o zahlreichen Kämpfen mit den<lb/>
Türken, Tartaren und Ru&#x017F;&#x017F;en. Zu einer höheren politi&#x017F;chen<lb/>
Lebens&#x017F;tellung brachte es aber doch er&#x017F;t der Enkel jenes er&#x017F;ten<lb/>
zum Katholicismus übergetretenen Czartoryski, Florian. Von<lb/>
Jugend auf dem gei&#x017F;tlichen Stande gewidmet, &#x017F;eit 1650 Bi-<lb/>
&#x017F;chof von Po&#x017F;en, &#x017F;päter von Cujavien, nahm die&#x017F;er in den<lb/>
wirren Zeiten Johann Ka&#x017F;imirs als Senator an allen wich-<lb/>
tigeren politi&#x017F;chen Verhandlungen einen nicht &#x017F;elten hervor-<lb/>
ragenden Antheil, ohne doch &#x017F;eine bi&#x017F;chöflichen Pflichten irgend-<lb/>
wie zu vernachläßigen. Im Gegentheil, er war ein eben&#x017F;o<lb/>
eifriger Hirt &#x017F;einer Heerde, als Patriot, und ward noch kurz<lb/>
vor &#x017F;einem Tode (&#x2020; 1674) Erzbi&#x017F;chof von Gne&#x017F;en und Primas<lb/>
des Reiches. Durch ihn zuer&#x017F;t gewann der Name Czartoryski<lb/>
in der Republik Ruf und Glanz.</p><lb/>
        <p>Grade in dem Jahre, in welchem der Erzbi&#x017F;chof von<lb/>
Gne&#x017F;en ins Grab &#x017F;ank, ward &#x017F;einem Bruder, Woiwoden von<lb/>
Sandomir, ein Sohn, Ka&#x017F;imir, geboren, der auch &#x017F;einer&#x017F;eits,<lb/>
freilich auf anderem Wege als der Oheim, das weitere Empor-<lb/>
kommen der Familie förderte. Indem er &#x017F;ich mit I&#x017F;abella<lb/>
Morstyn vermählte, erwarb er nicht nur ein nicht unbedeu-<lb/>
tendes Vermögen, &#x017F;ondern kam auch durch &#x017F;ie mit dem Hofe<lb/>
in nähere Verbindung, an welchem ihre Schwe&#x017F;ter, die Kron-<lb/>
großmar&#x017F;challin Bielinska, Geltung und Einfluß be&#x017F;aß. Sie war<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0045] Kirche zugewandt haben, wiſſen wir nicht, wohl aber daß ſie demſelben gleich anderen fürſtlichen und adlichen Geſchlechtern in jenen Landſchaften faſt zwei Jahrhunderte hindurch treu er- geben blieben. Erſt im Beginn des 17. Jahrhunderts trat Jerz̀y Iwanowicza Czartoryski zum römiſchen Katholicismus über, und ward einer der eifrigſten Anhänger und Beſchützer der Jeſuiten. Es mag dahingeſtellt bleiben, inwieweit es mit ihrem grie- chiſchen Glauben zuſammenhängt, daß die Familie, ſo lange ſie ihn bekannte, zu keinem irgendwie hervorragenden Einfluß in der Republik gelangte. Ihre Mitglieder verwalteten wohl in ihren heimiſchen Landſchaften höhere und niedere Ehrenämter, wurden Woiwoden, Kaſtellane u. ſ. w., und tummelten ſich nicht ſelten in den damals ſo zahlreichen Kämpfen mit den Türken, Tartaren und Ruſſen. Zu einer höheren politiſchen Lebensſtellung brachte es aber doch erſt der Enkel jenes erſten zum Katholicismus übergetretenen Czartoryski, Florian. Von Jugend auf dem geiſtlichen Stande gewidmet, ſeit 1650 Bi- ſchof von Poſen, ſpäter von Cujavien, nahm dieſer in den wirren Zeiten Johann Kaſimirs als Senator an allen wich- tigeren politiſchen Verhandlungen einen nicht ſelten hervor- ragenden Antheil, ohne doch ſeine biſchöflichen Pflichten irgend- wie zu vernachläßigen. Im Gegentheil, er war ein ebenſo eifriger Hirt ſeiner Heerde, als Patriot, und ward noch kurz vor ſeinem Tode († 1674) Erzbiſchof von Gneſen und Primas des Reiches. Durch ihn zuerſt gewann der Name Czartoryski in der Republik Ruf und Glanz. Grade in dem Jahre, in welchem der Erzbiſchof von Gneſen ins Grab ſank, ward ſeinem Bruder, Woiwoden von Sandomir, ein Sohn, Kaſimir, geboren, der auch ſeinerſeits, freilich auf anderem Wege als der Oheim, das weitere Empor- kommen der Familie förderte. Indem er ſich mit Iſabella Morstyn vermählte, erwarb er nicht nur ein nicht unbedeu- tendes Vermögen, ſondern kam auch durch ſie mit dem Hofe in nähere Verbindung, an welchem ihre Schweſter, die Kron- großmarſchallin Bielinska, Geltung und Einfluß beſaß. Sie war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/45
Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/45>, abgerufen am 19.04.2024.