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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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Wenn ihr, in der finstern Nacht, aufge-
standen seyd, um zur Thüre heraus zu gehen,
seyd ihr nicht oft vor der Thüre vorbey ge-
gangen, und habt euch in der Stube verirrt,
seyd an den Kachelofen gekommen, denn an
den Schrank, ehe ihr die Thüre gefunden
habt? Seht, Kinder! da habt ihr in eurem
Gange geirrt: denn das nennt man irren, oder
im Irrthum stecken, wenn man anders denkt,
als man sollte; anders urtheilt, anders thut
und handelt, als man sollte. Ihr, (z. E.)
suchtet die Thüre beym Ofen -- War der Ofen
noch heiß, so hättet ihr euch gar verbrennen
können; Denn ein Irrthum hat gemeiniglich
schädliche Folgen.

Warum aber verirrtet ihr euch damals in
der Stube? Recht lieben Kinder! weil es dun-
kele Nacht war, weil ihr nicht sehen konntet.

Seht, Kinder! was das Tageslicht für un-
sere Augen ist, das ist die Wahrheit für unsern
Verstand. Wer die Wahrheit liebt, und nach
Erkenntniß trachtet, in deßen Verstande ist
Licht, er verirrt sich nicht leicht, oder kommt
doch bald wieder auf den rechten Weg.

Wer aber nach Wahrheit nichts fragt, und
nichts Gutes lernen will, in dem ist Finsterniß;
denn jeder Irrthum ist Finsternis im Verstan-
de; und ein solcher Mensch irrt alle Augenbli-

cke.

Wenn ihr, in der finſtern Nacht, aufge-
ſtanden ſeyd, um zur Thuͤre heraus zu gehen,
ſeyd ihr nicht oft vor der Thuͤre vorbey ge-
gangen, und habt euch in der Stube verirrt,
ſeyd an den Kachelofen gekommen, denn an
den Schrank, ehe ihr die Thuͤre gefunden
habt? Seht, Kinder! da habt ihr in eurem
Gange geirrt: denn das nennt man irren, oder
im Irrthum ſtecken, wenn man anders denkt,
als man ſollte; anders urtheilt, anders thut
und handelt, als man ſollte. Ihr, (z. E.)
ſuchtet die Thuͤre beym Ofen — War der Ofen
noch heiß, ſo haͤttet ihr euch gar verbrennen
koͤnnen; Denn ein Irrthum hat gemeiniglich
ſchaͤdliche Folgen.

Warum aber verirrtet ihr euch damals in
der Stube? Recht lieben Kinder! weil es dun-
kele Nacht war, weil ihr nicht ſehen konntet.

Seht, Kinder! was das Tageslicht fuͤr un-
ſere Augen iſt, das iſt die Wahrheit fuͤr unſern
Verſtand. Wer die Wahrheit liebt, und nach
Erkenntniß trachtet, in deßen Verſtande iſt
Licht, er verirrt ſich nicht leicht, oder kommt
doch bald wieder auf den rechten Weg.

Wer aber nach Wahrheit nichts fragt, und
nichts Gutes lernen will, in dem iſt Finſterniß;
denn jeder Irrthum iſt Finſternis im Verſtan-
de; und ein ſolcher Menſch irrt alle Augenbli-

cke.
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[24/0046] Wenn ihr, in der finſtern Nacht, aufge- ſtanden ſeyd, um zur Thuͤre heraus zu gehen, ſeyd ihr nicht oft vor der Thuͤre vorbey ge- gangen, und habt euch in der Stube verirrt, ſeyd an den Kachelofen gekommen, denn an den Schrank, ehe ihr die Thuͤre gefunden habt? Seht, Kinder! da habt ihr in eurem Gange geirrt: denn das nennt man irren, oder im Irrthum ſtecken, wenn man anders denkt, als man ſollte; anders urtheilt, anders thut und handelt, als man ſollte. Ihr, (z. E.) ſuchtet die Thuͤre beym Ofen — War der Ofen noch heiß, ſo haͤttet ihr euch gar verbrennen koͤnnen; Denn ein Irrthum hat gemeiniglich ſchaͤdliche Folgen. Warum aber verirrtet ihr euch damals in der Stube? Recht lieben Kinder! weil es dun- kele Nacht war, weil ihr nicht ſehen konntet. Seht, Kinder! was das Tageslicht fuͤr un- ſere Augen iſt, das iſt die Wahrheit fuͤr unſern Verſtand. Wer die Wahrheit liebt, und nach Erkenntniß trachtet, in deßen Verſtande iſt Licht, er verirrt ſich nicht leicht, oder kommt doch bald wieder auf den rechten Weg. Wer aber nach Wahrheit nichts fragt, und nichts Gutes lernen will, in dem iſt Finſterniß; denn jeder Irrthum iſt Finſternis im Verſtan- de; und ein ſolcher Menſch irrt alle Augenbli- cke.

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/46>, abgerufen am 23.04.2024.