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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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Sinne uns als wahrscheinlich ansehen las-
sen, erkennen wir, ob die Sinne recht ha-
ben oder nicht.

Also, durch den Verstand erkennen wir
die nützlichsten und wichtigsten Wahrheiten.
Aber jede Wahrheit hat ein sicheres Kenn-
zeichen, woran ich sie von der Unwahrheit
unterscheiden kann.

Durch Aufmerksamkeit wird das Kennzei-
chen der Wahrheit entdeckt. Nemlich, ich
werde entweder, durch meine Sinnen ge-
wahr, daß es wirklich so ist, als es mir
scheint, (als vorher bey der Kuh und bey
der Katze, wenn nemlich die Katze in ein
kleines Loch kriecht, wo die Kuh nicht durch
kann,) oder, ich halte das, was mir als
wahr angegeben wird, gegen andre Wahr-
heiten, die ich schon weiß. Z. E. Wenn
einer zu euch sagte: Kinder! geht ja nicht
in die Schule! wer in die Schule geht, der
stirbt den Augenblick. Würdet ihr nicht
gleich denken? Ich bin so oft herein gegan-
gen, und bin nicht gestorben; es wird wohl
nicht wahr seyn, was der sagt. Oder,
wenn ich euch sage; Kinder! lernt fleißig;
so wißt ihr alle Tage mehr -- Werdet ihr
nicht, aus eurer eignen Erfahrung, zugeste-
hen müßen: Das ist wahr, was unser Leh-

rer

Sinne uns als wahrſcheinlich anſehen laſ-
ſen, erkennen wir, ob die Sinne recht ha-
ben oder nicht.

Alſo, durch den Verſtand erkennen wir
die nuͤtzlichſten und wichtigſten Wahrheiten.
Aber jede Wahrheit hat ein ſicheres Kenn-
zeichen, woran ich ſie von der Unwahrheit
unterſcheiden kann.

Durch Aufmerkſamkeit wird das Kennzei-
chen der Wahrheit entdeckt. Nemlich, ich
werde entweder, durch meine Sinnen ge-
wahr, daß es wirklich ſo iſt, als es mir
ſcheint, (als vorher bey der Kuh und bey
der Katze, wenn nemlich die Katze in ein
kleines Loch kriecht, wo die Kuh nicht durch
kann,) oder, ich halte das, was mir als
wahr angegeben wird, gegen andre Wahr-
heiten, die ich ſchon weiß. Z. E. Wenn
einer zu euch ſagte: Kinder! geht ja nicht
in die Schule! wer in die Schule geht, der
ſtirbt den Augenblick. Wuͤrdet ihr nicht
gleich denken? Ich bin ſo oft herein gegan-
gen, und bin nicht geſtorben; es wird wohl
nicht wahr ſeyn, was der ſagt. Oder,
wenn ich euch ſage; Kinder! lernt fleißig;
ſo wißt ihr alle Tage mehr — Werdet ihr
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[20/0042] Sinne uns als wahrſcheinlich anſehen laſ- ſen, erkennen wir, ob die Sinne recht ha- ben oder nicht. Alſo, durch den Verſtand erkennen wir die nuͤtzlichſten und wichtigſten Wahrheiten. Aber jede Wahrheit hat ein ſicheres Kenn- zeichen, woran ich ſie von der Unwahrheit unterſcheiden kann. Durch Aufmerkſamkeit wird das Kennzei- chen der Wahrheit entdeckt. Nemlich, ich werde entweder, durch meine Sinnen ge- wahr, daß es wirklich ſo iſt, als es mir ſcheint, (als vorher bey der Kuh und bey der Katze, wenn nemlich die Katze in ein kleines Loch kriecht, wo die Kuh nicht durch kann,) oder, ich halte das, was mir als wahr angegeben wird, gegen andre Wahr- heiten, die ich ſchon weiß. Z. E. Wenn einer zu euch ſagte: Kinder! geht ja nicht in die Schule! wer in die Schule geht, der ſtirbt den Augenblick. Wuͤrdet ihr nicht gleich denken? Ich bin ſo oft herein gegan- gen, und bin nicht geſtorben; es wird wohl nicht wahr ſeyn, was der ſagt. Oder, wenn ich euch ſage; Kinder! lernt fleißig; ſo wißt ihr alle Tage mehr — Werdet ihr nicht, aus eurer eignen Erfahrung, zugeſte- hen muͤßen: Das iſt wahr, was unſer Leh- rer

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/42>, abgerufen am 20.04.2024.