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Riemann, Bernhard: Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. In: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 13 (1868), S. 133-150.

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ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN.
ausgedrückt werden, dass sich die Figuren in ihnen ohne Dehnung be-
wegen lassen. Denn offenbar würden die Figuren in ihnen nicht belie-
big verschiebbar und drehbar sein können, wenn nicht in jedem Punkte
in allen Richtungen das Krümmungsmass dasselbe wäre. Andererseits
aber sind durch das Krümmungsmass die Massverhältnisse der Mannig-
faltigkeit vollständig bestimmt; es sind daher um einen Punkt nach allen
Richtungen die Massverhältnisse genau dieselben, wie um einen andern,
und also von ihm aus dieselben Constructionen ausführbar, und folglich
kann in den Mannigfaltigkeiten mit constantem Krümmungsmass den Fi-
guren jede beliebige Lage gegeben werden. Die Massverhältnisse dieser
Mannigfaltigkeiten hängen nur von dem Werthe des Krümmungsmasses
ab, und in Bezug auf die analytische Darstellung mag bemerkt werden,
dass, wenn man diesen Werth durch a bezeichnet, dem Ausdruck für
das Linienelement die Form
[Formel 1] gegeben werden kann.

§. 5.

Zur geometrischen Erläuterung kann die Betrachtung der Flächen
mit constantem Krümmungsmass dienen. Es ist leicht zu sehen, dass sich
die Flächen, deren Krümmungsmass positiv ist, immer auf eine Kugel,
deren Radius gleich 1 dividirt durch die Wurzel aus dem Krümmungs-
mass ist, wickeln lassen werden; um aber die ganze Mannigfaltigkeit
dieser Flächen zu übersehen, gebe man einer derselben die Gestalt einer
Kugel und den übrigen die Gestalt von Umdrehungsflächen, welche sie
im Aequator berühren. Die Flächen mit grösserem Krümmungsmass,
als diese Kugel, werden dann die Kugel von innen berühren und eine
Gestalt annehmen, wie der äussere der Axe abgewandte Theil der Ober-
fläche eines Ringes; sie würden sich auf Zonen von Kugeln mit kleine-
rem Halbmesser wickeln lassen, aber mehr als einmal herumreichen.
Die Flächen mit kleinerem positiven Krümmungsmass wird man erhalten,

Mathem. Classe. XIII. T

ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN.
ausgedrückt werden, dass sich die Figuren in ihnen ohne Dehnung be-
wegen lassen. Denn offenbar würden die Figuren in ihnen nicht belie-
big verschiebbar und drehbar sein können, wenn nicht in jedem Punkte
in allen Richtungen das Krümmungsmass dasselbe wäre. Andererseits
aber sind durch das Krümmungsmass die Massverhältnisse der Mannig-
faltigkeit vollständig bestimmt; es sind daher um einen Punkt nach allen
Richtungen die Massverhältnisse genau dieselben, wie um einen andern,
und also von ihm aus dieselben Constructionen ausführbar, und folglich
kann in den Mannigfaltigkeiten mit constantem Krümmungsmass den Fi-
guren jede beliebige Lage gegeben werden. Die Massverhältnisse dieser
Mannigfaltigkeiten hängen nur von dem Werthe des Krümmungsmasses
ab, und in Bezug auf die analytische Darstellung mag bemerkt werden,
dass, wenn man diesen Werth durch α bezeichnet, dem Ausdruck für
das Linienelement die Form
[Formel 1] gegeben werden kann.

§. 5.

Zur geometrischen Erläuterung kann die Betrachtung der Flächen
mit constantem Krümmungsmass dienen. Es ist leicht zu sehen, dass sich
die Flächen, deren Krümmungsmass positiv ist, immer auf eine Kugel,
deren Radius gleich 1 dividirt durch die Wurzel aus dem Krümmungs-
mass ist, wickeln lassen werden; um aber die ganze Mannigfaltigkeit
dieser Flächen zu übersehen, gebe man einer derselben die Gestalt einer
Kugel und den übrigen die Gestalt von Umdrehungsflächen, welche sie
im Aequator berühren. Die Flächen mit grösserem Krümmungsmass,
als diese Kugel, werden dann die Kugel von innen berühren und eine
Gestalt annehmen, wie der äussere der Axe abgewandte Theil der Ober-
fläche eines Ringes; sie würden sich auf Zonen von Kugeln mit kleine-
rem Halbmesser wickeln lassen, aber mehr als einmal herumreichen.
Die Flächen mit kleinerem positiven Krümmungsmass wird man erhalten,

Mathem. Classe. XIII. T
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[145/0020] ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. ausgedrückt werden, dass sich die Figuren in ihnen ohne Dehnung be- wegen lassen. Denn offenbar würden die Figuren in ihnen nicht belie- big verschiebbar und drehbar sein können, wenn nicht in jedem Punkte in allen Richtungen das Krümmungsmass dasselbe wäre. Andererseits aber sind durch das Krümmungsmass die Massverhältnisse der Mannig- faltigkeit vollständig bestimmt; es sind daher um einen Punkt nach allen Richtungen die Massverhältnisse genau dieselben, wie um einen andern, und also von ihm aus dieselben Constructionen ausführbar, und folglich kann in den Mannigfaltigkeiten mit constantem Krümmungsmass den Fi- guren jede beliebige Lage gegeben werden. Die Massverhältnisse dieser Mannigfaltigkeiten hängen nur von dem Werthe des Krümmungsmasses ab, und in Bezug auf die analytische Darstellung mag bemerkt werden, dass, wenn man diesen Werth durch α bezeichnet, dem Ausdruck für das Linienelement die Form [FORMEL] gegeben werden kann. §. 5. Zur geometrischen Erläuterung kann die Betrachtung der Flächen mit constantem Krümmungsmass dienen. Es ist leicht zu sehen, dass sich die Flächen, deren Krümmungsmass positiv ist, immer auf eine Kugel, deren Radius gleich 1 dividirt durch die Wurzel aus dem Krümmungs- mass ist, wickeln lassen werden; um aber die ganze Mannigfaltigkeit dieser Flächen zu übersehen, gebe man einer derselben die Gestalt einer Kugel und den übrigen die Gestalt von Umdrehungsflächen, welche sie im Aequator berühren. Die Flächen mit grösserem Krümmungsmass, als diese Kugel, werden dann die Kugel von innen berühren und eine Gestalt annehmen, wie der äussere der Axe abgewandte Theil der Ober- fläche eines Ringes; sie würden sich auf Zonen von Kugeln mit kleine- rem Halbmesser wickeln lassen, aber mehr als einmal herumreichen. Die Flächen mit kleinerem positiven Krümmungsmass wird man erhalten, Mathem. Classe. XIII. T

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Zitationshilfe: Riemann, Bernhard: Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. In: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 13 (1868), S. 133-150, hier S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riemann_hypothesen_1867/20>, abgerufen am 19.03.2024.