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Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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majestätische Stier, mit dem herabhangenden Halse und dem mächtigen Nacken, hinter ihm her die ganze Heerde, deren Glocken läuten, die Leute bleiben stehen und fragen: Wem gehört denn das Vieh? -- Dem Martin Reiser! antwortet der peitschende Hirte; drüben pirscht er selbst in seinem Busch, während die Aexte der Holzmacher den stillen Wald durchhallen -- unten rauscht sein Bach, in welchem seine Kinder fischen, am Bache seine schöne, weiße Mühle aus welcher Trude eben, mit Mehl bestäubt, aber um so schöner hervortritt -- o, welche Zukunft! -- Kehren wir zu Sommer Hans zurück. Trude schläft bereits, heute hat sie vergessen, den Riegel vorzuschieben, so sehr war sie ermüdet und aufgeregt. Hans dreht sich in seinem Bette hin und her und kann nicht schlafen, draußen heulen die Katzen, daß ihm die Haare zu Berge stehen, er schaut zum Fenster hinaus, ihm ist's, als züngelten Flammen aus der Mühle unten, er reißt das Fenster auf, die Nachtluft strömt kalt herein, Alles ist still und dunkel, er hört den Bach rauschen, schließt beruhigter das Fenster und steigt wieder ins Bett. Jetzt glaubt er in der Stube drinnen Geräusch zu hören, er geht an die Thür und horcht, er versucht diese leise zu öffnen, es geht, sie hat diesmal zu schließen vergessen -- oder hat sie's geflissentlich gethan? horch! sie spricht wieder einmal aus dem Schlafe, er bleibt wie eingewurzelt stehen, sie schreit: Martin! Martin! hinter der Hecke! hinter der Hecke! -- Sommer wankt in seine Kammer zurück, macht Licht, nimmt die

majestätische Stier, mit dem herabhangenden Halse und dem mächtigen Nacken, hinter ihm her die ganze Heerde, deren Glocken läuten, die Leute bleiben stehen und fragen: Wem gehört denn das Vieh? — Dem Martin Reiser! antwortet der peitschende Hirte; drüben pirscht er selbst in seinem Busch, während die Aexte der Holzmacher den stillen Wald durchhallen — unten rauscht sein Bach, in welchem seine Kinder fischen, am Bache seine schöne, weiße Mühle aus welcher Trude eben, mit Mehl bestäubt, aber um so schöner hervortritt — o, welche Zukunft! — Kehren wir zu Sommer Hans zurück. Trude schläft bereits, heute hat sie vergessen, den Riegel vorzuschieben, so sehr war sie ermüdet und aufgeregt. Hans dreht sich in seinem Bette hin und her und kann nicht schlafen, draußen heulen die Katzen, daß ihm die Haare zu Berge stehen, er schaut zum Fenster hinaus, ihm ist's, als züngelten Flammen aus der Mühle unten, er reißt das Fenster auf, die Nachtluft strömt kalt herein, Alles ist still und dunkel, er hört den Bach rauschen, schließt beruhigter das Fenster und steigt wieder ins Bett. Jetzt glaubt er in der Stube drinnen Geräusch zu hören, er geht an die Thür und horcht, er versucht diese leise zu öffnen, es geht, sie hat diesmal zu schließen vergessen — oder hat sie's geflissentlich gethan? horch! sie spricht wieder einmal aus dem Schlafe, er bleibt wie eingewurzelt stehen, sie schreit: Martin! Martin! hinter der Hecke! hinter der Hecke! — Sommer wankt in seine Kammer zurück, macht Licht, nimmt die

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[0046] majestätische Stier, mit dem herabhangenden Halse und dem mächtigen Nacken, hinter ihm her die ganze Heerde, deren Glocken läuten, die Leute bleiben stehen und fragen: Wem gehört denn das Vieh? — Dem Martin Reiser! antwortet der peitschende Hirte; drüben pirscht er selbst in seinem Busch, während die Aexte der Holzmacher den stillen Wald durchhallen — unten rauscht sein Bach, in welchem seine Kinder fischen, am Bache seine schöne, weiße Mühle aus welcher Trude eben, mit Mehl bestäubt, aber um so schöner hervortritt — o, welche Zukunft! — Kehren wir zu Sommer Hans zurück. Trude schläft bereits, heute hat sie vergessen, den Riegel vorzuschieben, so sehr war sie ermüdet und aufgeregt. Hans dreht sich in seinem Bette hin und her und kann nicht schlafen, draußen heulen die Katzen, daß ihm die Haare zu Berge stehen, er schaut zum Fenster hinaus, ihm ist's, als züngelten Flammen aus der Mühle unten, er reißt das Fenster auf, die Nachtluft strömt kalt herein, Alles ist still und dunkel, er hört den Bach rauschen, schließt beruhigter das Fenster und steigt wieder ins Bett. Jetzt glaubt er in der Stube drinnen Geräusch zu hören, er geht an die Thür und horcht, er versucht diese leise zu öffnen, es geht, sie hat diesmal zu schließen vergessen — oder hat sie's geflissentlich gethan? horch! sie spricht wieder einmal aus dem Schlafe, er bleibt wie eingewurzelt stehen, sie schreit: Martin! Martin! hinter der Hecke! hinter der Hecke! — Sommer wankt in seine Kammer zurück, macht Licht, nimmt die

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

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Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/46>, abgerufen am 24.04.2024.