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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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Glasmaler Alexander Linnemann ausgeführt, der hiermit die höchste
Leistungsfähigkeit der deutschen Glasmalerei repräsentirt. Vor dem
Wappenfenster theilt sich die Treppe in zwei Arme und führt zu
den Portalen Preussen und Bayern, die zu den Räumen des Bundes¬
rathes und zur Wandelhalle den Eingang gewähren. An der Vierung
des dreiarmigen Tonnengewölbes stützen Putten in spielender Grazie
die zusammenstossenden Theile des Gewölbes, die Wandflächen weisen
vier grosse Nischen auf und über diesen ragen monumentale Köpfe
in den Raum hinein, die Eintracht und Gerechtigkeit, die Stärke und
Weisheit verkörpernd. Doch an den beiden Portalen ist die höchste
Steigerung des ornamentalen Schmucks inscenirt. Bis zur halben
Höhe der Portalpforten erheben sich reichgezierte Säulen als Posta¬
mente für die beiden weiblichen Figuren, in welchen die Art der
dominirenden deutschen Königreiche gekennzeichnet wird. Preussen
ruht auf den beiden Begriffen der Stärke und der Staatsklugheit und
Bayerns Zierden sind die Eintracht und Gerechtigkeit. Im Portal
Preussen kommt eine strenge Grösse, eine dräuende Wucht zum
Ausdruck. Das über dem Thürsturz emporgehobene breit ausladende
Gesims wird von dem Haupt des männermordenden Ares getragen
und so erscheint die über dem Kriegsgott thronende Borussia mit
dem Lictorenbündel als die Exekutivgewalt des Reiches, während
die anmuthumwobene Bavaria, die dem Haupt der Pallas Athene
entsprossen, die friedliche Arbeit mit einer Kranzspende lohnt. Und
über den Portalen ragen bis zum Scheitel der Wölbung die Monu¬
mentalwappen der beiden Staaten empor, dasjenige Preussens von
den keulenbewehrten wilden Männern mit dem Attribut des Löwen¬
fells flankirt, und das Wappen Bayerns halten die aufrechten Löwen.
Aus den Voluten der Wappen quellen üppige Fruchtgewinde hervor,
und ähnliches Schmuckwerk erfüllt den Portalfries. Die Bildhauer¬
arbeiten in der Südvorhalle sind von A. Vogel, einem jungen süd¬
deutschen Künstler, gefertigt, der überall kongenial auf die Intentionen
Wallot's eingegangen ist und an dieser wie an vielen andern Stellen
des Hauses Meisterwerke von bleibendem Werthe geschaffen hat.

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Glasmaler Alexander Linnemann ausgeführt, der hiermit die höchste
Leistungsfähigkeit der deutschen Glasmalerei repräsentirt. Vor dem
Wappenfenster theilt sich die Treppe in zwei Arme und führt zu
den Portalen Preussen und Bayern, die zu den Räumen des Bundes¬
rathes und zur Wandelhalle den Eingang gewähren. An der Vierung
des dreiarmigen Tonnengewölbes stützen Putten in spielender Grazie
die zusammenstossenden Theile des Gewölbes, die Wandflächen weisen
vier grosse Nischen auf und über diesen ragen monumentale Köpfe
in den Raum hinein, die Eintracht und Gerechtigkeit, die Stärke und
Weisheit verkörpernd. Doch an den beiden Portalen ist die höchste
Steigerung des ornamentalen Schmucks inscenirt. Bis zur halben
Höhe der Portalpforten erheben sich reichgezierte Säulen als Posta¬
mente für die beiden weiblichen Figuren, in welchen die Art der
dominirenden deutschen Königreiche gekennzeichnet wird. Preussen
ruht auf den beiden Begriffen der Stärke und der Staatsklugheit und
Bayerns Zierden sind die Eintracht und Gerechtigkeit. Im Portal
Preussen kommt eine strenge Grösse, eine dräuende Wucht zum
Ausdruck. Das über dem Thürsturz emporgehobene breit ausladende
Gesims wird von dem Haupt des männermordenden Ares getragen
und so erscheint die über dem Kriegsgott thronende Borussia mit
dem Lictorenbündel als die Exekutivgewalt des Reiches, während
die anmuthumwobene Bavaria, die dem Haupt der Pallas Athene
entsprossen, die friedliche Arbeit mit einer Kranzspende lohnt. Und
über den Portalen ragen bis zum Scheitel der Wölbung die Monu¬
mentalwappen der beiden Staaten empor, dasjenige Preussens von
den keulenbewehrten wilden Männern mit dem Attribut des Löwen¬
fells flankirt, und das Wappen Bayerns halten die aufrechten Löwen.
Aus den Voluten der Wappen quellen üppige Fruchtgewinde hervor,
und ähnliches Schmuckwerk erfüllt den Portalfries. Die Bildhauer¬
arbeiten in der Südvorhalle sind von A. Vogel, einem jungen süd¬
deutschen Künstler, gefertigt, der überall kongenial auf die Intentionen
Wallot's eingegangen ist und an dieser wie an vielen andern Stellen
des Hauses Meisterwerke von bleibendem Werthe geschaffen hat.

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[33/0039] Glasmaler Alexander Linnemann ausgeführt, der hiermit die höchste Leistungsfähigkeit der deutschen Glasmalerei repräsentirt. Vor dem Wappenfenster theilt sich die Treppe in zwei Arme und führt zu den Portalen Preussen und Bayern, die zu den Räumen des Bundes¬ rathes und zur Wandelhalle den Eingang gewähren. An der Vierung des dreiarmigen Tonnengewölbes stützen Putten in spielender Grazie die zusammenstossenden Theile des Gewölbes, die Wandflächen weisen vier grosse Nischen auf und über diesen ragen monumentale Köpfe in den Raum hinein, die Eintracht und Gerechtigkeit, die Stärke und Weisheit verkörpernd. Doch an den beiden Portalen ist die höchste Steigerung des ornamentalen Schmucks inscenirt. Bis zur halben Höhe der Portalpforten erheben sich reichgezierte Säulen als Posta¬ mente für die beiden weiblichen Figuren, in welchen die Art der dominirenden deutschen Königreiche gekennzeichnet wird. Preussen ruht auf den beiden Begriffen der Stärke und der Staatsklugheit und Bayerns Zierden sind die Eintracht und Gerechtigkeit. Im Portal Preussen kommt eine strenge Grösse, eine dräuende Wucht zum Ausdruck. Das über dem Thürsturz emporgehobene breit ausladende Gesims wird von dem Haupt des männermordenden Ares getragen und so erscheint die über dem Kriegsgott thronende Borussia mit dem Lictorenbündel als die Exekutivgewalt des Reiches, während die anmuthumwobene Bavaria, die dem Haupt der Pallas Athene entsprossen, die friedliche Arbeit mit einer Kranzspende lohnt. Und über den Portalen ragen bis zum Scheitel der Wölbung die Monu¬ mentalwappen der beiden Staaten empor, dasjenige Preussens von den keulenbewehrten wilden Männern mit dem Attribut des Löwen¬ fells flankirt, und das Wappen Bayerns halten die aufrechten Löwen. Aus den Voluten der Wappen quellen üppige Fruchtgewinde hervor, und ähnliches Schmuckwerk erfüllt den Portalfries. Die Bildhauer¬ arbeiten in der Südvorhalle sind von A. Vogel, einem jungen süd¬ deutschen Künstler, gefertigt, der überall kongenial auf die Intentionen Wallot's eingegangen ist und an dieser wie an vielen andern Stellen des Hauses Meisterwerke von bleibendem Werthe geschaffen hat. 3

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/39>, abgerufen am 23.04.2024.