Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Anweisung gemäss einen schlanken Kuppelbau, der von dem ursprüng¬
lichen über dem Sitzungssaal gründlich abwich. Jetzt endlich, am
5. Dezember 1883, konnte die kaiserliche Zustimmung zu der allseitig
durchgebildeten Grundlage für die Bauausführung eingeholt werden.
Am 9. Juni 1884 fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Doch
im weiteren Verlauf der Arbeiten mussten noch zwei strittige Punkte
erledigt werden. Gegen den zweiten Kuppelentwurf sprachen schwere
Bedenken. Wallot kam je länger je mehr zu der Ueberzeugung,
dass das dominirende Bauglied des Hauses einzig und allein über
dem grossen Sitzungssaal, dem wichtigsten Raum in dem Bauorganis¬
mus, eine Berechtigung habe. Nach zwei Jahre langen Bemühungen
gelang es Wallot, nachdem das Problem eines aus Eisen und Glas
konstruirten Saalüberbaues den Beifall der Sachkenner sich errungen,
die Kuppelfrage endgültig in einer würdigen Weise zu lösen. Die
Entscheidung fiel am 13. Januar 1890. In demselben Jahre beschloss
die Reichstagsbau-Kommission, die von Wallot geforderte Bekleidung
der grossen Wandelhalle mit istrischem Kalkstein abzulehnen. Es
handelte sich hierbei vornehmlich um die Beschleunigung der Bau¬
ausführung, an Stelle des echten Materials wurde ein künstlicher
Inkrustatstein vorgeschlagen. Gegen diese Verleugnung eines der
vornehmsten baukünstlerischen Principien erhob sich aus allen Theilen
Deutschlands ein lebhafter Protest. Doch der Reichstag entschied
sich in der stürmischen Sitzung am 9. Mai 1891 zu Gunsten des
Surrogat-Materials.

Als die Gerüste vor den Facaden fielen und der innere Ausbau
mehr und mehr der Vollendung entgegenging, wurde dem Erbauer
des Reichstagshauses eine reiche Fülle der ehrenvollsten Anerkennung
zu Theil. Mit freudigem Staunen blickte das deutsche Volk auf die
zu so herrlicher Vollendung gediehene Grossthat der vaterländischen
Kunst, als am 5. December 1894 in der Wandelhalle die feierliche
Schlusssteinlegung vollzogen wurde. Die tiefen Eindrücke, welche
das Bauwerk hervorruft, finden in den Wallot erwiesenen Aus¬
zeichnungen ein getreues Echo. Dass die hessische Universität Giessen

Anweisung gemäss einen schlanken Kuppelbau, der von dem ursprüng¬
lichen über dem Sitzungssaal gründlich abwich. Jetzt endlich, am
5. Dezember 1883, konnte die kaiserliche Zustimmung zu der allseitig
durchgebildeten Grundlage für die Bauausführung eingeholt werden.
Am 9. Juni 1884 fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Doch
im weiteren Verlauf der Arbeiten mussten noch zwei strittige Punkte
erledigt werden. Gegen den zweiten Kuppelentwurf sprachen schwere
Bedenken. Wallot kam je länger je mehr zu der Ueberzeugung,
dass das dominirende Bauglied des Hauses einzig und allein über
dem grossen Sitzungssaal, dem wichtigsten Raum in dem Bauorganis¬
mus, eine Berechtigung habe. Nach zwei Jahre langen Bemühungen
gelang es Wallot, nachdem das Problem eines aus Eisen und Glas
konstruirten Saalüberbaues den Beifall der Sachkenner sich errungen,
die Kuppelfrage endgültig in einer würdigen Weise zu lösen. Die
Entscheidung fiel am 13. Januar 1890. In demselben Jahre beschloss
die Reichstagsbau-Kommission, die von Wallot geforderte Bekleidung
der grossen Wandelhalle mit istrischem Kalkstein abzulehnen. Es
handelte sich hierbei vornehmlich um die Beschleunigung der Bau¬
ausführung, an Stelle des echten Materials wurde ein künstlicher
Inkrustatstein vorgeschlagen. Gegen diese Verleugnung eines der
vornehmsten baukünstlerischen Principien erhob sich aus allen Theilen
Deutschlands ein lebhafter Protest. Doch der Reichstag entschied
sich in der stürmischen Sitzung am 9. Mai 1891 zu Gunsten des
Surrogat-Materials.

Als die Gerüste vor den Façaden fielen und der innere Ausbau
mehr und mehr der Vollendung entgegenging, wurde dem Erbauer
des Reichstagshauses eine reiche Fülle der ehrenvollsten Anerkennung
zu Theil. Mit freudigem Staunen blickte das deutsche Volk auf die
zu so herrlicher Vollendung gediehene Grossthat der vaterländischen
Kunst, als am 5. December 1894 in der Wandelhalle die feierliche
Schlusssteinlegung vollzogen wurde. Die tiefen Eindrücke, welche
das Bauwerk hervorruft, finden in den Wallot erwiesenen Aus¬
zeichnungen ein getreues Echo. Dass die hessische Universität Giessen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="11"/>
Anweisung gemäss einen schlanken Kuppelbau, der von dem ursprüng¬<lb/>
lichen über dem Sitzungssaal gründlich abwich. Jetzt endlich, am<lb/>
5. Dezember 1883, konnte die kaiserliche Zustimmung zu der allseitig<lb/>
durchgebildeten Grundlage für die Bauausführung eingeholt werden.<lb/>
Am 9. Juni 1884 fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Doch<lb/>
im weiteren Verlauf der Arbeiten mussten noch zwei strittige Punkte<lb/>
erledigt werden. Gegen den zweiten Kuppelentwurf sprachen schwere<lb/>
Bedenken. <hi rendition="#k">Wallot</hi> kam je länger je mehr zu der Ueberzeugung,<lb/>
dass das dominirende Bauglied des Hauses einzig und allein über<lb/>
dem grossen Sitzungssaal, dem wichtigsten Raum in dem Bauorganis¬<lb/>
mus, eine Berechtigung habe. Nach zwei Jahre langen Bemühungen<lb/>
gelang es <hi rendition="#k">Wallot</hi>, nachdem das Problem eines aus Eisen und Glas<lb/>
konstruirten Saalüberbaues den Beifall der Sachkenner sich errungen,<lb/>
die Kuppelfrage endgültig in einer würdigen Weise zu lösen. Die<lb/>
Entscheidung fiel am 13. Januar 1890. In demselben Jahre beschloss<lb/>
die Reichstagsbau-Kommission, die von <hi rendition="#k">Wallot</hi> geforderte Bekleidung<lb/>
der grossen Wandelhalle mit istrischem Kalkstein abzulehnen. Es<lb/>
handelte sich hierbei vornehmlich um die Beschleunigung der Bau¬<lb/>
ausführung, an Stelle des echten Materials wurde ein künstlicher<lb/>
Inkrustatstein vorgeschlagen. Gegen diese Verleugnung eines der<lb/>
vornehmsten baukünstlerischen Principien erhob sich aus allen Theilen<lb/>
Deutschlands ein lebhafter Protest. Doch der Reichstag entschied<lb/>
sich in der stürmischen Sitzung am 9. Mai 1891 zu Gunsten des<lb/>
Surrogat-Materials.</p><lb/>
        <p>Als die Gerüste vor den Façaden fielen und der innere Ausbau<lb/>
mehr und mehr der Vollendung entgegenging, wurde dem Erbauer<lb/>
des Reichstagshauses eine reiche Fülle der ehrenvollsten Anerkennung<lb/>
zu Theil. Mit freudigem Staunen blickte das deutsche Volk auf die<lb/>
zu so herrlicher Vollendung gediehene Grossthat der vaterländischen<lb/>
Kunst, als am 5. December 1894 in der Wandelhalle die feierliche<lb/>
Schlusssteinlegung vollzogen wurde. Die tiefen Eindrücke, welche<lb/>
das Bauwerk hervorruft, finden in den <hi rendition="#k">Wallot</hi> erwiesenen Aus¬<lb/>
zeichnungen ein getreues Echo. Dass die hessische Universität Giessen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0017] Anweisung gemäss einen schlanken Kuppelbau, der von dem ursprüng¬ lichen über dem Sitzungssaal gründlich abwich. Jetzt endlich, am 5. Dezember 1883, konnte die kaiserliche Zustimmung zu der allseitig durchgebildeten Grundlage für die Bauausführung eingeholt werden. Am 9. Juni 1884 fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Doch im weiteren Verlauf der Arbeiten mussten noch zwei strittige Punkte erledigt werden. Gegen den zweiten Kuppelentwurf sprachen schwere Bedenken. Wallot kam je länger je mehr zu der Ueberzeugung, dass das dominirende Bauglied des Hauses einzig und allein über dem grossen Sitzungssaal, dem wichtigsten Raum in dem Bauorganis¬ mus, eine Berechtigung habe. Nach zwei Jahre langen Bemühungen gelang es Wallot, nachdem das Problem eines aus Eisen und Glas konstruirten Saalüberbaues den Beifall der Sachkenner sich errungen, die Kuppelfrage endgültig in einer würdigen Weise zu lösen. Die Entscheidung fiel am 13. Januar 1890. In demselben Jahre beschloss die Reichstagsbau-Kommission, die von Wallot geforderte Bekleidung der grossen Wandelhalle mit istrischem Kalkstein abzulehnen. Es handelte sich hierbei vornehmlich um die Beschleunigung der Bau¬ ausführung, an Stelle des echten Materials wurde ein künstlicher Inkrustatstein vorgeschlagen. Gegen diese Verleugnung eines der vornehmsten baukünstlerischen Principien erhob sich aus allen Theilen Deutschlands ein lebhafter Protest. Doch der Reichstag entschied sich in der stürmischen Sitzung am 9. Mai 1891 zu Gunsten des Surrogat-Materials. Als die Gerüste vor den Façaden fielen und der innere Ausbau mehr und mehr der Vollendung entgegenging, wurde dem Erbauer des Reichstagshauses eine reiche Fülle der ehrenvollsten Anerkennung zu Theil. Mit freudigem Staunen blickte das deutsche Volk auf die zu so herrlicher Vollendung gediehene Grossthat der vaterländischen Kunst, als am 5. December 1894 in der Wandelhalle die feierliche Schlusssteinlegung vollzogen wurde. Die tiefen Eindrücke, welche das Bauwerk hervorruft, finden in den Wallot erwiesenen Aus¬ zeichnungen ein getreues Echo. Dass die hessische Universität Giessen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/17
Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/17>, abgerufen am 20.04.2024.