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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Italienischer Krieg im J. 1528.
Es schien ihm höchst gefährlich, daß der Kaiser zugleich
Mailand und Neapel besitzen solle; 1 dann werde er doch
"Herr aller Dinge" seyn. Jede Begünstigung der Feinde
des Kaisers werde sein Haupt unter das Beil bringen.
Aber fast noch mehr verstimmten ihn die Schritte der Liga.
Als ihn die Franzosen aufforde[r]ten, die Liga wie sie nunmehr
war zu bestätigen, sich zu ihr zu bekennen, entgegnete er,
es sey ein sonderbarer Vorschlag, daß er das billigen, dem
beitreten solle, was gegen ihn gethan sey. In Florenz habe
man seine Familie zu Grunde gerichtet, Ferrara befehde ihn
jeden Augenblick, dennoch solle er sich mit ihnen verbünden.

Die Franzosen sagten ihm, sie seyen entschlossen, dem
Kaiser nicht allein Mailand sondern auch Neapel zu ent-
reißen, und die Verfügung über Neapel ganz in des Pap-
stes Willen zu stellen. Sie fragten ihn, ob er sich wenig-
stens dann erklären wolle, wenn Lautrec in Neapel einge-
drungen sey und die Feinde von da verjagt habe. Der
Papst vermied sich bestimmt zu äußern, doch sah man an
seinen Gebehrden, daß er es auch dann nur unter gewis-
sen Bedingungen thun werde. 2

Alles kam nun zunächst auf den Ausgang der fran-
zösischen Unternehmung, auf das Glück der Waffen an.


1 Literae Gregorii de Cassellis bei Fiddes Life of Wolsey
p. 467. Et cum ei persuasissem, ut nihil dubitaret, et quod to-
tum se rejiceret in manus regiae majestatis et rev. D. Legati,
dixit se ita velle facere et quod in eorum brachia se et omnia
sua remittat. Et caput jam ponit sub supplicio, nisi a regia Ma-
jestate adjuvetur. Si Caesar permittatur aliquid possidere in Ita-
lia praeterquam in regno Neapolitano, omnium rerum semper erit
dominus, nisi mature confundatur:
man sieht er war noch der Mei-
nung, daß dem Kaiser Mailand zum Heile des röm. Stuhls entris-
sen werden müsse.
2 Nicolas Raince au Grandmaitre 28 Janv. 1528 MS. Bethune 8534.

Italieniſcher Krieg im J. 1528.
Es ſchien ihm höchſt gefährlich, daß der Kaiſer zugleich
Mailand und Neapel beſitzen ſolle; 1 dann werde er doch
„Herr aller Dinge“ ſeyn. Jede Begünſtigung der Feinde
des Kaiſers werde ſein Haupt unter das Beil bringen.
Aber faſt noch mehr verſtimmten ihn die Schritte der Liga.
Als ihn die Franzoſen aufforde[r]ten, die Liga wie ſie nunmehr
war zu beſtätigen, ſich zu ihr zu bekennen, entgegnete er,
es ſey ein ſonderbarer Vorſchlag, daß er das billigen, dem
beitreten ſolle, was gegen ihn gethan ſey. In Florenz habe
man ſeine Familie zu Grunde gerichtet, Ferrara befehde ihn
jeden Augenblick, dennoch ſolle er ſich mit ihnen verbünden.

Die Franzoſen ſagten ihm, ſie ſeyen entſchloſſen, dem
Kaiſer nicht allein Mailand ſondern auch Neapel zu ent-
reißen, und die Verfügung über Neapel ganz in des Pap-
ſtes Willen zu ſtellen. Sie fragten ihn, ob er ſich wenig-
ſtens dann erklären wolle, wenn Lautrec in Neapel einge-
drungen ſey und die Feinde von da verjagt habe. Der
Papſt vermied ſich beſtimmt zu äußern, doch ſah man an
ſeinen Gebehrden, daß er es auch dann nur unter gewiſ-
ſen Bedingungen thun werde. 2

Alles kam nun zunächſt auf den Ausgang der fran-
zöſiſchen Unternehmung, auf das Glück der Waffen an.


1 Literae Gregorii de Cassellis bei Fiddes Life of Wolsey
p. 467. Et cum ei persuasissem, ut nihil dubitaret, et quod to-
tum se rejiceret in manus regiae majestatis et rev. D. Legati,
dixit se ita velle facere et quod in eorum brachia se et omnia
sua remittat. Et caput jam ponit sub supplicio, nisi a regia Ma-
jestate adjuvetur. Si Caesar permittatur aliquid possidere in Ita-
lia praeterquam in regno Neapolitano, omnium rerum semper erit
dominus, nisi mature confundatur:
man ſieht er war noch der Mei-
nung, daß dem Kaiſer Mailand zum Heile des roͤm. Stuhls entriſ-
ſen werden muͤſſe.
2 Nicolas Raince au Grandmaitre 28 Janv. 1528 MS. Bethune 8534.
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[23/0039] Italieniſcher Krieg im J. 1528. Es ſchien ihm höchſt gefährlich, daß der Kaiſer zugleich Mailand und Neapel beſitzen ſolle; 1 dann werde er doch „Herr aller Dinge“ ſeyn. Jede Begünſtigung der Feinde des Kaiſers werde ſein Haupt unter das Beil bringen. Aber faſt noch mehr verſtimmten ihn die Schritte der Liga. Als ihn die Franzoſen aufforderten, die Liga wie ſie nunmehr war zu beſtätigen, ſich zu ihr zu bekennen, entgegnete er, es ſey ein ſonderbarer Vorſchlag, daß er das billigen, dem beitreten ſolle, was gegen ihn gethan ſey. In Florenz habe man ſeine Familie zu Grunde gerichtet, Ferrara befehde ihn jeden Augenblick, dennoch ſolle er ſich mit ihnen verbünden. Die Franzoſen ſagten ihm, ſie ſeyen entſchloſſen, dem Kaiſer nicht allein Mailand ſondern auch Neapel zu ent- reißen, und die Verfügung über Neapel ganz in des Pap- ſtes Willen zu ſtellen. Sie fragten ihn, ob er ſich wenig- ſtens dann erklären wolle, wenn Lautrec in Neapel einge- drungen ſey und die Feinde von da verjagt habe. Der Papſt vermied ſich beſtimmt zu äußern, doch ſah man an ſeinen Gebehrden, daß er es auch dann nur unter gewiſ- ſen Bedingungen thun werde. 2 Alles kam nun zunächſt auf den Ausgang der fran- zöſiſchen Unternehmung, auf das Glück der Waffen an. 1 Literae Gregorii de Cassellis bei Fiddes Life of Wolsey p. 467. Et cum ei persuasissem, ut nihil dubitaret, et quod to- tum se rejiceret in manus regiae majestatis et rev. D. Legati, dixit se ita velle facere et quod in eorum brachia se et omnia sua remittat. Et caput jam ponit sub supplicio, nisi a regia Ma- jestate adjuvetur. Si Caesar permittatur aliquid possidere in Ita- lia praeterquam in regno Neapolitano, omnium rerum semper erit dominus, nisi mature confundatur: man ſieht er war noch der Mei- nung, daß dem Kaiſer Mailand zum Heile des roͤm. Stuhls entriſ- ſen werden muͤſſe. 2 Nicolas Raince au Grandmaitre 28 Janv. 1528 MS. Bethune 8534.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/39>, abgerufen am 18.04.2024.