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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Erstes Capitel.

Die Leidenschaft, welche der König indeß für ein Hoffräu-
lein seiner Gemahlin, Anna Boleyn faßte, kam Wolsey zu Stat-
ten, doch lag sie nicht in seinem Plan. Er hätte lieber eine fran-
zösische Verwandtschaft an die Stelle der spanischen gesetzt.
Als er in Amiens war, sagte er der Mutter des Königs, wenn
sie noch Ein Jahr lebe, werde sie eine ewige Verbindung
Englands mit der einen, der französischen und eine eben
so vollkommene Trennung von der andern Seite erleben.
Er drückte sich noch geheimnißvoll aus: er bat sie, seine
Worte im Gedächtniß zu behalten, er werde sie zu seiner
Zeit daran erinnern.

In dieser Stimmung kamen ihm die Entzweiungen
des Papstes mit dem Kaiser eben erwünscht; in dieser Ab-
sicht beförderte er die neue Allianz und die italienische Un-
ternehmung.

Man kann aber denken, wie ein Plan ein Verfahren
dieser Art nun auf den Kaiser zurückwirken mußte und eine
Bemerkung dringt sich uns auf, die wohl sehr paradox lautet,
aber wenn wir nicht irren eine einleuchtende Wahrheit hat.

Jedermann weiß und wir werden öfter davon zu hören

tobre 1528. Wolsey klagt über einige Maaßregeln der Franzosen,
aus denen erfolgt sey: totale alienation de Nre dit St. Pere avec
rompture dudit mariage
(der Unterhandlung über die Ehesache).
La quelle rompture encore, que la perte de Nre dit St. pere ne
soit pour rien comptee, est de telle importance, ce dit mon dit
Seigneur Legat
(Wolsey), que tout homme en pourra juger, qui
saura, que les premiers termes du divorce ont ete

mis par luy en avant, afin de mettre perpetuelle separation entre
les maisons d'Angleterre et de Bourgogne.
Schon abgedruckt in
Le Grand: Histoire du divorce III, p. 185. Ich habe die Hand-
schrift (Depesches de Messire J. du Bellay Königl. Bibl. zu Pa-
ris Colbert Vc 468) welche Le Grand benutzt neuerdings durchgesehn
und noch manchen neuen Moment darin gefunden.
Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.

Die Leidenſchaft, welche der König indeß für ein Hoffräu-
lein ſeiner Gemahlin, Anna Boleyn faßte, kam Wolſey zu Stat-
ten, doch lag ſie nicht in ſeinem Plan. Er hätte lieber eine fran-
zöſiſche Verwandtſchaft an die Stelle der ſpaniſchen geſetzt.
Als er in Amiens war, ſagte er der Mutter des Königs, wenn
ſie noch Ein Jahr lebe, werde ſie eine ewige Verbindung
Englands mit der einen, der franzöſiſchen und eine eben
ſo vollkommene Trennung von der andern Seite erleben.
Er drückte ſich noch geheimnißvoll aus: er bat ſie, ſeine
Worte im Gedächtniß zu behalten, er werde ſie zu ſeiner
Zeit daran erinnern.

In dieſer Stimmung kamen ihm die Entzweiungen
des Papſtes mit dem Kaiſer eben erwünſcht; in dieſer Ab-
ſicht beförderte er die neue Allianz und die italieniſche Un-
ternehmung.

Man kann aber denken, wie ein Plan ein Verfahren
dieſer Art nun auf den Kaiſer zurückwirken mußte und eine
Bemerkung dringt ſich uns auf, die wohl ſehr paradox lautet,
aber wenn wir nicht irren eine einleuchtende Wahrheit hat.

Jedermann weiß und wir werden öfter davon zu hören

tobre 1528. Wolſey klagt uͤber einige Maaßregeln der Franzoſen,
aus denen erfolgt ſey: totale alienation de Nre dit St. Père avec
rompture dudit mariage
(der Unterhandlung uͤber die Eheſache).
La quelle rompture encore, que la perte de Nre dit St. père ne
soit pour rien comptée, est de telle importance, ce dit mon dit
Seigneur Legat
(Wolſey), que tout homme en pourra juger, qui
saura, que les premiers termes du divorce ont eté

mis par luy en avant, afin de mettre perpetuelle separation entre
les maisons d’Angleterre et de Bourgogne.
Schon abgedruckt in
Le Grand: Histoire du divorce III, p. 185. Ich habe die Hand-
ſchrift (Depesches de Messire J. du Bellay Koͤnigl. Bibl. zu Pa-
ris Colbert Vc 468) welche Le Grand benutzt neuerdings durchgeſehn
und noch manchen neuen Moment darin gefunden.
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[18/0034] Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel. Die Leidenſchaft, welche der König indeß für ein Hoffräu- lein ſeiner Gemahlin, Anna Boleyn faßte, kam Wolſey zu Stat- ten, doch lag ſie nicht in ſeinem Plan. Er hätte lieber eine fran- zöſiſche Verwandtſchaft an die Stelle der ſpaniſchen geſetzt. Als er in Amiens war, ſagte er der Mutter des Königs, wenn ſie noch Ein Jahr lebe, werde ſie eine ewige Verbindung Englands mit der einen, der franzöſiſchen und eine eben ſo vollkommene Trennung von der andern Seite erleben. Er drückte ſich noch geheimnißvoll aus: er bat ſie, ſeine Worte im Gedächtniß zu behalten, er werde ſie zu ſeiner Zeit daran erinnern. In dieſer Stimmung kamen ihm die Entzweiungen des Papſtes mit dem Kaiſer eben erwünſcht; in dieſer Ab- ſicht beförderte er die neue Allianz und die italieniſche Un- ternehmung. Man kann aber denken, wie ein Plan ein Verfahren dieſer Art nun auf den Kaiſer zurückwirken mußte und eine Bemerkung dringt ſich uns auf, die wohl ſehr paradox lautet, aber wenn wir nicht irren eine einleuchtende Wahrheit hat. Jedermann weiß und wir werden öfter davon zu hören 3 3 tobre 1528. Wolſey klagt uͤber einige Maaßregeln der Franzoſen, aus denen erfolgt ſey: totale alienation de Nre dit St. Père avec rompture dudit mariage (der Unterhandlung uͤber die Eheſache). La quelle rompture encore, que la perte de Nre dit St. père ne soit pour rien comptée, est de telle importance, ce dit mon dit Seigneur Legat (Wolſey), que tout homme en pourra juger, qui saura, que les premiers termes du divorce ont eté mis par luy en avant, afin de mettre perpetuelle separation entre les maisons d’Angleterre et de Bourgogne. Schon abgedruckt in Le Grand: Histoire du divorce III, p. 185. Ich habe die Hand- ſchrift (Depesches de Messire J. du Bellay Koͤnigl. Bibl. zu Pa- ris Colbert Vc 468) welche Le Grand benutzt neuerdings durchgeſehn und noch manchen neuen Moment darin gefunden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/34>, abgerufen am 29.03.2024.