Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Absicht Carls V auf den Kirchenstaat.
bemerkt der Berichterstatter "sondern weil er Gewissens-
angst empfand". "Gott wolle nicht," sagte der tapfere
Oberst "daß ich den Leib Gottes gefangen führe". 1

Es ist nicht eben allemal nöthig, daß die Pläne einer
Macht genau bekannt seyen um Widerstand zu erwecken;
dieselbe Möglichkeit, welche auf der einen Seite den Gedan-
ken einer Unternehmung hervorbringt, erzeugt auf der andern
auch die Furcht davor, den Entschluß sich ihr zu widersetzen.

Carl V hatte, wie wir uns erinnern, noch mit den
mächtigsten Feinden zu kämpfen. Die Liga lag noch in
voller ungebrochner Macht gegen ihn zu Felde. So eben
hatte der zweifelhafte Freund, welcher schon in der letzten
Zeit immer zu ihr geneigt, der König von England, sich ihr
auf eine entschiedene Weise genähert. Daß Carl sich weigerte,
denselben an den Vortheilen des Sieges von Pavia Antheil
nehmen zu lassen, oder die Vermählung zu vollziehn, welche
zwischen ihm und der englischen Prinzessin Maria verabredet
worden -- eine Weigerung die sogar, wofür Heinrich sehr
empfindlich war, einen pecuniären Nachtheil einschloß, denn
eine alte Schuld des Kaisers hatte als Mitgift angerech-
net werden sollen -- schien dem König Grund genug sich
gänzlich von dem alten Verbündeten zu trennen. Schon
am 30sten April war ein Bund zwischen Heinrich VIII
und Franz I zu Stande gekommen, als dessen Motiv sie
die gegenseitige Zuneigung nennen, welche ihnen die Na-
tur, die sie an Geist und Körper ähnlich geschaffen, einge-
pflanzt habe und die durch die letzte Unterbrechung guter
Verhältnisse nur um so mehr gewachsen sey. Sie vereini-

1 Schreiben Vereys bei Bucholz p. 110, p. 118.

Abſicht Carls V auf den Kirchenſtaat.
bemerkt der Berichterſtatter „ſondern weil er Gewiſſens-
angſt empfand“. „Gott wolle nicht,“ ſagte der tapfere
Oberſt „daß ich den Leib Gottes gefangen führe“. 1

Es iſt nicht eben allemal nöthig, daß die Pläne einer
Macht genau bekannt ſeyen um Widerſtand zu erwecken;
dieſelbe Möglichkeit, welche auf der einen Seite den Gedan-
ken einer Unternehmung hervorbringt, erzeugt auf der andern
auch die Furcht davor, den Entſchluß ſich ihr zu widerſetzen.

Carl V hatte, wie wir uns erinnern, noch mit den
mächtigſten Feinden zu kämpfen. Die Liga lag noch in
voller ungebrochner Macht gegen ihn zu Felde. So eben
hatte der zweifelhafte Freund, welcher ſchon in der letzten
Zeit immer zu ihr geneigt, der König von England, ſich ihr
auf eine entſchiedene Weiſe genähert. Daß Carl ſich weigerte,
denſelben an den Vortheilen des Sieges von Pavia Antheil
nehmen zu laſſen, oder die Vermählung zu vollziehn, welche
zwiſchen ihm und der engliſchen Prinzeſſin Maria verabredet
worden — eine Weigerung die ſogar, wofür Heinrich ſehr
empfindlich war, einen pecuniären Nachtheil einſchloß, denn
eine alte Schuld des Kaiſers hatte als Mitgift angerech-
net werden ſollen — ſchien dem König Grund genug ſich
gänzlich von dem alten Verbündeten zu trennen. Schon
am 30ſten April war ein Bund zwiſchen Heinrich VIII
und Franz I zu Stande gekommen, als deſſen Motiv ſie
die gegenſeitige Zuneigung nennen, welche ihnen die Na-
tur, die ſie an Geiſt und Körper ähnlich geſchaffen, einge-
pflanzt habe und die durch die letzte Unterbrechung guter
Verhältniſſe nur um ſo mehr gewachſen ſey. Sie vereini-

1 Schreiben Vereys bei Bucholz p. 110, p. 118.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ab&#x017F;icht Carls <hi rendition="#aq">V</hi> auf den Kirchen&#x017F;taat</hi>.</fw><lb/>
bemerkt der Berichter&#x017F;tatter &#x201E;&#x017F;ondern weil er Gewi&#x017F;&#x017F;ens-<lb/>
ang&#x017F;t empfand&#x201C;. &#x201E;Gott wolle nicht,&#x201C; &#x017F;agte der tapfere<lb/>
Ober&#x017F;t &#x201E;daß ich den Leib Gottes gefangen führe&#x201C;. <note place="foot" n="1">Schreiben Vereys bei Bucholz <hi rendition="#aq">p. 110, p. 118.</hi></note></p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t nicht eben allemal nöthig, daß die Pläne einer<lb/>
Macht genau bekannt &#x017F;eyen um Wider&#x017F;tand zu erwecken;<lb/>
die&#x017F;elbe Möglichkeit, welche auf der einen Seite den Gedan-<lb/>
ken einer Unternehmung hervorbringt, erzeugt auf der andern<lb/>
auch die Furcht davor, den Ent&#x017F;chluß &#x017F;ich ihr zu wider&#x017F;etzen.</p><lb/>
          <p>Carl <hi rendition="#aq">V</hi> hatte, wie wir uns erinnern, noch mit den<lb/>
mächtig&#x017F;ten Feinden zu kämpfen. Die Liga lag noch in<lb/>
voller ungebrochner Macht gegen ihn zu Felde. So eben<lb/>
hatte der zweifelhafte Freund, welcher &#x017F;chon in der letzten<lb/>
Zeit immer zu ihr geneigt, der König von England, &#x017F;ich ihr<lb/>
auf eine ent&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e genähert. Daß Carl &#x017F;ich weigerte,<lb/>
den&#x017F;elben an den Vortheilen des Sieges von Pavia Antheil<lb/>
nehmen zu la&#x017F;&#x017F;en, oder die Vermählung zu vollziehn, welche<lb/>
zwi&#x017F;chen ihm und der engli&#x017F;chen Prinze&#x017F;&#x017F;in Maria verabredet<lb/>
worden &#x2014; eine Weigerung die &#x017F;ogar, wofür Heinrich &#x017F;ehr<lb/>
empfindlich war, einen pecuniären Nachtheil ein&#x017F;chloß, denn<lb/>
eine alte Schuld des Kai&#x017F;ers hatte als Mitgift angerech-<lb/>
net werden &#x017F;ollen &#x2014; &#x017F;chien dem König Grund genug &#x017F;ich<lb/>
gänzlich von dem alten Verbündeten zu trennen. Schon<lb/>
am 30&#x017F;ten April war ein Bund zwi&#x017F;chen Heinrich <hi rendition="#aq">VIII</hi><lb/>
und Franz <hi rendition="#aq">I</hi> zu Stande gekommen, als de&#x017F;&#x017F;en Motiv &#x017F;ie<lb/>
die gegen&#x017F;eitige Zuneigung nennen, welche ihnen die Na-<lb/>
tur, die &#x017F;ie an Gei&#x017F;t und Körper ähnlich ge&#x017F;chaffen, einge-<lb/>
pflanzt habe und die durch die letzte Unterbrechung guter<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e nur um &#x017F;o mehr gewach&#x017F;en &#x017F;ey. Sie vereini-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0029] Abſicht Carls V auf den Kirchenſtaat. bemerkt der Berichterſtatter „ſondern weil er Gewiſſens- angſt empfand“. „Gott wolle nicht,“ ſagte der tapfere Oberſt „daß ich den Leib Gottes gefangen führe“. 1 Es iſt nicht eben allemal nöthig, daß die Pläne einer Macht genau bekannt ſeyen um Widerſtand zu erwecken; dieſelbe Möglichkeit, welche auf der einen Seite den Gedan- ken einer Unternehmung hervorbringt, erzeugt auf der andern auch die Furcht davor, den Entſchluß ſich ihr zu widerſetzen. Carl V hatte, wie wir uns erinnern, noch mit den mächtigſten Feinden zu kämpfen. Die Liga lag noch in voller ungebrochner Macht gegen ihn zu Felde. So eben hatte der zweifelhafte Freund, welcher ſchon in der letzten Zeit immer zu ihr geneigt, der König von England, ſich ihr auf eine entſchiedene Weiſe genähert. Daß Carl ſich weigerte, denſelben an den Vortheilen des Sieges von Pavia Antheil nehmen zu laſſen, oder die Vermählung zu vollziehn, welche zwiſchen ihm und der engliſchen Prinzeſſin Maria verabredet worden — eine Weigerung die ſogar, wofür Heinrich ſehr empfindlich war, einen pecuniären Nachtheil einſchloß, denn eine alte Schuld des Kaiſers hatte als Mitgift angerech- net werden ſollen — ſchien dem König Grund genug ſich gänzlich von dem alten Verbündeten zu trennen. Schon am 30ſten April war ein Bund zwiſchen Heinrich VIII und Franz I zu Stande gekommen, als deſſen Motiv ſie die gegenſeitige Zuneigung nennen, welche ihnen die Na- tur, die ſie an Geiſt und Körper ähnlich geſchaffen, einge- pflanzt habe und die durch die letzte Unterbrechung guter Verhältniſſe nur um ſo mehr gewachſen ſey. Sie vereini- 1 Schreiben Vereys bei Bucholz p. 110, p. 118.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/29
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/29>, abgerufen am 20.04.2024.