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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Lage des Protestantismus um das Jahr 1563.
terim, wie er sich ausdrückt, zugestanden werde, wenn man
nicht ein allgemeines Blutbad veranlassen wolle. Kurz dar-
auf erfolgte in der That das Edict vom Januar 1562,
welches dem Protestantismus eine gesetzlich anerkannte
Existenz in Frankreich gewährte, und die Grundlage der
Berechtigungen ist, deren er sich von dem an dort über-
haupt erfreut hat.

Alle diese Veränderungen auf allen Seiten, in Deutsch-
land, Frankreich und England, mußten nun nothwendig auch
auf die Niederlande wirken. Zuerst waren die deutschen Ein-
flüsse vorherrschend gewesen. Unter den Motiven, welche
Carl den V. zu dem schmalkaldischen Kriege bewogen, war
es eines der vornehmsten, daß die Sympathie, welche die
deutschen Protestanten in den Niederlanden erweckten, ihm
die Regierung dieser Provinz, die ein so wichtiges Glied
seiner Monarchie bildete, täglich mehr erschwerte. Indem
er die deutschen Fürsten bezwang, verhütete er zugleich eine
Empörung seiner Niederländer 1). Jedoch alle seine Ge-
setze, obwohl sie mit außerordentlicher Strenge gehandhabt
wurden -- man hat berechnet, daß bis 1560 an 30000
Protestanten hingerichtet worden seyen -- vermochten nicht
den Fortgang der religiösen Meinungen aufzuhalten. Nur
das erfolgte, daß sich diese allmählig mehr der französischen,
calvinistischen, als der deutschen, lutherischen Richtung an-
schlossen. Im Jahre 1561 trat bereits auch hier eine förm-
liche Confession hervor: man richtete Kirchen nach dem
Muster von Genf ein; indem sich die Protestanten mit den

1) Eine, wie mir scheint, sehr wohl begründete Ansicht des da-
maligen florentinischen Residenten am kaiserlichen Hofe.
Päpste* 2

Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
terim, wie er ſich ausdruͤckt, zugeſtanden werde, wenn man
nicht ein allgemeines Blutbad veranlaſſen wolle. Kurz dar-
auf erfolgte in der That das Edict vom Januar 1562,
welches dem Proteſtantismus eine geſetzlich anerkannte
Exiſtenz in Frankreich gewaͤhrte, und die Grundlage der
Berechtigungen iſt, deren er ſich von dem an dort uͤber-
haupt erfreut hat.

Alle dieſe Veraͤnderungen auf allen Seiten, in Deutſch-
land, Frankreich und England, mußten nun nothwendig auch
auf die Niederlande wirken. Zuerſt waren die deutſchen Ein-
fluͤſſe vorherrſchend geweſen. Unter den Motiven, welche
Carl den V. zu dem ſchmalkaldiſchen Kriege bewogen, war
es eines der vornehmſten, daß die Sympathie, welche die
deutſchen Proteſtanten in den Niederlanden erweckten, ihm
die Regierung dieſer Provinz, die ein ſo wichtiges Glied
ſeiner Monarchie bildete, taͤglich mehr erſchwerte. Indem
er die deutſchen Fuͤrſten bezwang, verhuͤtete er zugleich eine
Empoͤrung ſeiner Niederlaͤnder 1). Jedoch alle ſeine Ge-
ſetze, obwohl ſie mit außerordentlicher Strenge gehandhabt
wurden — man hat berechnet, daß bis 1560 an 30000
Proteſtanten hingerichtet worden ſeyen — vermochten nicht
den Fortgang der religioͤſen Meinungen aufzuhalten. Nur
das erfolgte, daß ſich dieſe allmaͤhlig mehr der franzoͤſiſchen,
calviniſtiſchen, als der deutſchen, lutheriſchen Richtung an-
ſchloſſen. Im Jahre 1561 trat bereits auch hier eine foͤrm-
liche Confeſſion hervor: man richtete Kirchen nach dem
Muſter von Genf ein; indem ſich die Proteſtanten mit den

1) Eine, wie mir ſcheint, ſehr wohl begruͤndete Anſicht des da-
maligen florentiniſchen Reſidenten am kaiſerlichen Hofe.
Päpſte* 2
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[17/0029] Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563. terim, wie er ſich ausdruͤckt, zugeſtanden werde, wenn man nicht ein allgemeines Blutbad veranlaſſen wolle. Kurz dar- auf erfolgte in der That das Edict vom Januar 1562, welches dem Proteſtantismus eine geſetzlich anerkannte Exiſtenz in Frankreich gewaͤhrte, und die Grundlage der Berechtigungen iſt, deren er ſich von dem an dort uͤber- haupt erfreut hat. Alle dieſe Veraͤnderungen auf allen Seiten, in Deutſch- land, Frankreich und England, mußten nun nothwendig auch auf die Niederlande wirken. Zuerſt waren die deutſchen Ein- fluͤſſe vorherrſchend geweſen. Unter den Motiven, welche Carl den V. zu dem ſchmalkaldiſchen Kriege bewogen, war es eines der vornehmſten, daß die Sympathie, welche die deutſchen Proteſtanten in den Niederlanden erweckten, ihm die Regierung dieſer Provinz, die ein ſo wichtiges Glied ſeiner Monarchie bildete, taͤglich mehr erſchwerte. Indem er die deutſchen Fuͤrſten bezwang, verhuͤtete er zugleich eine Empoͤrung ſeiner Niederlaͤnder 1). Jedoch alle ſeine Ge- ſetze, obwohl ſie mit außerordentlicher Strenge gehandhabt wurden — man hat berechnet, daß bis 1560 an 30000 Proteſtanten hingerichtet worden ſeyen — vermochten nicht den Fortgang der religioͤſen Meinungen aufzuhalten. Nur das erfolgte, daß ſich dieſe allmaͤhlig mehr der franzoͤſiſchen, calviniſtiſchen, als der deutſchen, lutheriſchen Richtung an- ſchloſſen. Im Jahre 1561 trat bereits auch hier eine foͤrm- liche Confeſſion hervor: man richtete Kirchen nach dem Muſter von Genf ein; indem ſich die Proteſtanten mit den 1) Eine, wie mir ſcheint, ſehr wohl begruͤndete Anſicht des da- maligen florentiniſchen Reſidenten am kaiſerlichen Hofe. Päpſte* 2

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/29>, abgerufen am 28.03.2024.