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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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überhaupt sind alle Kräfte, die bey der Wahrnehmung und Erkenntniß der Form eines Gegenstandes, er mag materiell oder immateriell seyn, in Wirksamkeit gerathen, als Werkzeuge anzusehen, durch deren Mittel wir Bilder und Gefühle des Schönen erhalten.

Das Wohlverhältniß zwischen den Formen der Gegenstände und unserm niedern Wesen beruht auf sehr vielfachen Gründen. Einiges liegt an der unmittelbar wohlthätigen Wirkung der sinnlichen Eindrücke auf unsre Nerven. Einiges an der angenehmen Wirksamkeit, worein unser thierisches Wahrnehmungsvermögen und unsre verkörpernde Phantasie gerathen; einiges endlich an der dunkeln Aufregung unserer niedern Neigungen nach körperlichem, oder wenigstens gegenwärtigem Genuß, nach allmähliger Thätigkeit, und so weiter.

Damit aber das Wohlverhältniß zwischen der Form der Gegenstände und unserm niedern Wesen eine Wollust und Wonne der Beschauung hervorbringe, wird durchaus erfordert, daß es ein Verhältniß aus der Ferne sey, worein beyde mit einander kommen. Denn sobald meine Organe sich dem Körper dergestalt nähern, daß entweder meine Hand sich in die sanfte Oberfläche einlagern will, oder daß mein Gaumen die Speise, die ihn durch das Auge reitzt, überzunehmen trachtet; so gehört die Wollust nicht dem Beschauungshange meines niedern Wesens, sondern seiner Sympathie und Selbstheit. Eben so verhält es sich mit dem thierischen Wahrnehmungsvermögen und der verkörpernden Phantasie. Wenn ich mich darum von der physischen Gegenwart eines Körpers

überhaupt sind alle Kräfte, die bey der Wahrnehmung und Erkenntniß der Form eines Gegenstandes, er mag materiell oder immateriell seyn, in Wirksamkeit gerathen, als Werkzeuge anzusehen, durch deren Mittel wir Bilder und Gefühle des Schönen erhalten.

Das Wohlverhältniß zwischen den Formen der Gegenstände und unserm niedern Wesen beruht auf sehr vielfachen Gründen. Einiges liegt an der unmittelbar wohlthätigen Wirkung der sinnlichen Eindrücke auf unsre Nerven. Einiges an der angenehmen Wirksamkeit, worein unser thierisches Wahrnehmungsvermögen und unsre verkörpernde Phantasie gerathen; einiges endlich an der dunkeln Aufregung unserer niedern Neigungen nach körperlichem, oder wenigstens gegenwärtigem Genuß, nach allmähliger Thätigkeit, und so weiter.

Damit aber das Wohlverhältniß zwischen der Form der Gegenstände und unserm niedern Wesen eine Wollust und Wonne der Beschauung hervorbringe, wird durchaus erfordert, daß es ein Verhältniß aus der Ferne sey, worein beyde mit einander kommen. Denn sobald meine Organe sich dem Körper dergestalt nähern, daß entweder meine Hand sich in die sanfte Oberfläche einlagern will, oder daß mein Gaumen die Speise, die ihn durch das Auge reitzt, überzunehmen trachtet; so gehört die Wollust nicht dem Beschauungshange meines niedern Wesens, sondern seiner Sympathie und Selbstheit. Eben so verhält es sich mit dem thierischen Wahrnehmungsvermögen und der verkörpernden Phantasie. Wenn ich mich darum von der physischen Gegenwart eines Körpers

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[32/0032] überhaupt sind alle Kräfte, die bey der Wahrnehmung und Erkenntniß der Form eines Gegenstandes, er mag materiell oder immateriell seyn, in Wirksamkeit gerathen, als Werkzeuge anzusehen, durch deren Mittel wir Bilder und Gefühle des Schönen erhalten. Das Wohlverhältniß zwischen den Formen der Gegenstände und unserm niedern Wesen beruht auf sehr vielfachen Gründen. Einiges liegt an der unmittelbar wohlthätigen Wirkung der sinnlichen Eindrücke auf unsre Nerven. Einiges an der angenehmen Wirksamkeit, worein unser thierisches Wahrnehmungsvermögen und unsre verkörpernde Phantasie gerathen; einiges endlich an der dunkeln Aufregung unserer niedern Neigungen nach körperlichem, oder wenigstens gegenwärtigem Genuß, nach allmähliger Thätigkeit, und so weiter. Damit aber das Wohlverhältniß zwischen der Form der Gegenstände und unserm niedern Wesen eine Wollust und Wonne der Beschauung hervorbringe, wird durchaus erfordert, daß es ein Verhältniß aus der Ferne sey, worein beyde mit einander kommen. Denn sobald meine Organe sich dem Körper dergestalt nähern, daß entweder meine Hand sich in die sanfte Oberfläche einlagern will, oder daß mein Gaumen die Speise, die ihn durch das Auge reitzt, überzunehmen trachtet; so gehört die Wollust nicht dem Beschauungshange meines niedern Wesens, sondern seiner Sympathie und Selbstheit. Eben so verhält es sich mit dem thierischen Wahrnehmungsvermögen und der verkörpernden Phantasie. Wenn ich mich darum von der physischen Gegenwart eines Körpers

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/32>, abgerufen am 28.03.2024.