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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.
desselben eingeflößet werden muß. Sie erzählt in
einem leichten faßlichen Tone, und da sie mehr erzählt
als darstellt, so behält die Imagination des Mah-
lers freieres Spiel. Die Affekten zu deren Ausdruck
die Begebenheiten, die sie aufgezeichnet hat, Anlaß
geben, sind größtentheils von der Art, daß sie sich
gut mahlen lassen, weil sie mehr die zärtlichen, sanf-
teren Triebe des Herzens die sich gerne mittheilen, als
jene hohen großen Empfindungen zur Grundlage ha-
ben, die mehr concentrisch als excentrisch würken.
Wir haben unstreitig dabei gewonnen, daß nicht der
Tacitus statt der Bibel das Handbuch der Künstler
geworden ist.

Hingeworfe-
ner Vor-
schlag, die
dramatischen
Dichter der
Alten statt
der epischen
zu wählen,
um daraus
Gegenstände
zu Gemähl-
den zu entleh-
nen.

Ich habe mich oft gewundert, daß ein Caylus
und andere Kunstrichter, statt des Homers und an-
derer epischen Dichter, nicht auf die dramatischen,
auf einen Sophocles, Euripides, gefallen sind, um
sie dem Künstler als Vorrathshäuser interessanter
Süjets zu empfehlen. Dichter, welche ihre ganze
Kunst in der Darstellung der Affekte setzen und dabei
die Schilderung des verstärkenden Ausdrucks durch
Gebärden dem Akteur überlassen, scheinen besonders
dazu geschickt, Auftritte für die Mahlerei, die selbst
ein pantomimisches Drama ist, zu liefern.

Doch! ich fühle wohl, daß ich hier mannichfaltige
Einwendungen fürchten muß, welche daher genom-
men werden können, daß der Dichter bei seinen Ak-
teurs hauptsächlich auf Worte rechnet, und daß der
Mahler auf diese gar nicht rechnen soll. Es sey also
nur hingeworfene Idee, die andern zur Prüfung vor-
behalten bleiben mag.

Ich

Pallaſt Giuſtiniani.
deſſelben eingefloͤßet werden muß. Sie erzaͤhlt in
einem leichten faßlichen Tone, und da ſie mehr erzaͤhlt
als darſtellt, ſo behaͤlt die Imagination des Mah-
lers freieres Spiel. Die Affekten zu deren Ausdruck
die Begebenheiten, die ſie aufgezeichnet hat, Anlaß
geben, ſind groͤßtentheils von der Art, daß ſie ſich
gut mahlen laſſen, weil ſie mehr die zaͤrtlichen, ſanf-
teren Triebe des Herzens die ſich gerne mittheilen, als
jene hohen großen Empfindungen zur Grundlage ha-
ben, die mehr concentriſch als excentriſch wuͤrken.
Wir haben unſtreitig dabei gewonnen, daß nicht der
Tacitus ſtatt der Bibel das Handbuch der Kuͤnſtler
geworden iſt.

Hingeworfe-
ner Vor-
ſchlag, die
dramatiſchen
Dichter der
Alten ſtatt
der epiſchen
zu waͤhlen,
um daraus
Gegenſtaͤnde
zu Gemaͤhl-
den zu entleh-
nen.

Ich habe mich oft gewundert, daß ein Caylus
und andere Kunſtrichter, ſtatt des Homers und an-
derer epiſchen Dichter, nicht auf die dramatiſchen,
auf einen Sophocles, Euripides, gefallen ſind, um
ſie dem Kuͤnſtler als Vorrathshaͤuſer intereſſanter
Suͤjets zu empfehlen. Dichter, welche ihre ganze
Kunſt in der Darſtellung der Affekte ſetzen und dabei
die Schilderung des verſtaͤrkenden Ausdrucks durch
Gebaͤrden dem Akteur uͤberlaſſen, ſcheinen beſonders
dazu geſchickt, Auftritte fuͤr die Mahlerei, die ſelbſt
ein pantomimiſches Drama iſt, zu liefern.

Doch! ich fuͤhle wohl, daß ich hier mannichfaltige
Einwendungen fuͤrchten muß, welche daher genom-
men werden koͤnnen, daß der Dichter bei ſeinen Ak-
teurs hauptſaͤchlich auf Worte rechnet, und daß der
Mahler auf dieſe gar nicht rechnen ſoll. Es ſey alſo
nur hingeworfene Idee, die andern zur Pruͤfung vor-
behalten bleiben mag.

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[26/0050] Pallaſt Giuſtiniani. deſſelben eingefloͤßet werden muß. Sie erzaͤhlt in einem leichten faßlichen Tone, und da ſie mehr erzaͤhlt als darſtellt, ſo behaͤlt die Imagination des Mah- lers freieres Spiel. Die Affekten zu deren Ausdruck die Begebenheiten, die ſie aufgezeichnet hat, Anlaß geben, ſind groͤßtentheils von der Art, daß ſie ſich gut mahlen laſſen, weil ſie mehr die zaͤrtlichen, ſanf- teren Triebe des Herzens die ſich gerne mittheilen, als jene hohen großen Empfindungen zur Grundlage ha- ben, die mehr concentriſch als excentriſch wuͤrken. Wir haben unſtreitig dabei gewonnen, daß nicht der Tacitus ſtatt der Bibel das Handbuch der Kuͤnſtler geworden iſt. Ich habe mich oft gewundert, daß ein Caylus und andere Kunſtrichter, ſtatt des Homers und an- derer epiſchen Dichter, nicht auf die dramatiſchen, auf einen Sophocles, Euripides, gefallen ſind, um ſie dem Kuͤnſtler als Vorrathshaͤuſer intereſſanter Suͤjets zu empfehlen. Dichter, welche ihre ganze Kunſt in der Darſtellung der Affekte ſetzen und dabei die Schilderung des verſtaͤrkenden Ausdrucks durch Gebaͤrden dem Akteur uͤberlaſſen, ſcheinen beſonders dazu geſchickt, Auftritte fuͤr die Mahlerei, die ſelbſt ein pantomimiſches Drama iſt, zu liefern. Doch! ich fuͤhle wohl, daß ich hier mannichfaltige Einwendungen fuͤrchten muß, welche daher genom- men werden koͤnnen, daß der Dichter bei ſeinen Ak- teurs hauptſaͤchlich auf Worte rechnet, und daß der Mahler auf dieſe gar nicht rechnen ſoll. Es ſey alſo nur hingeworfene Idee, die andern zur Pruͤfung vor- behalten bleiben mag. Ich

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/50>, abgerufen am 25.04.2024.