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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.
Allegorien weiter nichts als Symbole von abstrakten
Begriffen sind, welche die Seele mit weit größerem
Vergnügen und größerer Leichtigkeit unsinnlich denkt,
oder sinnlich hört, als sinnlich sieht.

Da ich schon an mehreren Orten ausgeführt
habe, unter welchen Bedingungen ich eine Allegorie
für einen schicklichen Gegenstand der Kunst halte, so
will ich hier darüber schweigen. Ich wiederhole nur
kurz, daß der Künstler nicht vergessen muß, daß er
zwar mit unserer Seele, aber nur mit ihren unteren
Kräften redet; daß sobald Ueberlegung, Nachden-
ken und Anstrengung des Witzes erfordert werden,
die Bedeutung des Zeichens zu errathen, dieses auf-
höre, sinnlich zu seyn: und damit würden gerade die
interessantesten Ideen aus der Reihe sichtbarer Dar-
stellungen wegfallen.

Gut! sagen diejenigen, welche so gern bei Kunst-
werken denken, von ihnen etwas lernen wollen: die
sichtbare Darstellung gebe mir nur die Veranlassung,
mich an merkwürdige Thaten und Gesinnungen, an
die meisterhaften Darstellungen derselben durch Dich-
ter und Geschichtschreiber zu erinnern.

Ich, Comtesse de Genlis, möchte gern meinen
Untergebenen die Geschichte durch eine Folge von
Gemählden beibringen, die ihre Hauptbegebenheiten
darstellten: Ich, Graf Caylus und viele Franzosen
und Engelländer vor und nach mir, wir möchten den
ganzen Homer, Virgil und die berühmtesten Dichter
aller Nationen dergestalt in Gemählde gebracht se-
hen, daß, erläuternden Kupferstichen gleich, mit
dem Anblick des Bildes zugleich die Stellen, die

sich
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Pallaſt Giuſtiniani.
Allegorien weiter nichts als Symbole von abſtrakten
Begriffen ſind, welche die Seele mit weit groͤßerem
Vergnuͤgen und groͤßerer Leichtigkeit unſinnlich denkt,
oder ſinnlich hoͤrt, als ſinnlich ſieht.

Da ich ſchon an mehreren Orten ausgefuͤhrt
habe, unter welchen Bedingungen ich eine Allegorie
fuͤr einen ſchicklichen Gegenſtand der Kunſt halte, ſo
will ich hier daruͤber ſchweigen. Ich wiederhole nur
kurz, daß der Kuͤnſtler nicht vergeſſen muß, daß er
zwar mit unſerer Seele, aber nur mit ihren unteren
Kraͤften redet; daß ſobald Ueberlegung, Nachden-
ken und Anſtrengung des Witzes erfordert werden,
die Bedeutung des Zeichens zu errathen, dieſes auf-
hoͤre, ſinnlich zu ſeyn: und damit wuͤrden gerade die
intereſſanteſten Ideen aus der Reihe ſichtbarer Dar-
ſtellungen wegfallen.

Gut! ſagen diejenigen, welche ſo gern bei Kunſt-
werken denken, von ihnen etwas lernen wollen: die
ſichtbare Darſtellung gebe mir nur die Veranlaſſung,
mich an merkwuͤrdige Thaten und Geſinnungen, an
die meiſterhaften Darſtellungen derſelben durch Dich-
ter und Geſchichtſchreiber zu erinnern.

Ich, Comteſſe de Genlis, moͤchte gern meinen
Untergebenen die Geſchichte durch eine Folge von
Gemaͤhlden beibringen, die ihre Hauptbegebenheiten
darſtellten: Ich, Graf Caylus und viele Franzoſen
und Engellaͤnder vor und nach mir, wir moͤchten den
ganzen Homer, Virgil und die beruͤhmteſten Dichter
aller Nationen dergeſtalt in Gemaͤhlde gebracht ſe-
hen, daß, erlaͤuternden Kupferſtichen gleich, mit
dem Anblick des Bildes zugleich die Stellen, die

ſich
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[21/0045] Pallaſt Giuſtiniani. Allegorien weiter nichts als Symbole von abſtrakten Begriffen ſind, welche die Seele mit weit groͤßerem Vergnuͤgen und groͤßerer Leichtigkeit unſinnlich denkt, oder ſinnlich hoͤrt, als ſinnlich ſieht. Da ich ſchon an mehreren Orten ausgefuͤhrt habe, unter welchen Bedingungen ich eine Allegorie fuͤr einen ſchicklichen Gegenſtand der Kunſt halte, ſo will ich hier daruͤber ſchweigen. Ich wiederhole nur kurz, daß der Kuͤnſtler nicht vergeſſen muß, daß er zwar mit unſerer Seele, aber nur mit ihren unteren Kraͤften redet; daß ſobald Ueberlegung, Nachden- ken und Anſtrengung des Witzes erfordert werden, die Bedeutung des Zeichens zu errathen, dieſes auf- hoͤre, ſinnlich zu ſeyn: und damit wuͤrden gerade die intereſſanteſten Ideen aus der Reihe ſichtbarer Dar- ſtellungen wegfallen. Gut! ſagen diejenigen, welche ſo gern bei Kunſt- werken denken, von ihnen etwas lernen wollen: die ſichtbare Darſtellung gebe mir nur die Veranlaſſung, mich an merkwuͤrdige Thaten und Geſinnungen, an die meiſterhaften Darſtellungen derſelben durch Dich- ter und Geſchichtſchreiber zu erinnern. Ich, Comteſſe de Genlis, moͤchte gern meinen Untergebenen die Geſchichte durch eine Folge von Gemaͤhlden beibringen, die ihre Hauptbegebenheiten darſtellten: Ich, Graf Caylus und viele Franzoſen und Engellaͤnder vor und nach mir, wir moͤchten den ganzen Homer, Virgil und die beruͤhmteſten Dichter aller Nationen dergeſtalt in Gemaͤhlde gebracht ſe- hen, daß, erlaͤuternden Kupferſtichen gleich, mit dem Anblick des Bildes zugleich die Stellen, die ſich B 3

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/45>, abgerufen am 24.04.2024.