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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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einundsechzig neigte sich seinem Ende, als sie auf der
alten Köln-Berliner Landstraße zusammentrafen, der
Klosteramtmann von Amelungsborn und sein Haus¬
genosse, der Magister Buchius, der Ex-Kollaborator
am alten Ort der alten Klosterschule.

Der Wind fuhr über die Stoppeln; aber die, welche
das Korn gesäet hatten, hatten es wahrlich, wie gesagt, zum
wenigsten Theil für sich selber geerntet. Die Waldungen
trugen überall Spuren, daß Heereszüge sich ihre Wege
durch sie gebahnt hatten. Ueberall Spuren und Ge¬
denkzeichen, daß schweres Geschütz und Bagagewagen
mit Mühe und Noth über die Straße und durch die
Hohlwege geschleppt worden waren! Zerstampft lagen
die Felder und Wiesen. Kochlöcher waren überall ein¬
gegraben; Aeser von Pferden und krepirtem Schlachtvieh
noch unheimlich häufig unvergraben in den Gräben und
Büschen und an den Wassertümpeln der Verwesung
überlassen. Es war weder für den gelehrten noch den
ökonomischen Mann ein Anblick zum Ergötzen, und sie
machten Beide die Gesichter danach, als sie an diesem
Vierten des Wind- und Reifmonds an einer Wendung
der Straße in der Nähe des Dorfes Regenborn plötz¬
lich vor einander standen.

"Er auch noch hier draußen, Magister?" schnarrte
der Amtmann, sein spanisch Rohr dem alten Herrn
dicht vor den Füßen grimmig in den Boden stoßend.
"Steht Er wieder da und gafft und seufzt Seiner ver¬
gangenen Herrlichkeit und Seinem passirten Elend nach?

einundſechzig neigte ſich ſeinem Ende, als ſie auf der
alten Köln-Berliner Landſtraße zuſammentrafen, der
Kloſteramtmann von Amelungsborn und ſein Haus¬
genoſſe, der Magiſter Buchius, der Ex-Kollaborator
am alten Ort der alten Kloſterſchule.

Der Wind fuhr über die Stoppeln; aber die, welche
das Korn geſäet hatten, hatten es wahrlich, wie geſagt, zum
wenigſten Theil für ſich ſelber geerntet. Die Waldungen
trugen überall Spuren, daß Heereszüge ſich ihre Wege
durch ſie gebahnt hatten. Ueberall Spuren und Ge¬
denkzeichen, daß ſchweres Geſchütz und Bagagewagen
mit Mühe und Noth über die Straße und durch die
Hohlwege geſchleppt worden waren! Zerſtampft lagen
die Felder und Wieſen. Kochlöcher waren überall ein¬
gegraben; Aeſer von Pferden und krepirtem Schlachtvieh
noch unheimlich häufig unvergraben in den Gräben und
Büſchen und an den Waſſertümpeln der Verweſung
überlaſſen. Es war weder für den gelehrten noch den
ökonomiſchen Mann ein Anblick zum Ergötzen, und ſie
machten Beide die Geſichter danach, als ſie an dieſem
Vierten des Wind- und Reifmonds an einer Wendung
der Straße in der Nähe des Dorfes Regenborn plötz¬
lich vor einander ſtanden.

„Er auch noch hier draußen, Magiſter?“ ſchnarrte
der Amtmann, ſein ſpaniſch Rohr dem alten Herrn
dicht vor den Füßen grimmig in den Boden ſtoßend.
„Steht Er wieder da und gafft und ſeufzt Seiner ver¬
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[23/0031] einundſechzig neigte ſich ſeinem Ende, als ſie auf der alten Köln-Berliner Landſtraße zuſammentrafen, der Kloſteramtmann von Amelungsborn und ſein Haus¬ genoſſe, der Magiſter Buchius, der Ex-Kollaborator am alten Ort der alten Kloſterſchule. Der Wind fuhr über die Stoppeln; aber die, welche das Korn geſäet hatten, hatten es wahrlich, wie geſagt, zum wenigſten Theil für ſich ſelber geerntet. Die Waldungen trugen überall Spuren, daß Heereszüge ſich ihre Wege durch ſie gebahnt hatten. Ueberall Spuren und Ge¬ denkzeichen, daß ſchweres Geſchütz und Bagagewagen mit Mühe und Noth über die Straße und durch die Hohlwege geſchleppt worden waren! Zerſtampft lagen die Felder und Wieſen. Kochlöcher waren überall ein¬ gegraben; Aeſer von Pferden und krepirtem Schlachtvieh noch unheimlich häufig unvergraben in den Gräben und Büſchen und an den Waſſertümpeln der Verweſung überlaſſen. Es war weder für den gelehrten noch den ökonomiſchen Mann ein Anblick zum Ergötzen, und ſie machten Beide die Geſichter danach, als ſie an dieſem Vierten des Wind- und Reifmonds an einer Wendung der Straße in der Nähe des Dorfes Regenborn plötz¬ lich vor einander ſtanden. „Er auch noch hier draußen, Magiſter?“ ſchnarrte der Amtmann, ſein ſpaniſch Rohr dem alten Herrn dicht vor den Füßen grimmig in den Boden ſtoßend. „Steht Er wieder da und gafft und ſeufzt Seiner ver¬ gangenen Herrlichkeit und Seinem paſſirten Elend nach?

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/31>, abgerufen am 25.04.2024.