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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Händen an den Hosen herunter, fuhr mit der linken
wie mit der rechten Hand in die Tasche und holte ihn
hervor, den Schlüssel -- seinen Schlüssel -- den Schlüssel
zu seiner Stube und Kammer. Vor der nicht einge¬
schlagenen Thür hatte er allein im Kloster Amelungs¬
born nach dem Stubenschlüssel in der Hosentasche zu
suchen! ...

Es kostete ihm nicht ohne Grund einige Mühe, das
Schlüsselloch dießmal zu finden.

Das altgewohnte Gekreisch der Haspen und Angeln
-- Alles, wie er's verlassen hatte! Alles, als ob es
dem guten Herzog Ferdinand und dem bösen Herzog
von Broglio nicht im Traum eingefallen sei, sich auch
in dieser Gegend um den Weg über Einbeck nach Braun¬
schweig zu raufen! Alles, als ob Kloster Amelungs¬
born nicht sein Theil von der Schlacht abbekommen
habe! Alles, als ob nicht der Junker Thedel von
Münchhausen draußen auf Odins Felde mit unter den
Todten von den Elliots liege! ... Der alte Herr
und Schulmeister, der Magister Buchius, stand un¬
gläubig, zweifelnd, seinen Sinnen nicht trauend. Er
stand starr, sah an den vier Wänden herum, nach der
alten schwarzen Balkendecke hinauf und zu dem Gips¬
boden, den schon der Fuß des Bruders Philemon im
dreißigjährigen Kriege beschritten haben mochte, hinab
und -- -- das Weinen war ihm näher als das Lachen:

"Großer Gott! guter Gott, mir Das? mir alleine
Solches?"

Händen an den Hoſen herunter, fuhr mit der linken
wie mit der rechten Hand in die Taſche und holte ihn
hervor, den Schlüſſel — ſeinen Schlüſſel — den Schlüſſel
zu ſeiner Stube und Kammer. Vor der nicht einge¬
ſchlagenen Thür hatte er allein im Kloſter Amelungs¬
born nach dem Stubenſchlüſſel in der Hoſentaſche zu
ſuchen! ...

Es koſtete ihm nicht ohne Grund einige Mühe, das
Schlüſſelloch dießmal zu finden.

Das altgewohnte Gekreiſch der Haſpen und Angeln
— Alles, wie er's verlaſſen hatte! Alles, als ob es
dem guten Herzog Ferdinand und dem böſen Herzog
von Broglio nicht im Traum eingefallen ſei, ſich auch
in dieſer Gegend um den Weg über Einbeck nach Braun¬
ſchweig zu raufen! Alles, als ob Kloſter Amelungs¬
born nicht ſein Theil von der Schlacht abbekommen
habe! Alles, als ob nicht der Junker Thedel von
Münchhauſen draußen auf Odins Felde mit unter den
Todten von den Elliots liege! ... Der alte Herr
und Schulmeiſter, der Magiſter Buchius, ſtand un¬
gläubig, zweifelnd, ſeinen Sinnen nicht trauend. Er
ſtand ſtarr, ſah an den vier Wänden herum, nach der
alten ſchwarzen Balkendecke hinauf und zu dem Gips¬
boden, den ſchon der Fuß des Bruders Philemon im
dreißigjährigen Kriege beſchritten haben mochte, hinab
und — — das Weinen war ihm näher als das Lachen:

„Großer Gott! guter Gott, mir Das? mir alleine
Solches?“

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[293/0301] Händen an den Hoſen herunter, fuhr mit der linken wie mit der rechten Hand in die Taſche und holte ihn hervor, den Schlüſſel — ſeinen Schlüſſel — den Schlüſſel zu ſeiner Stube und Kammer. Vor der nicht einge¬ ſchlagenen Thür hatte er allein im Kloſter Amelungs¬ born nach dem Stubenſchlüſſel in der Hoſentaſche zu ſuchen! ... Es koſtete ihm nicht ohne Grund einige Mühe, das Schlüſſelloch dießmal zu finden. Das altgewohnte Gekreiſch der Haſpen und Angeln — Alles, wie er's verlaſſen hatte! Alles, als ob es dem guten Herzog Ferdinand und dem böſen Herzog von Broglio nicht im Traum eingefallen ſei, ſich auch in dieſer Gegend um den Weg über Einbeck nach Braun¬ ſchweig zu raufen! Alles, als ob Kloſter Amelungs¬ born nicht ſein Theil von der Schlacht abbekommen habe! Alles, als ob nicht der Junker Thedel von Münchhauſen draußen auf Odins Felde mit unter den Todten von den Elliots liege! ... Der alte Herr und Schulmeiſter, der Magiſter Buchius, ſtand un¬ gläubig, zweifelnd, ſeinen Sinnen nicht trauend. Er ſtand ſtarr, ſah an den vier Wänden herum, nach der alten ſchwarzen Balkendecke hinauf und zu dem Gips¬ boden, den ſchon der Fuß des Bruders Philemon im dreißigjährigen Kriege beſchritten haben mochte, hinab und — — das Weinen war ihm näher als das Lachen: „Großer Gott! guter Gott, mir Das? mir alleine Solches?“

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/301>, abgerufen am 25.04.2024.