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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Münchhausen christlich-sarggerecht zurecht auf Wodans
Felde, auf dem Odfelde unter den Gefallenen aus der
Rabenschlacht und der Schlacht des guten Herzogs
Ferdinand von Braunschweig und der Herren von Brog¬
lin, Poyanne und Rohan-Chabot. Sie zogen auch
noch dem nächsten Nachbar im Elend, dem Reiters¬
mann von den Elliots das Bein unter dem Gaul
hervor und deckten dem Sterbenden den Mantel über.
"Good night, Mary," murmelte er, und sie gingen und
ließen Odins Kriegs-, Jagd- und Opferfeld dem Abend
und der Nacht: freilich im schweren Zweifel, ob sie es
zu Hause besser finden würden als wie sie hier draußen
es hatten, zwischen dem Quadhagen, dem Weirsberge
und dem Butzeberge.

Der Weg war nicht mehr allzu weit, wie Jeder¬
mann, der bis hierhin gelesen hat, nun schon weiß. Der
Kriegssturm hatte sich nach Osten und Südosten hin
verzogen, die Flüchtlinge erreichten ungefährdet, schlep¬
penden Schrittes die alten mönchischen Umfassungsmauern
und das zertrümmerte Thor von Kloster Amelungs¬
born. Der alte Schulmeister, schwer sich auf den Arm
des guten Heinrichs stützend, die zwei Mädchen an
einander geklammert, Alle ohne noch ein Wort zu sagen.
Wenn sich Heinrich von Zeit zu Zeit mit dem Jacken¬
ärmel über die Augen wischte, so murmelte er gewöhn¬
lich dazu ein Wort, das mehr Fluch als Segen war;
aber auch ihm wurde die Sünde nicht angerechnet.

Sie kamen auf den Hof, und Bruder Philemon

Münchhauſen chriſtlich-ſarggerecht zurecht auf Wodans
Felde, auf dem Odfelde unter den Gefallenen aus der
Rabenſchlacht und der Schlacht des guten Herzogs
Ferdinand von Braunſchweig und der Herren von Brog¬
lin, Poyanne und Rohan-Chabot. Sie zogen auch
noch dem nächſten Nachbar im Elend, dem Reiters¬
mann von den Elliots das Bein unter dem Gaul
hervor und deckten dem Sterbenden den Mantel über.
„Good night, Mary,“ murmelte er, und ſie gingen und
ließen Odins Kriegs-, Jagd- und Opferfeld dem Abend
und der Nacht: freilich im ſchweren Zweifel, ob ſie es
zu Hauſe beſſer finden würden als wie ſie hier draußen
es hatten, zwiſchen dem Quadhagen, dem Weirsberge
und dem Butzeberge.

Der Weg war nicht mehr allzu weit, wie Jeder¬
mann, der bis hierhin geleſen hat, nun ſchon weiß. Der
Kriegsſturm hatte ſich nach Oſten und Südoſten hin
verzogen, die Flüchtlinge erreichten ungefährdet, ſchlep¬
penden Schrittes die alten mönchiſchen Umfaſſungsmauern
und das zertrümmerte Thor von Kloſter Amelungs¬
born. Der alte Schulmeiſter, ſchwer ſich auf den Arm
des guten Heinrichs ſtützend, die zwei Mädchen an
einander geklammert, Alle ohne noch ein Wort zu ſagen.
Wenn ſich Heinrich von Zeit zu Zeit mit dem Jacken¬
ärmel über die Augen wiſchte, ſo murmelte er gewöhn¬
lich dazu ein Wort, das mehr Fluch als Segen war;
aber auch ihm wurde die Sünde nicht angerechnet.

Sie kamen auf den Hof, und Bruder Philemon

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[281/0289] Münchhauſen chriſtlich-ſarggerecht zurecht auf Wodans Felde, auf dem Odfelde unter den Gefallenen aus der Rabenſchlacht und der Schlacht des guten Herzogs Ferdinand von Braunſchweig und der Herren von Brog¬ lin, Poyanne und Rohan-Chabot. Sie zogen auch noch dem nächſten Nachbar im Elend, dem Reiters¬ mann von den Elliots das Bein unter dem Gaul hervor und deckten dem Sterbenden den Mantel über. „Good night, Mary,“ murmelte er, und ſie gingen und ließen Odins Kriegs-, Jagd- und Opferfeld dem Abend und der Nacht: freilich im ſchweren Zweifel, ob ſie es zu Hauſe beſſer finden würden als wie ſie hier draußen es hatten, zwiſchen dem Quadhagen, dem Weirsberge und dem Butzeberge. Der Weg war nicht mehr allzu weit, wie Jeder¬ mann, der bis hierhin geleſen hat, nun ſchon weiß. Der Kriegsſturm hatte ſich nach Oſten und Südoſten hin verzogen, die Flüchtlinge erreichten ungefährdet, ſchlep¬ penden Schrittes die alten mönchiſchen Umfaſſungsmauern und das zertrümmerte Thor von Kloſter Amelungs¬ born. Der alte Schulmeiſter, ſchwer ſich auf den Arm des guten Heinrichs ſtützend, die zwei Mädchen an einander geklammert, Alle ohne noch ein Wort zu ſagen. Wenn ſich Heinrich von Zeit zu Zeit mit dem Jacken¬ ärmel über die Augen wiſchte, ſo murmelte er gewöhn¬ lich dazu ein Wort, das mehr Fluch als Segen war; aber auch ihm wurde die Sünde nicht angerechnet. Sie kamen auf den Hof, und Bruder Philemon

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/289>, abgerufen am 25.04.2024.