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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Vieles dermaleinst des Ausgrabens und Aufbewahrens
in Provinzialmuseen werth.

"Großer Gott!" stammelte augenblicklich der Sammler
und Inhaber der Raritäten in der Zelle des weiland
Bruders Philemon zu Kloster Amelungsborn; aber
Knecht Heinrich hatte Recht: die Todten thaten keinen
Schaden mehr und die Wunden riefen höchstens selber
um Barmherzigkeit.

"Gott sei Lob und gedankt," rief Mademoiselle
nach Süden deutend, "den Kirchthurm haben sie stehen
lassen, und die Dächer sind auch noch heil und ganz.
Wer weiß, um wie viel besser sie es in Amelungsborn
gehabt haben, als wie wir. Euern lieben Musjeh Thedel
soll ich nur wieder zu Gesicht kriegen, wenn es so ist.
Alle zehn Gebote ziehe ich ihm nochmal, und die߬
mal mit den zehn Fingernägeln durch die Visage, wenn
ich ihn nachher nochmals zu Gesichte kriege."

Und zwischen den jammervollen Zeichen des großen
Kriegs Aller gegen Alle in Europa und Amerika stieß
sie einen leisen verdrießlichen Schrei aus:

"Jeses und Gott und auch noch die Vögel von
gestern Abend und heute Morgen! Uh, Sein garstiges
Vieh, Magister Buchius!"

Und es war seltsam; auch der gelehrte Mann, der
Magister fuhr zusammen und entsetzte sich ob dem
Faktum, daß sie wieder auch unter den Leichnamen der
geflügelten Streiter vom gestrigen Abend und nicht mehr

Raabe, Das Odfeld. 18

Vieles dermaleinſt des Ausgrabens und Aufbewahrens
in Provinzialmuſeen werth.

„Großer Gott!“ ſtammelte augenblicklich der Sammler
und Inhaber der Raritäten in der Zelle des weiland
Bruders Philemon zu Kloſter Amelungsborn; aber
Knecht Heinrich hatte Recht: die Todten thaten keinen
Schaden mehr und die Wunden riefen höchſtens ſelber
um Barmherzigkeit.

„Gott ſei Lob und gedankt,“ rief Mademoiſelle
nach Süden deutend, „den Kirchthurm haben ſie ſtehen
laſſen, und die Dächer ſind auch noch heil und ganz.
Wer weiß, um wie viel beſſer ſie es in Amelungsborn
gehabt haben, als wie wir. Euern lieben Musjeh Thedel
ſoll ich nur wieder zu Geſicht kriegen, wenn es ſo iſt.
Alle zehn Gebote ziehe ich ihm nochmal, und die߬
mal mit den zehn Fingernägeln durch die Viſage, wenn
ich ihn nachher nochmals zu Geſichte kriege.“

Und zwiſchen den jammervollen Zeichen des großen
Kriegs Aller gegen Alle in Europa und Amerika ſtieß
ſie einen leiſen verdrießlichen Schrei aus:

„Jeſes und Gott und auch noch die Vögel von
geſtern Abend und heute Morgen! Uh, Sein garſtiges
Vieh, Magiſter Buchius!“

Und es war ſeltſam; auch der gelehrte Mann, der
Magiſter fuhr zuſammen und entſetzte ſich ob dem
Faktum, daß ſie wieder auch unter den Leichnamen der
geflügelten Streiter vom geſtrigen Abend und nicht mehr

Raabe, Das Odfeld. 18
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[273/0281] Vieles dermaleinſt des Ausgrabens und Aufbewahrens in Provinzialmuſeen werth. „Großer Gott!“ ſtammelte augenblicklich der Sammler und Inhaber der Raritäten in der Zelle des weiland Bruders Philemon zu Kloſter Amelungsborn; aber Knecht Heinrich hatte Recht: die Todten thaten keinen Schaden mehr und die Wunden riefen höchſtens ſelber um Barmherzigkeit. „Gott ſei Lob und gedankt,“ rief Mademoiſelle nach Süden deutend, „den Kirchthurm haben ſie ſtehen laſſen, und die Dächer ſind auch noch heil und ganz. Wer weiß, um wie viel beſſer ſie es in Amelungsborn gehabt haben, als wie wir. Euern lieben Musjeh Thedel ſoll ich nur wieder zu Geſicht kriegen, wenn es ſo iſt. Alle zehn Gebote ziehe ich ihm nochmal, und die߬ mal mit den zehn Fingernägeln durch die Viſage, wenn ich ihn nachher nochmals zu Geſichte kriege.“ Und zwiſchen den jammervollen Zeichen des großen Kriegs Aller gegen Alle in Europa und Amerika ſtieß ſie einen leiſen verdrießlichen Schrei aus: „Jeſes und Gott und auch noch die Vögel von geſtern Abend und heute Morgen! Uh, Sein garſtiges Vieh, Magiſter Buchius!“ Und es war ſeltſam; auch der gelehrte Mann, der Magiſter fuhr zuſammen und entſetzte ſich ob dem Faktum, daß ſie wieder auch unter den Leichnamen der geflügelten Streiter vom geſtrigen Abend und nicht mehr Raabe, Das Odfeld. 18

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/281>, abgerufen am 20.04.2024.