Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite
Einundzwanzigstes Kapitel.

Er ist insolvent gestorben der Sieger von Crefeld
und Minden, der mildherzige Gutsherr von Vechelde,
der gute Herzog Ferdinand von Braunschweig. Nun
liegt er schon lange im Dome zu Braunschweig in der
Gruft, über welcher geschrieben steht: Hic finis invidiae,
persecutionis et querelae
, und er liegt da in einem
Hemde, das von rechtswegen nicht ihm, sondern seinen
Gläubigern gehörte. Er hat im Laufe seines Lebens
nicht bloß die silbernen Knöpfe von seinem Uniforms¬
rocke weggegeben, er hat auch wohl den Rock selber ver¬
schenkt, wenn er "ein Elend nicht länger ansehen" konnte.
Er hat nach und nach Alles weggeschenkt, was er an
irdischem Eigenthum besaß; denn es ist ihm viel Elend
auf seinem Wege durch's Leben begegnet; im Kriege
wie im Frieden, auf seinen Schlachtfeldern wie auf den
Roggen- und Weizenfeldern um Haus und Dorf Vechelde.

Der alte Fritz hat ihm seinerzeit auch den Stuhl
vor die Thür gestellt, nach dem siebenjährigen Kriege
natürlich, und hat ihn höchstens für einen fou genereux
erklärt; und der Neffe Karl Wilhelm Ferdinand hat ihn

Einundzwanzigſtes Kapitel.

Er iſt inſolvent geſtorben der Sieger von Crefeld
und Minden, der mildherzige Gutsherr von Vechelde,
der gute Herzog Ferdinand von Braunſchweig. Nun
liegt er ſchon lange im Dome zu Braunſchweig in der
Gruft, über welcher geſchrieben ſteht: Hic finis invidiae,
persecutionis et querelae
, und er liegt da in einem
Hemde, das von rechtswegen nicht ihm, ſondern ſeinen
Gläubigern gehörte. Er hat im Laufe ſeines Lebens
nicht bloß die ſilbernen Knöpfe von ſeinem Uniforms¬
rocke weggegeben, er hat auch wohl den Rock ſelber ver¬
ſchenkt, wenn er „ein Elend nicht länger anſehen“ konnte.
Er hat nach und nach Alles weggeſchenkt, was er an
irdiſchem Eigenthum beſaß; denn es iſt ihm viel Elend
auf ſeinem Wege durch's Leben begegnet; im Kriege
wie im Frieden, auf ſeinen Schlachtfeldern wie auf den
Roggen- und Weizenfeldern um Haus und Dorf Vechelde.

Der alte Fritz hat ihm ſeinerzeit auch den Stuhl
vor die Thür geſtellt, nach dem ſiebenjährigen Kriege
natürlich, und hat ihn höchſtens für einen fou genereux
erklärt; und der Neffe Karl Wilhelm Ferdinand hat ihn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0251" n="[243]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Einundzwanzig&#x017F;tes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <p>Er i&#x017F;t in&#x017F;olvent ge&#x017F;torben der Sieger von Crefeld<lb/>
und Minden, der mildherzige Gutsherr von Vechelde,<lb/>
der gute Herzog Ferdinand von Braun&#x017F;chweig. Nun<lb/>
liegt er &#x017F;chon lange im Dome zu Braun&#x017F;chweig in der<lb/>
Gruft, über welcher ge&#x017F;chrieben &#x017F;teht: <hi rendition="#aq">Hic finis invidiae,<lb/>
persecutionis et querelae</hi>, und er liegt da in einem<lb/>
Hemde, das von rechtswegen nicht ihm, &#x017F;ondern &#x017F;einen<lb/>
Gläubigern gehörte. Er hat im Laufe &#x017F;eines Lebens<lb/>
nicht bloß die &#x017F;ilbernen Knöpfe von &#x017F;einem Uniforms¬<lb/>
rocke weggegeben, er hat auch wohl den Rock &#x017F;elber ver¬<lb/>
&#x017F;chenkt, wenn er &#x201E;ein Elend nicht länger an&#x017F;ehen&#x201C; konnte.<lb/>
Er hat nach und nach Alles wegge&#x017F;chenkt, was er an<lb/>
irdi&#x017F;chem Eigenthum be&#x017F;aß; denn es i&#x017F;t ihm viel Elend<lb/>
auf &#x017F;einem Wege durch's Leben begegnet; im Kriege<lb/>
wie im Frieden, auf &#x017F;einen Schlachtfeldern wie auf den<lb/>
Roggen- und Weizenfeldern um Haus und Dorf Vechelde.<lb/></p>
        <p>Der alte Fritz hat ihm &#x017F;einerzeit auch den Stuhl<lb/>
vor die Thür ge&#x017F;tellt, nach dem &#x017F;iebenjährigen Kriege<lb/>
natürlich, und hat ihn höch&#x017F;tens für einen <hi rendition="#aq">fou genereux</hi><lb/>
erklärt; und der Neffe Karl Wilhelm Ferdinand hat ihn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[243]/0251] Einundzwanzigſtes Kapitel. Er iſt inſolvent geſtorben der Sieger von Crefeld und Minden, der mildherzige Gutsherr von Vechelde, der gute Herzog Ferdinand von Braunſchweig. Nun liegt er ſchon lange im Dome zu Braunſchweig in der Gruft, über welcher geſchrieben ſteht: Hic finis invidiae, persecutionis et querelae, und er liegt da in einem Hemde, das von rechtswegen nicht ihm, ſondern ſeinen Gläubigern gehörte. Er hat im Laufe ſeines Lebens nicht bloß die ſilbernen Knöpfe von ſeinem Uniforms¬ rocke weggegeben, er hat auch wohl den Rock ſelber ver¬ ſchenkt, wenn er „ein Elend nicht länger anſehen“ konnte. Er hat nach und nach Alles weggeſchenkt, was er an irdiſchem Eigenthum beſaß; denn es iſt ihm viel Elend auf ſeinem Wege durch's Leben begegnet; im Kriege wie im Frieden, auf ſeinen Schlachtfeldern wie auf den Roggen- und Weizenfeldern um Haus und Dorf Vechelde. Der alte Fritz hat ihm ſeinerzeit auch den Stuhl vor die Thür geſtellt, nach dem ſiebenjährigen Kriege natürlich, und hat ihn höchſtens für einen fou genereux erklärt; und der Neffe Karl Wilhelm Ferdinand hat ihn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/251
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [243]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/251>, abgerufen am 28.03.2024.