Anschauungen über Recht, Rechte, Berechtigungen, über Moral, Tugend, Sitte und Gewohnheit, ja, im pursten krassesten blassesten Sinne über Mein und Dein waren allzu verschieden. Sitte, Gewohnheit, Recht liefen zwischen beiden Mächten allgemach nur darauf hinaus, sich gegenseitig den größtmöglichen Verdruß und Tort, ja das gebrannteste Herzeleid anzuthun.
"Lieber die Franzosen so lange es ihnen beliebt im Lande, als diese gelehrte Cumpanei von Schlingeln, Lümmeln, Flegeln und Spitzbuben Einen Tag auf dem Buckel!" hatte der Klosteramtmann schon seit Jahren geseufzt und geflucht. Ach, leider, ohne zu ahnen, wie bald und wie sehr ihn das Schicksal beim Wort nehmen werde!
Nun hatte er von der ganzen Schule nur noch den Magister Buchius im Hause; aber volle Gelegenheit, es auszuprobiren, ob es sich mit dem Herzog von Soubise, dem Marschall von Broglio, dem Marquis von Belsunce und dem Vicomte von Poyanne behag¬ licher Kirschen essen lasse als mit den gelehrten und ungelehrten, den jungen und alten Erbnehmern der Cistercienser von Amelungsborn.
Wir reden mit ihm wohl noch einmal darüber, oder hören seine Meinung aus der Vergangenheit. Für's Erste haben wir es vor allen Dingen mit dem Magister Noah Buchius zu thun, den die Klosterschule bei ihrer Auswanderung allein zurückgelassen hatte auf dem Auerberge, wie man beim Auszug, halb des Spaßes
Anſchauungen über Recht, Rechte, Berechtigungen, über Moral, Tugend, Sitte und Gewohnheit, ja, im purſten kraſſeſten blaſſeſten Sinne über Mein und Dein waren allzu verſchieden. Sitte, Gewohnheit, Recht liefen zwiſchen beiden Mächten allgemach nur darauf hinaus, ſich gegenſeitig den größtmöglichen Verdruß und Tort, ja das gebrannteſte Herzeleid anzuthun.
„Lieber die Franzoſen ſo lange es ihnen beliebt im Lande, als dieſe gelehrte Cumpanei von Schlingeln, Lümmeln, Flegeln und Spitzbuben Einen Tag auf dem Buckel!“ hatte der Kloſteramtmann ſchon ſeit Jahren geſeufzt und geflucht. Ach, leider, ohne zu ahnen, wie bald und wie ſehr ihn das Schickſal beim Wort nehmen werde!
Nun hatte er von der ganzen Schule nur noch den Magiſter Buchius im Hauſe; aber volle Gelegenheit, es auszuprobiren, ob es ſich mit dem Herzog von Soubiſe, dem Marſchall von Broglio, dem Marquis von Belſunce und dem Vicomte von Poyanne behag¬ licher Kirſchen eſſen laſſe als mit den gelehrten und ungelehrten, den jungen und alten Erbnehmern der Ciſtercienſer von Amelungsborn.
Wir reden mit ihm wohl noch einmal darüber, oder hören ſeine Meinung aus der Vergangenheit. Für's Erſte haben wir es vor allen Dingen mit dem Magiſter Noah Buchius zu thun, den die Kloſterſchule bei ihrer Auswanderung allein zurückgelaſſen hatte auf dem Auerberge, wie man beim Auszug, halb des Spaßes
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Anſchauungen über Recht, Rechte, Berechtigungen, über
Moral, Tugend, Sitte und Gewohnheit, ja, im purſten
kraſſeſten blaſſeſten Sinne über Mein und Dein waren
allzu verſchieden. Sitte, Gewohnheit, Recht liefen
zwiſchen beiden Mächten allgemach nur darauf hinaus,
ſich gegenſeitig den größtmöglichen Verdruß und Tort,
ja das gebrannteſte Herzeleid anzuthun.
„Lieber die Franzoſen ſo lange es ihnen beliebt
im Lande, als dieſe gelehrte Cumpanei von Schlingeln,
Lümmeln, Flegeln und Spitzbuben Einen Tag auf dem
Buckel!“ hatte der Kloſteramtmann ſchon ſeit Jahren
geſeufzt und geflucht. Ach, leider, ohne zu ahnen, wie
bald und wie ſehr ihn das Schickſal beim Wort nehmen
werde!
Nun hatte er von der ganzen Schule nur noch den
Magiſter Buchius im Hauſe; aber volle Gelegenheit,
es auszuprobiren, ob es ſich mit dem Herzog von
Soubiſe, dem Marſchall von Broglio, dem Marquis
von Belſunce und dem Vicomte von Poyanne behag¬
licher Kirſchen eſſen laſſe als mit den gelehrten und
ungelehrten, den jungen und alten Erbnehmern der
Ciſtercienſer von Amelungsborn.
Wir reden mit ihm wohl noch einmal darüber,
oder hören ſeine Meinung aus der Vergangenheit.
Für's Erſte haben wir es vor allen Dingen mit dem
Magiſter Noah Buchius zu thun, den die Kloſterſchule
bei ihrer Auswanderung allein zurückgelaſſen hatte auf
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/23>, abgerufen am 24.04.2024.
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