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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Wieschen, ihren Schatz auf des Amtmanns Schimmel
zwar noch fester fassend, aber ihn doch dabei ein wenig
schüttelnd.

"Damals noch nicht. Halt' nur Ruhe, Kind," lächelte
der alte Herr wieder.

"Herr Magister --" wollte der Exschüler der
berühmten großen Wald-Wildniß- und Wilddiebs-Schule
zu Kloster Amelungsborn betroffen, kleinlaut, nicht mit
seiner Rechtfertigung, sondern mit seiner Reue auf¬
warten. Doch dem winkte der letzte Kollaborator ab;
zwar auch lächelnd, jedoch auf eine andere Art.

"Beruhige Er sich nur auch, von Münchhausen.
Jedenfalls ist Er nicht der Einzige gewesen, so weder
dem Bruder Philemon in seiner Zelle noch den alten
Buchius in der Zelle des Bruders Philemon die Ruhe
und Beschaulichkeit gegönnt hat -- seinerzeit -- dann
und wann."

Er sah jetzt, ohne sich um den geduckten Scholaren
für's Erste weiter zu kümmern, den wunden Knecht
auf dem Pferde an und deutete meinungsvoll vor sich
hin in die Berge und zwar auf eine ganz bestimmte Stelle.

Knecht Heinrich mit weinerlich verzogenem Mund¬
werk nickte und sagte kläglich:

"Ich konnte ja nichts davor, daß ich's auch fand
und einkroch, Herr Magister. Aber so wahr mir Gott
helfe, es weiß außer mir und dem Herrn Magister kein
anderer Mensche davon. Ach wären wir nur über die
Straßen vor dem engelländischen Zuzug!"

Wieſchen, ihren Schatz auf des Amtmanns Schimmel
zwar noch feſter faſſend, aber ihn doch dabei ein wenig
ſchüttelnd.

„Damals noch nicht. Halt' nur Ruhe, Kind,“ lächelte
der alte Herr wieder.

„Herr Magiſter —“ wollte der Exſchüler der
berühmten großen Wald-Wildniß- und Wilddiebs-Schule
zu Kloſter Amelungsborn betroffen, kleinlaut, nicht mit
ſeiner Rechtfertigung, ſondern mit ſeiner Reue auf¬
warten. Doch dem winkte der letzte Kollaborator ab;
zwar auch lächelnd, jedoch auf eine andere Art.

„Beruhige Er ſich nur auch, von Münchhauſen.
Jedenfalls iſt Er nicht der Einzige geweſen, ſo weder
dem Bruder Philemon in ſeiner Zelle noch den alten
Buchius in der Zelle des Bruders Philemon die Ruhe
und Beſchaulichkeit gegönnt hat — ſeinerzeit — dann
und wann.“

Er ſah jetzt, ohne ſich um den geduckten Scholaren
für's Erſte weiter zu kümmern, den wunden Knecht
auf dem Pferde an und deutete meinungsvoll vor ſich
hin in die Berge und zwar auf eine ganz beſtimmte Stelle.

Knecht Heinrich mit weinerlich verzogenem Mund¬
werk nickte und ſagte kläglich:

„Ich konnte ja nichts davor, daß ich's auch fand
und einkroch, Herr Magiſter. Aber ſo wahr mir Gott
helfe, es weiß außer mir und dem Herrn Magiſter kein
anderer Menſche davon. Ach wären wir nur über die
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[183/0191] Wieſchen, ihren Schatz auf des Amtmanns Schimmel zwar noch feſter faſſend, aber ihn doch dabei ein wenig ſchüttelnd. „Damals noch nicht. Halt' nur Ruhe, Kind,“ lächelte der alte Herr wieder. „Herr Magiſter —“ wollte der Exſchüler der berühmten großen Wald-Wildniß- und Wilddiebs-Schule zu Kloſter Amelungsborn betroffen, kleinlaut, nicht mit ſeiner Rechtfertigung, ſondern mit ſeiner Reue auf¬ warten. Doch dem winkte der letzte Kollaborator ab; zwar auch lächelnd, jedoch auf eine andere Art. „Beruhige Er ſich nur auch, von Münchhauſen. Jedenfalls iſt Er nicht der Einzige geweſen, ſo weder dem Bruder Philemon in ſeiner Zelle noch den alten Buchius in der Zelle des Bruders Philemon die Ruhe und Beſchaulichkeit gegönnt hat — ſeinerzeit — dann und wann.“ Er ſah jetzt, ohne ſich um den geduckten Scholaren für's Erſte weiter zu kümmern, den wunden Knecht auf dem Pferde an und deutete meinungsvoll vor ſich hin in die Berge und zwar auf eine ganz beſtimmte Stelle. Knecht Heinrich mit weinerlich verzogenem Mund¬ werk nickte und ſagte kläglich: „Ich konnte ja nichts davor, daß ich's auch fand und einkroch, Herr Magiſter. Aber ſo wahr mir Gott helfe, es weiß außer mir und dem Herrn Magiſter kein anderer Menſche davon. Ach wären wir nur über die Straßen vor dem engelländiſchen Zuzug!“

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/191>, abgerufen am 23.04.2024.