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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Sie hatten ihn in ihren Fäusten, sie hatten ihn
unter ihren Füßen, sie hatten ihn auf der Treppe und
sie hatten ihn im Hofe vor der Treppe, die zu der
Thür des Klosteramthauses führte. Sie nahmen ihn
durchaus nicht für eine bemalte Puppe aus Holz oder
Stein, diese Gallier neueren Geschlechtes. Sie tupften
diesen Marcus Papirius wahrlich nicht bloß mit der
Spitze des Zeigefingers an, um sich zu vergewissern, ob
das Ding Leben in sich habe oder nicht. Unter andern
Umständen würden die lustigen Franzosen selber zuerst über
sich und ihn gelacht haben: sie hielten den schwarzen
Alten wirklich für den schwarzen, jungen Sünder, der
eben ihrem Sergeanten das Nasenbein eingeschlagen
hatte und ihnen mit der Mamsell Fegebanck durchge¬
gangen war. Im ersten Morgengrauen des Novembers
und bei solchem Nebel war ihnen Alles, was in ge¬
lehrtem Schwarz ging, Hose wie Jacke. Und sehr
Vielen unter ihnen kam's überhaupt nicht drauf an,
wen sie hingen, wenn sie nur Jemand hatten, den sie
aufhängen konnten.

Zwei aber nahmen sie natürlich noch lieber als
Einen, und so hatten sie auch bereits den Herrn Kloster¬
amtmann in den Klauen an der Vortreppe seines Amts¬
gebäudes unter dem Strick, den sie vom nächsten Ast
der weiland alten Klosterlinde auf seinen Nacken her¬
unterließen, während sie sein schreiend Weib und seine
halbnackten Kinder auf der Treppe festhielten oder vom
Fenster zusehen ließen.

Sie hatten ihn in ihren Fäuſten, ſie hatten ihn
unter ihren Füßen, ſie hatten ihn auf der Treppe und
ſie hatten ihn im Hofe vor der Treppe, die zu der
Thür des Kloſteramthauſes führte. Sie nahmen ihn
durchaus nicht für eine bemalte Puppe aus Holz oder
Stein, dieſe Gallier neueren Geſchlechtes. Sie tupften
dieſen Marcus Papirius wahrlich nicht bloß mit der
Spitze des Zeigefingers an, um ſich zu vergewiſſern, ob
das Ding Leben in ſich habe oder nicht. Unter andern
Umſtänden würden die luſtigen Franzoſen ſelber zuerſt über
ſich und ihn gelacht haben: ſie hielten den ſchwarzen
Alten wirklich für den ſchwarzen, jungen Sünder, der
eben ihrem Sergeanten das Naſenbein eingeſchlagen
hatte und ihnen mit der Mamſell Fegebanck durchge¬
gangen war. Im erſten Morgengrauen des Novembers
und bei ſolchem Nebel war ihnen Alles, was in ge¬
lehrtem Schwarz ging, Hoſe wie Jacke. Und ſehr
Vielen unter ihnen kam's überhaupt nicht drauf an,
wen ſie hingen, wenn ſie nur Jemand hatten, den ſie
aufhängen konnten.

Zwei aber nahmen ſie natürlich noch lieber als
Einen, und ſo hatten ſie auch bereits den Herrn Kloſter¬
amtmann in den Klauen an der Vortreppe ſeines Amts¬
gebäudes unter dem Strick, den ſie vom nächſten Aſt
der weiland alten Kloſterlinde auf ſeinen Nacken her¬
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[141/0149] Sie hatten ihn in ihren Fäuſten, ſie hatten ihn unter ihren Füßen, ſie hatten ihn auf der Treppe und ſie hatten ihn im Hofe vor der Treppe, die zu der Thür des Kloſteramthauſes führte. Sie nahmen ihn durchaus nicht für eine bemalte Puppe aus Holz oder Stein, dieſe Gallier neueren Geſchlechtes. Sie tupften dieſen Marcus Papirius wahrlich nicht bloß mit der Spitze des Zeigefingers an, um ſich zu vergewiſſern, ob das Ding Leben in ſich habe oder nicht. Unter andern Umſtänden würden die luſtigen Franzoſen ſelber zuerſt über ſich und ihn gelacht haben: ſie hielten den ſchwarzen Alten wirklich für den ſchwarzen, jungen Sünder, der eben ihrem Sergeanten das Naſenbein eingeſchlagen hatte und ihnen mit der Mamſell Fegebanck durchge¬ gangen war. Im erſten Morgengrauen des Novembers und bei ſolchem Nebel war ihnen Alles, was in ge¬ lehrtem Schwarz ging, Hoſe wie Jacke. Und ſehr Vielen unter ihnen kam's überhaupt nicht drauf an, wen ſie hingen, wenn ſie nur Jemand hatten, den ſie aufhängen konnten. Zwei aber nahmen ſie natürlich noch lieber als Einen, und ſo hatten ſie auch bereits den Herrn Kloſter¬ amtmann in den Klauen an der Vortreppe ſeines Amts¬ gebäudes unter dem Strick, den ſie vom nächſten Aſt der weiland alten Kloſterlinde auf ſeinen Nacken her¬ unterließen, während ſie ſein ſchreiend Weib und ſeine halbnackten Kinder auf der Treppe feſthielten oder vom Fenſter zuſehen ließen.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/149>, abgerufen am 25.04.2024.