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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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nach gemacht, daß sie mich vor die Thür setzen mußten.
Und nun bin ich hier, ehe ich zu den hohen Alliirten
gehe, um den letzten treuesten Abschied von meinem
ältesten, treuesten und allgelahrtesten Gönner und un¬
wissend intimsten Freund zu nehmen."

"Von wem wollte Er Valet nehmen im Kloster
Amelungsborn?" fragte trotz seiner Erregung und Er¬
weichung Magister Buchius, den sie dreißig Jahre lang
in Amelungsborn im günstigsten Fall nur als einen
unschuldigen, närrischen, gutmüthigen Simplex taxirt
hatten. Und der Exschüler von Amelungsborn und
von Holzminden stotterte, jetzt ganz klein werdend:

"Auch da haben der Herr Magister Lunte gerochen?
Und haben auch hier Ihre Wissenschaft ganz für sich
selber behalten! haben keinem Menschen Ihre Wissen¬
schaft mitgetheilet!"

Der arme Junge hielt die arme machtlose rechte
Hand des alten Herrn zwischen seinen zwei wackern
Fäusten und lachte, während ihm wieder die ernsthaf¬
testen Thränen über beide Backen herunterrollten:

"Wohl dem, der so wie Goldschmieds Junge denkt,
"Und eher sich nicht zu der Liebe lenkt;
"Als bis er nach vollbrachten Jugendjahren
"Sich kann in Ehren mit der Liebsten paaren.

"Krrrr!" sprach in diesem Moment der Rabe vom
Odfelde. Es hinderte ihn sein wunder Flunk nicht,
auf den Stuhl zu hüpfen, den der junge Mensch dem
alten Magister vorhin zugerückt hatte. Nun sprang er

nach gemacht, daß ſie mich vor die Thür ſetzen mußten.
Und nun bin ich hier, ehe ich zu den hohen Alliirten
gehe, um den letzten treueſten Abſchied von meinem
älteſten, treueſten und allgelahrteſten Gönner und un¬
wiſſend intimſten Freund zu nehmen.“

„Von wem wollte Er Valet nehmen im Kloſter
Amelungsborn?“ fragte trotz ſeiner Erregung und Er¬
weichung Magiſter Buchius, den ſie dreißig Jahre lang
in Amelungsborn im günſtigſten Fall nur als einen
unſchuldigen, närriſchen, gutmüthigen Simplex taxirt
hatten. Und der Exſchüler von Amelungsborn und
von Holzminden ſtotterte, jetzt ganz klein werdend:

„Auch da haben der Herr Magiſter Lunte gerochen?
Und haben auch hier Ihre Wiſſenſchaft ganz für ſich
ſelber behalten! haben keinem Menſchen Ihre Wiſſen¬
ſchaft mitgetheilet!“

Der arme Junge hielt die arme machtloſe rechte
Hand des alten Herrn zwiſchen ſeinen zwei wackern
Fäuſten und lachte, während ihm wieder die ernſthaf¬
teſten Thränen über beide Backen herunterrollten:

„Wohl dem, der ſo wie Goldſchmieds Junge denkt,
„Und eher ſich nicht zu der Liebe lenkt;
„Als bis er nach vollbrachten Jugendjahren
„Sich kann in Ehren mit der Liebſten paaren.

„Krrrr!“ ſprach in dieſem Moment der Rabe vom
Odfelde. Es hinderte ihn ſein wunder Flunk nicht,
auf den Stuhl zu hüpfen, den der junge Menſch dem
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[102/0110] nach gemacht, daß ſie mich vor die Thür ſetzen mußten. Und nun bin ich hier, ehe ich zu den hohen Alliirten gehe, um den letzten treueſten Abſchied von meinem älteſten, treueſten und allgelahrteſten Gönner und un¬ wiſſend intimſten Freund zu nehmen.“ „Von wem wollte Er Valet nehmen im Kloſter Amelungsborn?“ fragte trotz ſeiner Erregung und Er¬ weichung Magiſter Buchius, den ſie dreißig Jahre lang in Amelungsborn im günſtigſten Fall nur als einen unſchuldigen, närriſchen, gutmüthigen Simplex taxirt hatten. Und der Exſchüler von Amelungsborn und von Holzminden ſtotterte, jetzt ganz klein werdend: „Auch da haben der Herr Magiſter Lunte gerochen? Und haben auch hier Ihre Wiſſenſchaft ganz für ſich ſelber behalten! haben keinem Menſchen Ihre Wiſſen¬ ſchaft mitgetheilet!“ Der arme Junge hielt die arme machtloſe rechte Hand des alten Herrn zwiſchen ſeinen zwei wackern Fäuſten und lachte, während ihm wieder die ernſthaf¬ teſten Thränen über beide Backen herunterrollten: „Wohl dem, der ſo wie Goldſchmieds Junge denkt, „Und eher ſich nicht zu der Liebe lenkt; „Als bis er nach vollbrachten Jugendjahren „Sich kann in Ehren mit der Liebſten paaren. „Krrrr!“ ſprach in dieſem Moment der Rabe vom Odfelde. Es hinderte ihn ſein wunder Flunk nicht, auf den Stuhl zu hüpfen, den der junge Menſch dem alten Magiſter vorhin zugerückt hatte. Nun ſprang er

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/110>, abgerufen am 25.04.2024.