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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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wir aber nicht den Bruder Philemon, den letzten ka¬
tholischen Mönch der Stiftung auf dem Auerberge über
dem Hoopthale. --

Magister Buchius war noch wach; aber er saß frei¬
lich schon mit gelösten Hosenschnallen auf seinem Bett¬
rande. Die Spukgeschichten, in die er sich nach des
Tages Erlebnissen hineingelesen hatte beim bänglichen
Tagesschluß, hatten ihn doch noch eine Weile vom völ¬
ligen Entkleiden ab- und beim Hinstarren in die trübe
Flamme seiner Lampe festgehalten. Als es nun so
pochte, wie es auch beim Schloßprediger von Iburg,
Herrn Theodorus Kampf hie und da zu mitternächt¬
licher Stunde geklopft hatte, vermochte er trotz der über¬
legenen Stimmung, in der wir ihn vorhin gelassen
haben, nicht, seines Erschreckens sogleich Meister zu
werden. Sein schlimmster Discipulus hatte einzutreten,
ohne daß er vorher dazu eingeladen worden war.

"Ich bin es, Domine," sagte Der jetzt, mit ver¬
legenem Grinsen. "Ich bitte um Permission, so späte
am Abend den Herrn Magister noch aufzustören. Thedel
Münchhausen, mein Herr Magister! Von Holzminden
her mit übergroßer Sehnsucht nach Ihm! Vivat Fer¬
dinandus Dux
!"

"Krah!" sagte der Rabe, durch den neuen Besuch
in seinem Schlaf gestört.

"Ohe, was haben der Herr Magister da für einen
neuen Stubenkameraden! ... Ich bin's wirklich noch
einmal in Fleisch und Blut, Thedel Münchhausen!

wir aber nicht den Bruder Philemon, den letzten ka¬
tholiſchen Mönch der Stiftung auf dem Auerberge über
dem Hoopthale. —

Magiſter Buchius war noch wach; aber er ſaß frei¬
lich ſchon mit gelöſten Hoſenſchnallen auf ſeinem Bett¬
rande. Die Spukgeſchichten, in die er ſich nach des
Tages Erlebniſſen hineingeleſen hatte beim bänglichen
Tagesſchluß, hatten ihn doch noch eine Weile vom völ¬
ligen Entkleiden ab- und beim Hinſtarren in die trübe
Flamme ſeiner Lampe feſtgehalten. Als es nun ſo
pochte, wie es auch beim Schloßprediger von Iburg,
Herrn Theodorus Kampf hie und da zu mitternächt¬
licher Stunde geklopft hatte, vermochte er trotz der über¬
legenen Stimmung, in der wir ihn vorhin gelaſſen
haben, nicht, ſeines Erſchreckens ſogleich Meiſter zu
werden. Sein ſchlimmſter Discipulus hatte einzutreten,
ohne daß er vorher dazu eingeladen worden war.

„Ich bin es, Domine,“ ſagte Der jetzt, mit ver¬
legenem Grinſen. „Ich bitte um Permiſſion, ſo ſpäte
am Abend den Herrn Magiſter noch aufzuſtören. Thedel
Münchhauſen, mein Herr Magiſter! Von Holzminden
her mit übergroßer Sehnſucht nach Ihm! Vivat Fer¬
dinandus Dux
!“

„Krah!“ ſagte der Rabe, durch den neuen Beſuch
in ſeinem Schlaf geſtört.

„Ohe, was haben der Herr Magiſter da für einen
neuen Stubenkameraden! ... Ich bin's wirklich noch
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[94/0102] wir aber nicht den Bruder Philemon, den letzten ka¬ tholiſchen Mönch der Stiftung auf dem Auerberge über dem Hoopthale. — Magiſter Buchius war noch wach; aber er ſaß frei¬ lich ſchon mit gelöſten Hoſenſchnallen auf ſeinem Bett¬ rande. Die Spukgeſchichten, in die er ſich nach des Tages Erlebniſſen hineingeleſen hatte beim bänglichen Tagesſchluß, hatten ihn doch noch eine Weile vom völ¬ ligen Entkleiden ab- und beim Hinſtarren in die trübe Flamme ſeiner Lampe feſtgehalten. Als es nun ſo pochte, wie es auch beim Schloßprediger von Iburg, Herrn Theodorus Kampf hie und da zu mitternächt¬ licher Stunde geklopft hatte, vermochte er trotz der über¬ legenen Stimmung, in der wir ihn vorhin gelaſſen haben, nicht, ſeines Erſchreckens ſogleich Meiſter zu werden. Sein ſchlimmſter Discipulus hatte einzutreten, ohne daß er vorher dazu eingeladen worden war. „Ich bin es, Domine,“ ſagte Der jetzt, mit ver¬ legenem Grinſen. „Ich bitte um Permiſſion, ſo ſpäte am Abend den Herrn Magiſter noch aufzuſtören. Thedel Münchhauſen, mein Herr Magiſter! Von Holzminden her mit übergroßer Sehnſucht nach Ihm! Vivat Fer¬ dinandus Dux!“ „Krah!“ ſagte der Rabe, durch den neuen Beſuch in ſeinem Schlaf geſtört. „Ohe, was haben der Herr Magiſter da für einen neuen Stubenkameraden! ... Ich bin's wirklich noch einmal in Fleiſch und Blut, Thedel Münchhauſen!

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/102>, abgerufen am 29.03.2024.