Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Stierens ins Blaue, und ich soll Dich von ihr
grüßen. -- Mir selber liegt ja leider weniger dran,
mich nicht noch mal zu blamiren; aber der alten
Frau möchte ich doch den Verdruß, und Deinem
würdigen Erzeuger sein melancholisches Behagen
an meiner Schande nicht zum zweiten Mal zum
vollen Auskosten anbieten. Ich büffle. Und Du
Ochse treibst Dich fessellos in der süßen Freiheit
herum; und theure Angehörige, sowie Staat und
Kirche halten Dir schon die volle Krippe und den
warmen Stall bereit, wenn Du heimkehrst von
der blumigen Wiese Deiner jungen Ungebunden¬
heit. Mir blühte bis jetzt hier im Vogelsang
bloß die Eselswiese, und wäre ich nicht ich und meine
Alte sie, so wäre die Geschichte einfach nicht zum
Aushalten gewesen, der faulen Redensarten wegen
ob meiner bodenlosen Faulheit. Na ja! Hätte
mich nicht auch unser allerhöchst Regierender, das
heißt eigentlich mehr unsere allergnädigste Landes¬
mutter kommen lassen, um mich persönlich kennen
zu lernen und mir ins Gewissen zu reden, so
hätte allgemach meine Mutter Jedem, der sich
sonst nach mir erkundigte, nur sagen können:
,Unterm Sofa steckt er. Locken Sie ihn mal!
Ich kriege ihn weder durch Güte noch durch Gewalt
mehr drunter weg.' -- Cäsar und sein Glück!

Stierens ins Blaue, und ich ſoll Dich von ihr
grüßen. — Mir ſelber liegt ja leider weniger dran,
mich nicht noch mal zu blamiren; aber der alten
Frau möchte ich doch den Verdruß, und Deinem
würdigen Erzeuger ſein melancholiſches Behagen
an meiner Schande nicht zum zweiten Mal zum
vollen Auskoſten anbieten. Ich büffle. Und Du
Ochſe treibſt Dich feſſellos in der ſüßen Freiheit
herum; und theure Angehörige, ſowie Staat und
Kirche halten Dir ſchon die volle Krippe und den
warmen Stall bereit, wenn Du heimkehrſt von
der blumigen Wieſe Deiner jungen Ungebunden¬
heit. Mir blühte bis jetzt hier im Vogelſang
bloß die Eſelswieſe, und wäre ich nicht ich und meine
Alte ſie, ſo wäre die Geſchichte einfach nicht zum
Aushalten geweſen, der faulen Redensarten wegen
ob meiner bodenloſen Faulheit. Na ja! Hätte
mich nicht auch unſer allerhöchſt Regierender, das
heißt eigentlich mehr unſere allergnädigſte Landes¬
mutter kommen laſſen, um mich perſönlich kennen
zu lernen und mir ins Gewiſſen zu reden, ſo
hätte allgemach meine Mutter Jedem, der ſich
ſonſt nach mir erkundigte, nur ſagen können:
‚Unterm Sofa ſteckt er. Locken Sie ihn mal!
Ich kriege ihn weder durch Güte noch durch Gewalt
mehr drunter weg.‘ — Cäſar und ſein Glück!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0094" n="84"/>
Stierens ins Blaue, und ich &#x017F;oll Dich von ihr<lb/>
grüßen. &#x2014; Mir &#x017F;elber liegt ja leider weniger dran,<lb/>
mich nicht noch mal zu blamiren; aber der alten<lb/>
Frau möchte ich doch den Verdruß, und Deinem<lb/>
würdigen Erzeuger &#x017F;ein melancholi&#x017F;ches Behagen<lb/>
an meiner Schande nicht zum zweiten Mal zum<lb/>
vollen Ausko&#x017F;ten anbieten. Ich büffle. Und Du<lb/>
Och&#x017F;e treib&#x017F;t Dich fe&#x017F;&#x017F;ellos in der &#x017F;üßen Freiheit<lb/>
herum; und theure Angehörige, &#x017F;owie Staat und<lb/>
Kirche halten Dir &#x017F;chon die volle Krippe und den<lb/>
warmen Stall bereit, wenn Du heimkehr&#x017F;t von<lb/>
der blumigen Wie&#x017F;e Deiner jungen Ungebunden¬<lb/>
heit. Mir blühte bis jetzt hier im Vogel&#x017F;ang<lb/>
bloß die E&#x017F;elswie&#x017F;e, und wäre ich nicht <hi rendition="#g">ich</hi> und meine<lb/>
Alte <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi>, &#x017F;o wäre die Ge&#x017F;chichte einfach nicht zum<lb/>
Aushalten gewe&#x017F;en, der faulen Redensarten wegen<lb/>
ob meiner bodenlo&#x017F;en Faulheit. Na ja! Hätte<lb/>
mich nicht auch un&#x017F;er allerhöch&#x017F;t Regierender, das<lb/>
heißt eigentlich mehr un&#x017F;ere allergnädig&#x017F;te Landes¬<lb/>
mutter kommen la&#x017F;&#x017F;en, um mich per&#x017F;önlich kennen<lb/>
zu lernen und mir ins Gewi&#x017F;&#x017F;en zu reden, &#x017F;o<lb/>
hätte allgemach meine Mutter Jedem, der &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t nach mir erkundigte, nur &#x017F;agen können:<lb/>
&#x201A;Unterm Sofa &#x017F;teckt er. Locken Sie ihn mal!<lb/>
Ich kriege ihn weder durch Güte noch durch Gewalt<lb/>
mehr drunter weg.&#x2018; &#x2014;&#x017F;ar und &#x017F;ein Glück!<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0094] Stierens ins Blaue, und ich ſoll Dich von ihr grüßen. — Mir ſelber liegt ja leider weniger dran, mich nicht noch mal zu blamiren; aber der alten Frau möchte ich doch den Verdruß, und Deinem würdigen Erzeuger ſein melancholiſches Behagen an meiner Schande nicht zum zweiten Mal zum vollen Auskoſten anbieten. Ich büffle. Und Du Ochſe treibſt Dich feſſellos in der ſüßen Freiheit herum; und theure Angehörige, ſowie Staat und Kirche halten Dir ſchon die volle Krippe und den warmen Stall bereit, wenn Du heimkehrſt von der blumigen Wieſe Deiner jungen Ungebunden¬ heit. Mir blühte bis jetzt hier im Vogelſang bloß die Eſelswieſe, und wäre ich nicht ich und meine Alte ſie, ſo wäre die Geſchichte einfach nicht zum Aushalten geweſen, der faulen Redensarten wegen ob meiner bodenloſen Faulheit. Na ja! Hätte mich nicht auch unſer allerhöchſt Regierender, das heißt eigentlich mehr unſere allergnädigſte Landes¬ mutter kommen laſſen, um mich perſönlich kennen zu lernen und mir ins Gewiſſen zu reden, ſo hätte allgemach meine Mutter Jedem, der ſich ſonſt nach mir erkundigte, nur ſagen können: ‚Unterm Sofa ſteckt er. Locken Sie ihn mal! Ich kriege ihn weder durch Güte noch durch Gewalt mehr drunter weg.‘ — Cäſar und ſein Glück!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/94
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/94>, abgerufen am 24.04.2024.