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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Universität habe! Sieh doch mal über die Hecke,
Frau, und frage Deine Amalie, was sie nun wieder
vorhaben. -- Der Lärm ist ja unerträglich."

Jawohl, der Lärm war unerträglich, vorzüglich
für mich, der trotz seiner bessern Erziehung und Be¬
aufsichtigung, oder gerade wegen derselben, so gern
mit dabei gewesen wäre; aber --

"Was habt ihr denn, Kinder?" fragte, ihr
Strickzeug niederlegend, meine Mutter über den
nachbarlichen Zaun, und -- da sind sie schon mit
hochrothen Köpfen, Fräulein Ellen und Velten Andres,
und hinter ihnen erscheinen die Mütter, Mistreß
Trotzendorff in Thränen -- und die Frau Doktern
sagt über deren Schulter weg mit ihrem Lächeln:

"Ja, es war die höchste Zeit, daß von hier aus
mal wieder eingeschritten wurde. Jetzt reden Sie
Vernunft, Nachbar Krumhardt; ich bin mit der
meinigen vollständig zu Ende."

Es war am Tage vorher eine Hundertdollar¬
note aus Nordamerika im Vogelsang angelangt, und
Mrs. A. Trotzendorff hatte, ohne alte Schulden in der
Nachbarschaft abzutragen, sofort an diesem Sonntag¬
nachmittag ihre Vernunft walten lassen, das Wort
genommen und es behalten trotz Veltens naseweisen
unverschämten Einredens, trotz der Frau Amalie

Univerſität habe! Sieh doch mal über die Hecke,
Frau, und frage Deine Amalie, was ſie nun wieder
vorhaben. — Der Lärm iſt ja unerträglich.“

Jawohl, der Lärm war unerträglich, vorzüglich
für mich, der trotz ſeiner beſſern Erziehung und Be¬
aufſichtigung, oder gerade wegen derſelben, ſo gern
mit dabei geweſen wäre; aber —

„Was habt ihr denn, Kinder?“ fragte, ihr
Strickzeug niederlegend, meine Mutter über den
nachbarlichen Zaun, und — da ſind ſie ſchon mit
hochrothen Köpfen, Fräulein Ellen und Velten Andres,
und hinter ihnen erſcheinen die Mütter, Miſtreß
Trotzendorff in Thränen — und die Frau Doktern
ſagt über deren Schulter weg mit ihrem Lächeln:

„Ja, es war die höchſte Zeit, daß von hier aus
mal wieder eingeſchritten wurde. Jetzt reden Sie
Vernunft, Nachbar Krumhardt; ich bin mit der
meinigen vollſtändig zu Ende.“

Es war am Tage vorher eine Hundertdollar¬
note aus Nordamerika im Vogelſang angelangt, und
Mrs. A. Trotzendorff hatte, ohne alte Schulden in der
Nachbarſchaft abzutragen, ſofort an dieſem Sonntag¬
nachmittag ihre Vernunft walten laſſen, das Wort
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[56/0066] Univerſität habe! Sieh doch mal über die Hecke, Frau, und frage Deine Amalie, was ſie nun wieder vorhaben. — Der Lärm iſt ja unerträglich.“ Jawohl, der Lärm war unerträglich, vorzüglich für mich, der trotz ſeiner beſſern Erziehung und Be¬ aufſichtigung, oder gerade wegen derſelben, ſo gern mit dabei geweſen wäre; aber — „Was habt ihr denn, Kinder?“ fragte, ihr Strickzeug niederlegend, meine Mutter über den nachbarlichen Zaun, und — da ſind ſie ſchon mit hochrothen Köpfen, Fräulein Ellen und Velten Andres, und hinter ihnen erſcheinen die Mütter, Miſtreß Trotzendorff in Thränen — und die Frau Doktern ſagt über deren Schulter weg mit ihrem Lächeln: „Ja, es war die höchſte Zeit, daß von hier aus mal wieder eingeſchritten wurde. Jetzt reden Sie Vernunft, Nachbar Krumhardt; ich bin mit der meinigen vollſtändig zu Ende.“ Es war am Tage vorher eine Hundertdollar¬ note aus Nordamerika im Vogelſang angelangt, und Mrs. A. Trotzendorff hatte, ohne alte Schulden in der Nachbarſchaft abzutragen, ſofort an dieſem Sonntag¬ nachmittag ihre Vernunft walten laſſen, das Wort genommen und es behalten trotz Veltens naſeweiſen unverſchämten Einredens, trotz der Frau Amalie

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/66>, abgerufen am 28.03.2024.