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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Was erzieht Alles an dem Menschen! Und wie
werden mit allen anderen Hoffnungen und Be¬
fürchtungen Eltern-Sorgen und -Glücksträume zu
nichte und erweisen sich als überflüssig oder besser,
als mehr oder weniger angenehmer Zeitvertreib im
Erdendasein!

Als ein wohlgerathener Sohn, als ein älterer
verständiger Mann, als wohlgestellter Familienvater,
als "angesehener", höherer Staatsbeamter erzähle ich
heute weiter vom Vogelsang, und theile zuerst mit,
daß mir, wenn nicht die besten Lateiner und Griechen
auf unserm illustren Gymnasium, so doch die besten
Engländer waren. Der für diesen Unterrichtszweig vom
Staate besoldete Oberlehrer und Doktor war, obgleich
er ein ganzes halbes Jahr "in London gewesen war",
durchaus nicht schuld daran. Wir hatten das einzig
und allein dieser "kleinen amerikanischen Krabbe" zu
verdanken, die zuerst uns in den Vogelsang die ver¬
blüffende Offenbarung brachte, daß allerhand nichts¬
nutzige Sprachen nicht nur todt zu unserm Elend in
den Grammatiken und in Büchern ständen, sondern
wirklich und wahrhaftig lebendig seien und bei aller¬
hand Völkerschaften außerhalb des deutschen Vater¬
landes tagtäglich im Gebrauch und um uns im
Vogelsang zu "imponiren".

"Imponiren lasse ich mir nicht. Schlage mal

Was erzieht Alles an dem Menſchen! Und wie
werden mit allen anderen Hoffnungen und Be¬
fürchtungen Eltern-Sorgen und -Glücksträume zu
nichte und erweiſen ſich als überflüſſig oder beſſer,
als mehr oder weniger angenehmer Zeitvertreib im
Erdendaſein!

Als ein wohlgerathener Sohn, als ein älterer
verſtändiger Mann, als wohlgeſtellter Familienvater,
als „angeſehener“, höherer Staatsbeamter erzähle ich
heute weiter vom Vogelſang, und theile zuerſt mit,
daß mir, wenn nicht die beſten Lateiner und Griechen
auf unſerm illuſtren Gymnaſium, ſo doch die beſten
Engländer waren. Der für dieſen Unterrichtszweig vom
Staate beſoldete Oberlehrer und Doktor war, obgleich
er ein ganzes halbes Jahr „in London geweſen war“,
durchaus nicht ſchuld daran. Wir hatten das einzig
und allein dieſer „kleinen amerikaniſchen Krabbe“ zu
verdanken, die zuerſt uns in den Vogelſang die ver¬
blüffende Offenbarung brachte, daß allerhand nichts¬
nutzige Sprachen nicht nur todt zu unſerm Elend in
den Grammatiken und in Büchern ſtänden, ſondern
wirklich und wahrhaftig lebendig ſeien und bei aller¬
hand Völkerſchaften außerhalb des deutſchen Vater¬
landes tagtäglich im Gebrauch und um uns im
Vogelſang zu „imponiren“.

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[52/0062] Was erzieht Alles an dem Menſchen! Und wie werden mit allen anderen Hoffnungen und Be¬ fürchtungen Eltern-Sorgen und -Glücksträume zu nichte und erweiſen ſich als überflüſſig oder beſſer, als mehr oder weniger angenehmer Zeitvertreib im Erdendaſein! Als ein wohlgerathener Sohn, als ein älterer verſtändiger Mann, als wohlgeſtellter Familienvater, als „angeſehener“, höherer Staatsbeamter erzähle ich heute weiter vom Vogelſang, und theile zuerſt mit, daß mir, wenn nicht die beſten Lateiner und Griechen auf unſerm illuſtren Gymnaſium, ſo doch die beſten Engländer waren. Der für dieſen Unterrichtszweig vom Staate beſoldete Oberlehrer und Doktor war, obgleich er ein ganzes halbes Jahr „in London geweſen war“, durchaus nicht ſchuld daran. Wir hatten das einzig und allein dieſer „kleinen amerikaniſchen Krabbe“ zu verdanken, die zuerſt uns in den Vogelſang die ver¬ blüffende Offenbarung brachte, daß allerhand nichts¬ nutzige Sprachen nicht nur todt zu unſerm Elend in den Grammatiken und in Büchern ſtänden, ſondern wirklich und wahrhaftig lebendig ſeien und bei aller¬ hand Völkerſchaften außerhalb des deutſchen Vater¬ landes tagtäglich im Gebrauch und um uns im Vogelſang zu „imponiren“. „Imponiren laſſe ich mir nicht. Schlage mal

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/62>, abgerufen am 24.04.2024.