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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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kleinen Schrei ausgestoßen, ob des ersten, grellen
Leuchtens und rasch nachfolgenden Krachs aus der
Höhe. Sie duckte sich auch vor dem Platzregen, aber
sie biß die Zähne zusammen und blieb auf ihrem
Sitze.

"Jetzt sei keine Närrin, Lenchen. Komm mit
nach Hause."

"Nein."

"Thu es Karls wegen. Der arme Teufel besieht
Redensarten, an denen er wochenlang zu kauen
hat, wenn er mit verdorbenem Sonntagsstaat heim
kommt."

"Er kann ja laufen. Ihr könnt meinetwegen
Beide laufen; ich finde meinen Weg schon allein.
Ich denke an meinen Vater in Amerika und brauche
keinen andern hier. Meine Mutter sagt, wenn er
kommt, ist er reicher und vornehmer und stärker als
Alle hier."

"Es ist wahrhaftig Hagel dabei, und die Sache
wird ungemüthlich, Karl," brummt Velten. "Na, bei
schönem Wetter habe ich nichts dagegen, daß Du die
Märchenprinzeß herausbeißest, Miß Ellen; jetzt hör
auf mit Deinem Schnack; -- und gehst Du nicht willig,
so brauch ich Gewalt, sagt Goethe, und nun komm
Herzchen --

W. Raabe. Die Akten des Vogelsangs. 4

kleinen Schrei ausgeſtoßen, ob des erſten, grellen
Leuchtens und raſch nachfolgenden Krachs aus der
Höhe. Sie duckte ſich auch vor dem Platzregen, aber
ſie biß die Zähne zuſammen und blieb auf ihrem
Sitze.

„Jetzt ſei keine Närrin, Lenchen. Komm mit
nach Hauſe.“

„Nein.“

„Thu es Karls wegen. Der arme Teufel beſieht
Redensarten, an denen er wochenlang zu kauen
hat, wenn er mit verdorbenem Sonntagsſtaat heim
kommt.“

„Er kann ja laufen. Ihr könnt meinetwegen
Beide laufen; ich finde meinen Weg ſchon allein.
Ich denke an meinen Vater in Amerika und brauche
keinen andern hier. Meine Mutter ſagt, wenn er
kommt, iſt er reicher und vornehmer und ſtärker als
Alle hier.“

„Es iſt wahrhaftig Hagel dabei, und die Sache
wird ungemüthlich, Karl,“ brummt Velten. „Na, bei
ſchönem Wetter habe ich nichts dagegen, daß Du die
Märchenprinzeß herausbeißeſt, Miß Ellen; jetzt hör
auf mit Deinem Schnack; — und gehſt Du nicht willig,
ſo brauch ich Gewalt, ſagt Goethe, und nun komm
Herzchen —

W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 4
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[49/0059] kleinen Schrei ausgeſtoßen, ob des erſten, grellen Leuchtens und raſch nachfolgenden Krachs aus der Höhe. Sie duckte ſich auch vor dem Platzregen, aber ſie biß die Zähne zuſammen und blieb auf ihrem Sitze. „Jetzt ſei keine Närrin, Lenchen. Komm mit nach Hauſe.“ „Nein.“ „Thu es Karls wegen. Der arme Teufel beſieht Redensarten, an denen er wochenlang zu kauen hat, wenn er mit verdorbenem Sonntagsſtaat heim kommt.“ „Er kann ja laufen. Ihr könnt meinetwegen Beide laufen; ich finde meinen Weg ſchon allein. Ich denke an meinen Vater in Amerika und brauche keinen andern hier. Meine Mutter ſagt, wenn er kommt, iſt er reicher und vornehmer und ſtärker als Alle hier.“ „Es iſt wahrhaftig Hagel dabei, und die Sache wird ungemüthlich, Karl,“ brummt Velten. „Na, bei ſchönem Wetter habe ich nichts dagegen, daß Du die Märchenprinzeß herausbeißeſt, Miß Ellen; jetzt hör auf mit Deinem Schnack; — und gehſt Du nicht willig, ſo brauch ich Gewalt, ſagt Goethe, und nun komm Herzchen — W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 4

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/59>, abgerufen am 19.04.2024.