Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Jahre und in der Nachbarschaft noch näher anein¬
ander heranspielen, so giebt das mal 'nen Haushalt
mit Mord und Todschlag."

"Ich bin nicht trotzig! ich bin nicht eigensinnig!
Ich ging nur auf den Osterberg hinauf, weil Velten
wieder Alles allein für sich haben wollte und den
Großartigen spielen. Mir that es so weh, mir that
es weher als wie ihm. Karlchen weiß es, wie er ist,
und ich will mich nicht von euch Allen eine Heultrine
schimpfen lassen!" weinte, schluchzte unter wahrem
Thränenstrome Helene Trotzendorff jetzt unter den
Händen der beiden Mütter. Das heißt, eigentlich
nur unter den Händen der Nachbarin Andres, denn
die Nachbarin Trotzendorff konnte Verwundungen
nicht gut ansehen, geschweige denn hilfebringend fest
und kräftig anrühren.

Das Kind stand große Schmerzen aus; aber es
behielt während des Verbandes den Unheilskameraden
im Auge und rief mit dem Fuße aufstampfend: "Ja,
gucke nur. Bilde Dir nur nichts drauf ein, dummer
Junge, daß Du ein Junge bist. Und wenn uns
Herr Hartleben jetzt Deiner Dummheit wegen aus
dem Hause wirft, so will ich auch allein schuld daran
sein und gehe wieder in die Welt und nach Amerika
und suche meinen Papa. Nicht wahr, Ma, und wenn wir
den gefunden haben, dann können wir wieder auf den

Jahre und in der Nachbarſchaft noch näher anein¬
ander heranſpielen, ſo giebt das mal 'nen Haushalt
mit Mord und Todſchlag.“

„Ich bin nicht trotzig! ich bin nicht eigenſinnig!
Ich ging nur auf den Oſterberg hinauf, weil Velten
wieder Alles allein für ſich haben wollte und den
Großartigen ſpielen. Mir that es ſo weh, mir that
es weher als wie ihm. Karlchen weiß es, wie er iſt,
und ich will mich nicht von euch Allen eine Heultrine
ſchimpfen laſſen!“ weinte, ſchluchzte unter wahrem
Thränenſtrome Helene Trotzendorff jetzt unter den
Händen der beiden Mütter. Das heißt, eigentlich
nur unter den Händen der Nachbarin Andres, denn
die Nachbarin Trotzendorff konnte Verwundungen
nicht gut anſehen, geſchweige denn hilfebringend feſt
und kräftig anrühren.

Das Kind ſtand große Schmerzen aus; aber es
behielt während des Verbandes den Unheilskameraden
im Auge und rief mit dem Fuße aufſtampfend: „Ja,
gucke nur. Bilde Dir nur nichts drauf ein, dummer
Junge, daß Du ein Junge biſt. Und wenn uns
Herr Hartleben jetzt Deiner Dummheit wegen aus
dem Hauſe wirft, ſo will ich auch allein ſchuld daran
ſein und gehe wieder in die Welt und nach Amerika
und ſuche meinen Papa. Nicht wahr, Ma, und wenn wir
den gefunden haben, dann können wir wieder auf den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0050" n="40"/>
Jahre und in der Nachbar&#x017F;chaft noch näher anein¬<lb/>
ander heran&#x017F;pielen, &#x017F;o giebt das mal 'nen Haushalt<lb/>
mit Mord und Tod&#x017F;chlag.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Ich bin nicht trotzig! ich bin nicht eigen&#x017F;innig!<lb/>
Ich ging nur auf den O&#x017F;terberg hinauf, weil Velten<lb/>
wieder Alles allein für &#x017F;ich haben wollte und den<lb/>
Großartigen &#x017F;pielen. Mir that es &#x017F;o weh, mir that<lb/>
es weher als wie ihm. Karlchen weiß es, wie er i&#x017F;t,<lb/>
und ich will mich nicht von euch Allen eine Heultrine<lb/>
&#x017F;chimpfen la&#x017F;&#x017F;en!&#x201C; weinte, &#x017F;chluchzte unter wahrem<lb/>
Thränen&#x017F;trome Helene Trotzendorff jetzt unter den<lb/>
Händen der beiden Mütter. Das heißt, eigentlich<lb/>
nur unter den Händen der Nachbarin Andres, denn<lb/>
die Nachbarin Trotzendorff konnte Verwundungen<lb/>
nicht gut an&#x017F;ehen, ge&#x017F;chweige denn hilfebringend fe&#x017F;t<lb/>
und kräftig anrühren.</p><lb/>
      <p>Das Kind &#x017F;tand große Schmerzen aus; aber es<lb/>
behielt während des Verbandes den Unheilskameraden<lb/>
im Auge und rief mit dem Fuße auf&#x017F;tampfend: &#x201E;Ja,<lb/>
gucke nur. Bilde Dir nur nichts drauf ein, dummer<lb/>
Junge, daß Du ein Junge bi&#x017F;t. Und wenn uns<lb/>
Herr Hartleben jetzt Deiner Dummheit wegen aus<lb/>
dem Hau&#x017F;e wirft, &#x017F;o will ich auch allein &#x017F;chuld daran<lb/>
&#x017F;ein und gehe wieder in die Welt und nach Amerika<lb/>
und &#x017F;uche meinen Papa. Nicht wahr, Ma, und wenn wir<lb/>
den gefunden haben, dann können wir wieder auf den<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0050] Jahre und in der Nachbarſchaft noch näher anein¬ ander heranſpielen, ſo giebt das mal 'nen Haushalt mit Mord und Todſchlag.“ „Ich bin nicht trotzig! ich bin nicht eigenſinnig! Ich ging nur auf den Oſterberg hinauf, weil Velten wieder Alles allein für ſich haben wollte und den Großartigen ſpielen. Mir that es ſo weh, mir that es weher als wie ihm. Karlchen weiß es, wie er iſt, und ich will mich nicht von euch Allen eine Heultrine ſchimpfen laſſen!“ weinte, ſchluchzte unter wahrem Thränenſtrome Helene Trotzendorff jetzt unter den Händen der beiden Mütter. Das heißt, eigentlich nur unter den Händen der Nachbarin Andres, denn die Nachbarin Trotzendorff konnte Verwundungen nicht gut anſehen, geſchweige denn hilfebringend feſt und kräftig anrühren. Das Kind ſtand große Schmerzen aus; aber es behielt während des Verbandes den Unheilskameraden im Auge und rief mit dem Fuße aufſtampfend: „Ja, gucke nur. Bilde Dir nur nichts drauf ein, dummer Junge, daß Du ein Junge biſt. Und wenn uns Herr Hartleben jetzt Deiner Dummheit wegen aus dem Hauſe wirft, ſo will ich auch allein ſchuld daran ſein und gehe wieder in die Welt und nach Amerika und ſuche meinen Papa. Nicht wahr, Ma, und wenn wir den gefunden haben, dann können wir wieder auf den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/50
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/50>, abgerufen am 24.04.2024.