Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

ich an sicherm Eigenthum, an dem Reichthum dieser
Erde gewonnen hatte, was mir davon gegeben worden
war auf meinem Wege bis zu diesem betrüblichen
Tage? --

Wir blieben den Tag über für uns allein. Als
ich meiner Kleinen aber von der Heimkehr Velten
Andres' erzählte, sagte sie:

"Ah, der gehört natürlich zu uns, Dein bester
Freund! Ich kenne ihn ja eigentlich kaum; aber
wie oft ist bei uns, in meiner Eltern Hause, von
ihm und was er an meinem Bruder gethan hat, die
Rede gewesen! Ich war zu jener Zeit, als er für
uns sein Leben gewagt hat, noch ein zu junges Kind,
um seine Heldenthat ganz zu fassen; aber ich sehe
heute noch meine Mutter in Ohnmacht und im Wein¬
krampf und meinen Vater außer sich. Nachher ist
leider weniger gut von ihm gesprochen worden und
Papa hat ärgerlich gemeint, es sei Schade, daß so
ganz und gar nichts mit ihm anzufangen sei; und
dabei bin ich denn, weißt Du, auch so nach und nach
herangewachsen, und habe mir meine eigene Meinung
gebildet, und Du bist gekommen und hast mir dabei
geholfen, das heißt, Du weißt es wohl selber am¬
besten, wie Du mich nicht nur aus meines Vaters
Hause, sondern auch in alle möglichen anderen An¬
sichten über Gott und die Welt hinein und für Dich

ich an ſicherm Eigenthum, an dem Reichthum dieſer
Erde gewonnen hatte, was mir davon gegeben worden
war auf meinem Wege bis zu dieſem betrüblichen
Tage? —

Wir blieben den Tag über für uns allein. Als
ich meiner Kleinen aber von der Heimkehr Velten
Andres' erzählte, ſagte ſie:

„Ah, der gehört natürlich zu uns, Dein beſter
Freund! Ich kenne ihn ja eigentlich kaum; aber
wie oft iſt bei uns, in meiner Eltern Hauſe, von
ihm und was er an meinem Bruder gethan hat, die
Rede geweſen! Ich war zu jener Zeit, als er für
uns ſein Leben gewagt hat, noch ein zu junges Kind,
um ſeine Heldenthat ganz zu faſſen; aber ich ſehe
heute noch meine Mutter in Ohnmacht und im Wein¬
krampf und meinen Vater außer ſich. Nachher iſt
leider weniger gut von ihm geſprochen worden und
Papa hat ärgerlich gemeint, es ſei Schade, daß ſo
ganz und gar nichts mit ihm anzufangen ſei; und
dabei bin ich denn, weißt Du, auch ſo nach und nach
herangewachſen, und habe mir meine eigene Meinung
gebildet, und Du biſt gekommen und haſt mir dabei
geholfen, das heißt, Du weißt es wohl ſelber am¬
beſten, wie Du mich nicht nur aus meines Vaters
Hauſe, ſondern auch in alle möglichen anderen An¬
ſichten über Gott und die Welt hinein und für Dich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0224" n="214"/>
ich an &#x017F;icherm Eigenthum, an dem Reichthum die&#x017F;er<lb/>
Erde gewonnen hatte, was mir davon gegeben worden<lb/>
war auf meinem Wege bis zu die&#x017F;em betrüblichen<lb/>
Tage? &#x2014;</p><lb/>
      <p>Wir blieben den Tag über für uns allein. Als<lb/>
ich meiner Kleinen aber von der Heimkehr Velten<lb/>
Andres' erzählte, &#x017F;agte &#x017F;ie:</p><lb/>
      <p>&#x201E;Ah, der gehört natürlich zu uns, Dein be&#x017F;ter<lb/>
Freund! Ich kenne ihn ja eigentlich kaum; aber<lb/>
wie oft i&#x017F;t bei uns, in meiner Eltern Hau&#x017F;e, von<lb/>
ihm und was er an meinem Bruder gethan hat, die<lb/>
Rede gewe&#x017F;en! Ich war zu jener Zeit, als er für<lb/>
uns &#x017F;ein Leben gewagt hat, noch ein zu junges Kind,<lb/>
um &#x017F;eine Heldenthat ganz zu fa&#x017F;&#x017F;en; aber ich &#x017F;ehe<lb/>
heute noch meine Mutter in Ohnmacht und im Wein¬<lb/>
krampf und meinen Vater außer &#x017F;ich. Nachher i&#x017F;t<lb/>
leider weniger gut von ihm ge&#x017F;prochen worden und<lb/>
Papa hat ärgerlich gemeint, es &#x017F;ei Schade, daß &#x017F;o<lb/>
ganz und gar nichts mit ihm anzufangen &#x017F;ei; und<lb/>
dabei bin ich denn, weißt Du, auch &#x017F;o nach und nach<lb/>
herangewach&#x017F;en, und habe mir meine eigene Meinung<lb/>
gebildet, und Du bi&#x017F;t gekommen und ha&#x017F;t mir dabei<lb/>
geholfen, das heißt, Du weißt es wohl &#x017F;elber am¬<lb/>
be&#x017F;ten, wie Du mich nicht nur aus meines Vaters<lb/>
Hau&#x017F;e, &#x017F;ondern auch in alle möglichen anderen An¬<lb/>
&#x017F;ichten über Gott und die Welt hinein und für Dich<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0224] ich an ſicherm Eigenthum, an dem Reichthum dieſer Erde gewonnen hatte, was mir davon gegeben worden war auf meinem Wege bis zu dieſem betrüblichen Tage? — Wir blieben den Tag über für uns allein. Als ich meiner Kleinen aber von der Heimkehr Velten Andres' erzählte, ſagte ſie: „Ah, der gehört natürlich zu uns, Dein beſter Freund! Ich kenne ihn ja eigentlich kaum; aber wie oft iſt bei uns, in meiner Eltern Hauſe, von ihm und was er an meinem Bruder gethan hat, die Rede geweſen! Ich war zu jener Zeit, als er für uns ſein Leben gewagt hat, noch ein zu junges Kind, um ſeine Heldenthat ganz zu faſſen; aber ich ſehe heute noch meine Mutter in Ohnmacht und im Wein¬ krampf und meinen Vater außer ſich. Nachher iſt leider weniger gut von ihm geſprochen worden und Papa hat ärgerlich gemeint, es ſei Schade, daß ſo ganz und gar nichts mit ihm anzufangen ſei; und dabei bin ich denn, weißt Du, auch ſo nach und nach herangewachſen, und habe mir meine eigene Meinung gebildet, und Du biſt gekommen und haſt mir dabei geholfen, das heißt, Du weißt es wohl ſelber am¬ beſten, wie Du mich nicht nur aus meines Vaters Hauſe, ſondern auch in alle möglichen anderen An¬ ſichten über Gott und die Welt hinein und für Dich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/224
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/224>, abgerufen am 16.04.2024.