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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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wenn es gewünscht worden ist; aus der Hand nahm
es mir der Nächste mir zur Seite und sagte:

"Das war ein wohlmeinender, braver und kluger
Mann, Krumhardt. Mögen Deine spätesten Enkel
noch süße Früchte mit seinen wackeren Knochen vom
Baume des Lebens werfen . . ."

Velten! . . . Velten Andres! Nun verletzte ich
doch den Anstand, indem ich zurücktretend dem Chef des
Entschlafenen, der nach mir nach der Schaufel hatte
greifen wollen, auf den Fuß trat. Den Spaten
reichte Velten ihm:

"Bitte, Herr Obergerichtspräsident."

Später sind keine Störungen mehr vorgefallen.
Es ist nur gethan und gesagt worden, was bei solchen
Gelegenheiten gethan und gesagt zu werden pflegt.
Ich, der ich mehr als ein Anderer (auch als der
Freund) von den Vorzügen des alten Herrn Kenntniß
hatte und überzeugt war, kann es bezeugen, daß mir
nichts über ihn gesprochen wurde, was nicht die volle
Wahrheit war. Als wir ihn dann ließen, und ein
Jeder, der ihm die letzte Ehre gegeben hatte, aus
solcher Störung des tagtäglichen Tages- und Ge¬
schäftslaufs heimging oder fuhr, hatten wir, der
Vater und der Sohn, es freilich uns gleichfalls ge¬
fallen lassen müssen, was dann noch mehr oder
weniger anekdotenhaft aus dem Lebensverlauf des

wenn es gewünſcht worden iſt; aus der Hand nahm
es mir der Nächſte mir zur Seite und ſagte:

„Das war ein wohlmeinender, braver und kluger
Mann, Krumhardt. Mögen Deine ſpäteſten Enkel
noch ſüße Früchte mit ſeinen wackeren Knochen vom
Baume des Lebens werfen . . .“

Velten! . . . Velten Andres! Nun verletzte ich
doch den Anſtand, indem ich zurücktretend dem Chef des
Entſchlafenen, der nach mir nach der Schaufel hatte
greifen wollen, auf den Fuß trat. Den Spaten
reichte Velten ihm:

„Bitte, Herr Obergerichtspräſident.“

Später ſind keine Störungen mehr vorgefallen.
Es iſt nur gethan und geſagt worden, was bei ſolchen
Gelegenheiten gethan und geſagt zu werden pflegt.
Ich, der ich mehr als ein Anderer (auch als der
Freund) von den Vorzügen des alten Herrn Kenntniß
hatte und überzeugt war, kann es bezeugen, daß mir
nichts über ihn geſprochen wurde, was nicht die volle
Wahrheit war. Als wir ihn dann ließen, und ein
Jeder, der ihm die letzte Ehre gegeben hatte, aus
ſolcher Störung des tagtäglichen Tages- und Ge¬
ſchäftslaufs heimging oder fuhr, hatten wir, der
Vater und der Sohn, es freilich uns gleichfalls ge¬
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[210/0220] wenn es gewünſcht worden iſt; aus der Hand nahm es mir der Nächſte mir zur Seite und ſagte: „Das war ein wohlmeinender, braver und kluger Mann, Krumhardt. Mögen Deine ſpäteſten Enkel noch ſüße Früchte mit ſeinen wackeren Knochen vom Baume des Lebens werfen . . .“ Velten! . . . Velten Andres! Nun verletzte ich doch den Anſtand, indem ich zurücktretend dem Chef des Entſchlafenen, der nach mir nach der Schaufel hatte greifen wollen, auf den Fuß trat. Den Spaten reichte Velten ihm: „Bitte, Herr Obergerichtspräſident.“ Später ſind keine Störungen mehr vorgefallen. Es iſt nur gethan und geſagt worden, was bei ſolchen Gelegenheiten gethan und geſagt zu werden pflegt. Ich, der ich mehr als ein Anderer (auch als der Freund) von den Vorzügen des alten Herrn Kenntniß hatte und überzeugt war, kann es bezeugen, daß mir nichts über ihn geſprochen wurde, was nicht die volle Wahrheit war. Als wir ihn dann ließen, und ein Jeder, der ihm die letzte Ehre gegeben hatte, aus ſolcher Störung des tagtäglichen Tages- und Ge¬ ſchäftslaufs heimging oder fuhr, hatten wir, der Vater und der Sohn, es freilich uns gleichfalls ge¬ fallen laſſen müſſen, was dann noch mehr oder weniger anekdotenhaft aus dem Lebensverlauf des

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/220>, abgerufen am 23.04.2024.